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Das deutsche Startup PACE macht alte Autos smart

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Smart Car für alle: Das deutsche Startup PACE Telematics hat einen Stecker erfunden, mit dem fast jeder Autobesitzer sein Fahrzeug um digitale Mehrwert-Dienste erweitern kann – von der Onboard-Analyse bis hin zum automatischen Fahrtenbuch. WIRED hat das System getestet.

Uhren, Häuser, Schlüssel und sogar Schuhe: Heute wird alles irgendwie smart. Auch Autos werden zunehmend intelligenter oder zumindest deutlich komfortabler, allerdings bisher nur die neuen Modelle. Das muss nicht sein, finden Martin Kern, Robin Schönbeck und Philip Blatter. Die drei Gründer des Karlsruher Startups PACE Telematics wollen mit ihrer Erfindung PACE Link rund 140 Millionen PKW und Kleinlaster smarter machen – für 120 Euro pro Fahrzeug.

PACE Link ist ein 4,6 Zentimeter breiter, 2,7 Zentimeter hoher und 2,6 Zentimeter tiefer Stecker, der an die OBD-2-Schnittstelle passt. OBD steht für On-Board-Diagnose, der Port befindet sich in vielen Autos unter dem Lenkrad. Das weltweit standardisierte System benutzen beispielsweise Werkstätte, um mit speziellen Geräten Fehlercodes auszulesen. Genau das macht PACE Link auch – aber direkt für den Autofahrer.

Der Stecker holt sich die Fahrzeugdaten in Echtzeit und schickt sie mittels Bluetooth LE an das Smartphone des Benutzers. Die PACE-App wertet die empfangenen Daten aus und reichert sie mit weiteren Angaben aus dem Internet an. Das Ergebnis: Nutzer erhalten auf einen Blick eine Fülle an wichtigen Informationen über ihr Auto und ihr Fahrverhalten. Doch was bringt das? „PACE macht Autofahren einfacher, stressfreier und sicherer“, fasst Martin Kern während eines Präsentations-Events die Kernbotschaft seiner Erfindung zusammen.

Mit dem PACE-System sieht der Nutzer während der Fahrt, wie es seinem Auto gerade geht. Die App zeigt im so genannten Performance Monitor die Motorlast, den Turbo-Druck, die Kühlwassertemperatur, die Batteriespannung, den aktuellen Benzinverbrauch, die Geschwindigkeit und den eingelegten Gang an. Zudem erfährt man, auf welcher Straße man sich gerade befindet, wie schnell man maximal fahren darf und wie umweltfreundlich man unterwegs ist.

Tritt ein Problem auf – weil zum Beispiel die Lambdasonde ausfällt –, dann zeigt das die App einem ebenso an, nur deutlich detailreicher als gewohnt: Während bei normalen Autos in der Regel nur eine Warnleuchte anspringt, liefert PACE eine genaue Fehleranalyse. So erfährt der User, was es mit dem aktuellen Problem auf sich hat und bekommt von der App eine Empfehlung, was als Nächstes zu tun ist. Im besten Fall erspart man sich einen Werkstattbesuch, weil man die Ursache für die Fehlermeldung selbst ganz einfach beheben kann.

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Die App bietet unter anderem auch einen Spritspartrainer, einen Tankstellenfinder, ein Benzinkosten-Tracking und einen Traffic Monitor an. Über das Find-My-Car-Feature werden vergessliche Menschen per Smartphone zum Stellplatz ihres Autos gelotst. Geschäftsleute und Selbstständige dürften hingegen auf das Fahrtenbuch-Feature zurückgreifen: Die PACE-App zeichnet jede Strecke automatisch auf, die Finanzamt-konformen Zusammenfassungen der Fahrten lassen sich mit einem Klick kategorisieren, mit Anmerkungen versehen und dann als PDF verschicken.

PACE wirkt wie ein Schweizer Taschenmesser fürs Auto, mit dem auch alte Wagen smart werden.

Des Weiteren bringt das PACE-System schon heute eine Sicherheitsfunktion mit sich, die in allen Neuwagen ab dem 31. März 2018 zum Standard gehören wird: eCall. Das automatische Notruf-System nimmt bei einem Unfall selbstständig Kontakt zu einem Call-Center auf. Ist der Fahrer nicht mehr ansprechbar, informiert das Call-Center eine Rettungsleitstelle in der Nähe.

