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Warum Twitters Zukunft in den Händen der Community liegt

von Elisabeth Oberndorfer
Bei der Hauptversammlung im Mai werden die Twitter-Aktionäre den Vorschlag der Community diskutieren, eine Genossenschaft zu gründen. Die Umsetzung ist zwar unwahrscheinlich, doch CEO Jack Dorsey setzt damit ein Zeichen für die künftige Überlebensstrategie seines Unternehmens.

Im Herbst 2016 suchte Twitter vergeblich nach einem Käufer. Die Gerüchteküche ist seitdem verstummt, doch die Zukunft der Plattform ist noch immer ungewiss. So sehr, dass das Management nun ernsthaft einen Vorschlag aus der Community diskutiert: die Umwandlung des börsennotierten Unternehmens in eine Genossenschaft, die den Nutzern gehört.

Der Vorschlag kam bereits vor einigen Monaten mit einer Petition auf change.org, die ihr Ziel von 5000 Unterstützern allerdings noch immer nicht erreicht hat. Die Frage, wie ein Community-geführtes Twitter aussehen könnte, stellte sich WIRED-Kolumnist Johnny Haeusler schon damals. Und nun ist die Idee der „We Are Twitter“-Initiative auf der Agenda der Hauptversammlung der Aktionäre im Mai gelandet, wie Recode berichtet.

Die Chancen, dass sich die Investoren tatsächlich für eine Genossenschaft entscheiden, sind gering. Dennoch symbolisiert das Unternehmen mit dem Tagesordnungspunkt, dass es die Wünsche der Community anerkennt. Denn auch wenn Twitter seit Jahren mit stagnierendem Wachstum die Aktionäre enttäuscht, hat die Plattform eine kleine, sehr engagierte Kernnutzerschaft, die durchaus Ideen für die Weiterentwicklung hat.

Die klassische Unternehmensführung hat versagt

Die Negativschlagzeilen der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass die klassische Unternehmensführung versagt hat oder mindestens verbesserungswürdig ist. Die treue Nutzerschaft kritisiert Twitter vor allem dafür, dass kaum etwas gegen Online-Bullying und Trolle getan wird. CEO Jack Dorsey kündigte bereits zahlreiche Maßnahmen an, grundlegend hat sich jedoch nichts geändert.

Ein weiteres Indiz dafür, dass Twitter seine Krise noch nicht überstanden hat, sind die Personalabgänge der vergangenen Monate, besonders in der Führungsetage. COO Adam Bain und CTO Adam Messinger sollen bei ihrem Ausstieg auf Bonuszahlungen von bis zu 35 Millionen US-Dollar verzichtet haben. Die beiden wollten das sinkende Schiff offenbar so rasch wie möglich verlassen. Nach der Jahreshauptversammlung im Mai wird sich das Unternehmen außerdem von Aufsichtsratmitglied Peter Fenton trennen, der diese Rolle seit 2009 inne hatte. Twitter-Mitgründer Evan Williams gab außerdem vor einigen Tagen bekannt, dass er ein Drittel seiner Anteile verkaufen wird. Der Medium-CEO nennt persönliche Gründe und will so andere Investments finanzieren. Die Börse war nach Williams' Ankündigung trotzdem kurzfristig verunsichert.

Auch auf dem Weg zum Massenmedium musste Twitter vergangene Woche einen Rückschlag einstecken. Die Streaming-Rechte für die Football-Spiele der NFL, die man 2016 eingekauft hatte, sicherte sich für die kommende Saison Amazon. Mit der Übertragung wollte Twitter ein breiteres Publikum ansprechen und das Nutzerwachstum wieder vorantreiben. Trotz des NFL-Verlusts will das Portal aber weiter auf Streaming setzen, im ersten Quartal 2017 lieferte Twitter eigenen Angaben zufolge 800 Stunden Live-Material von 40 Partnern aus. Von wie vielen Usern dieses rezipiert wurde, bleibt offen.

Die Community könnte die Strategie der Wahl sein

Ein Grund, warum Twitter im Gegensatz zu Mitbewerbern bei den Nutzern noch ein gutes Image hat, dürfte auch die Trump-kritische Haltung sein. Weil die US-Grenzschutzbehörde einen regierungskritischen Twitter-Nutzer ausspionieren wollte, reichte Twitter am Donnerstag Klage gegen die US-Regierung ein, um dies zu verhinden. Diese zog das Unternehmen rasch wieder zurück, als bekannt wurde, dass die Behörde keine Daten des Accounts mehr einfordern wollte. Trotzdem war der rechtliche Schritt ein klares Zeichen dafür, dass Twitter seine User schützen will.

Und so könnte ein Community-fokussiertes Vorgehen, auch wenn eine Genossenschaft unwahrscheinlich ist, die Strategie der Wahl für die kommenden Monate sein. Werden die Ideen und Wünsche der Heavy User gehört und zeitnah umgesetzt, könnte aus Twitter ein Portal werden, auf dem sich auch neue Nutzer zurechtfinden. Dann wäre der Social-Media-Service auch wieder für potenzielle Käufer interessant, Disney machte im Oktober nicht zuletzt wegen des schlechten Rufs und der feindlichen Diskussionskultur einen Rückzieher. Oder aber CEO Dorsey kann mit dem Feedback der Twitter-Fans das Wachstum so ankurbeln, dass die Aktionäre nicht mehr auf einen Verkauf drängen und der Konzern ohne neuen Eigentümer an der Börse überlebt.

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