
Viola und Marcel Pfützner stellen per 3D-Druck Organe her, an denen Ärzte riskante Operationen üben können. WIRED hat mit den beiden Gründern der Medizinischen Modellbau Manufaktur darüber gesprochen, ob der perfekte Mensch bald aus dem Drucker kommt. (Teil 3 unseres Schwerpunkts zum Thema „Mega-Mensch“)
Die erste gedruckte Niere war kaum mehr als ein Zellhaufen. 2011 präsentierte Anthony Atala in einem TED-Talk das Organ aus dem 3D-Drucker, das allerdings nicht funktionierte. Seitdem ist die Forschung an künstlichen Bio-Transplantaten auf die Überholspur gegangen: Das Unternehmen Organovo etwa forscht im Bereich Tissue Engineering, züchtet also Gewebe, das die Grundlage für neue Organe bilden soll. Wissenschaftler der Harvard Medical School konnten – ebenfalls mittel Tissue Engineering – ein schlagendes Herz im Labor herstellen. Und spanischen Forschern gelang es zuletzt, menschliche Haut zu drucken. Dafür nutzten sie Zellen von Unfallopfern als Biotinte, um Ersatzhaut herzustellen. Die Kosmetikindustrie hat schon Interesse an solchen Ansätzen angemeldet, L'Oreal steckt mehrere Millionen Euro jährlich in medizinische und technische Forschung – unter anderem in gedruckte Haut.
Den 3D-Printer anwerfen, sich eine neue Lunge ausgeben lassen und trotz 35 Jahren Kettenrauchen Leistungssport machen – das scheint bald möglich zu sein, aber wie bald? Viola und Marcel Pfützner mischen mit ihrer Medizinischen Modellbau Manufaktur im brandenburgischen Wildau auf dem 3D-Druck-Markt mit. Sie drucken Modellorgane aus Kunststoff, die Ärzte auf komplizierte Operationen vorbereiten sollen, und sprechen auf Fachkonferenzen über die Zukunft der Technologie, unter anderem im Bio-Bereich. Im Interview mit WIRED sagen sie jedoch: Andere Technologien werden wichtiger als der Drucker.
WIRED: Angenommen, ich lande während des nächsten Skiurlaubs im Krankenhaus, könnte ich mir bald einfach gesunde Körperteile aus dem 3D-Drucker einsetzen lassen, wenn die OP zu aufwändig ist?
Marcel Pfützner: Das bezweifle ich. In ferner Zukunft können wir neue Organe vielleicht drucken. Selbst dann bleibt aber die Frage, ob das wirtschaftlich sinnvoll ist. Ich gehe davon aus, dass es Gentechniker sein werden, die früher Organe züchten werden.
WIRED: Aber Ausdrucken würde doch viel schneller gehen, oder?
Marcel Pfützner: Die Möglichkeit, im Bioreaktor auf Basis von Stammzellen des Patienten Organe zu züchten, ist erfolgversprechender. Da kommt keine 3D-Druck-Technik hinterher. lch müsste dafür erst einmal den individuellen Bauplan erstellen, verschiedenste Baustoffe verwenden und jeder Zelle eine entsprechende Koordinate zuweisen. Das wäre erst mit Blick auf die nächsten 50 bis 100 Jahre realistisch.
Es wird wohl nicht so sein, dass Menschen denken, sie könnten nun sorglos 25 Jahre lang rauchen
WIRED: Zukunftsmusik also, sagen Sie. Es gibt aber doch schon gedruckte Organe, zum Beispiel eine Niere, die außerhalb des Druckers immerhin fünf Tage lang lebensfähig war.
Marcel Pfützner: Es gibt aber Grenzen. Eine Niere, die fünf Tage überlebt, bringt dem Patienten nichts. Und neben der Lebensfähigkeit der Zellen muss das Organ auch funktionsfähig sein. Um beim Beispiel zu bleiben: Die Niere ist sehr wichtig für die Reinigung des Bluts. Wenn sie als gedrucktes Organ keine Funktion hat, dann wäre sie vielleicht für das Training von Ärzten geeignet, wie wir es anbieten. Aber darüber hinaus hat sie keinen Mehrwert.
WIRED: Dann also kein 3D-Drucker, sondern Organzucht. Wird die Gentechnik irgendwann so weit gehen, dass wir nicht nur kranke, sondern auch gesunde Organe durch leistungsfähigere ersetzen?
Marcel Pfützner: Vermutlich. Es ist eher eine ethische Frage, die man sich als Gesellschaft stellen muss: Wo liegen die Grenze und die Balance zwischen Heilen und Optimieren? Und es ist auch eine finanzielle Frage: Wer kann sich das alles leisten?