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PACE wirkt wie ein Schweizer Taschenmesser fürs Auto, mit dem auch alte Wagen smart werden. Alle Autos? Nein, aber ziemlich viele. Der Dongle soll mit fast allen PKW ab dem Baujahr 1996 kompatibel sein – laut Martin Kern entspricht das ungefähr 140 Millionen Fahrzeugen. Der gebürtige Schwabe arbeitet schon seit über 15 Jahren in der Automobilindustrie. Er war viele Jahre als Berater tätig und baute den Online-Versandhändler Tirendo.de mit auf, nun kümmert er sich bei PACE Telematics unter anderem ums Marketing.

Einer seiner ersten Vermarktungserfolge war die Kickstarter-Kampagne im April 2016. Sie brachte dem Startup gut 337.000 Euro und über 3.500 Vorbestellungen ein. Kurz danach erhielten die Unterstützer ihre PACE Links, um an einer fast einjährigen Betaphase teilzunehmen. Diese Testphase ist inzwischen beendet, PACE wird in den nächsten Wochen zunehmend im Einzel- und Onlinehandel zu finden sein.

Das sei jedoch nicht alles, sagt Kern im Gespräch mit WIRED. „Es ist angedacht, das System in Zukunft an Geschäftskunden zu verkaufen, beispielsweise an Flottenbetreiber. Oder über Werkstätten, die PACE als Kundenbindungssystem einsetzen können.“ Zudem denke man darüber nach, die smarte Erfindung über Versicherungen zu vertreiben. „Es kann durchaus sein, dass eine Autoversicherung mit PACE ein System aufbaut, bei dem der Kunde einen speziellen Telematik-Tarif abhängig vom Fahrverhalten erhält.“

Will das Startup die erhobenen Daten also an die Industrie verkaufen? Nein, sagt Kern. Zum einen sei das technisch nicht möglich, da sein Unternehmen nicht auf alle Daten zugreifen könne, zum anderen nehme man das Thema Datenschutz sehr ernst. Aus diesem Grund betreibt PACE Telematics eigene Server in einem deutschen Rechenzentrum. Und Kooperationspartner würden nur speziell aggregierte Informationen erhalten, zum Beispiel einen „Fahrer-Score“. Ferner sei man offen für Gespräche mit der Automobilindustrie. Doch die sehe PACE als potenziellen Partner und Angreifer zugleich an.

Verständlich, immerhin arbeiten die Autobauer und ihre Zulieferer teilweise schon an eigenen, ähnlichen Smart-Car-Lösungen: Daimler bietet Mercedes me an, BMW setzt auf ConnectedDrive und Bosch hat mit Drivelog Connect sogar ein Dongle-System à la PACE im Angebot. Diese Konkurrenz hielt Kern und sein Team nicht davon ab, ihr System zur Marktreife zu führen.

Wie schlägt sich PACE im Hands-on? Unser Ersteindruck fällt positiv aus: Aufgrund seiner kompakten Bauweise stört der Stecker nicht, die Einrichtung der App inklusive der Verbindung zur Hardware funktionierte innerhalb weniger Minuten reibungslos. Ab dann wird PACE zum Begleiter, an den man sich schnell gewöhnt. Schön dabei: Jedes Mal, wenn man sein Auto startet, aktiviert die App sich automatisch im Hintergrund – sie muss also nicht manuell gestartet werden.

Da es bei unserem First Look weder zu Fehlermeldungen noch zu einem Unfall kam, können wir nicht einschätzen, wie zuverlässig die Fehleranalyse und das Notruf-Feature funktionieren. Was wir allerdings mehrmals benutzt und zu schätzen gelernt haben: die Suche des Autos über den Find-my-Car-Lotsen. Bei der Reichweiten-Anzeige kam es mit unserem Testwagen allerdings zu Abweichungen – die Angaben in der App unterschieden sich deutlich von denen des Bordcomputers.

WIRED-Vorabfazit: PACE ist noch nicht perfekt – aber das geht in Ordnung. Man darf sehr gespannt sein, inwieweit das Team rund um Martin Kern seine Visionen in den kommenden Monaten verfeinern und umsetzen kann. In dieser Zeit werden wir die Mischung aus Stecker und App weiter intensiv testen. 

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