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In Jülich scheint das ganze Jahr die Kunst-Sonne

von WIRED Editorial
Das 10.000-Fache der natürlichen Sonnenstrahlung und die Chance auf Flugzeugtreibstoff ohne Nebenwirkungen: Solarforscher des DLR haben eine Kunstsonne gebaut, von der sie sich viel erhoffen. Der weltweit größte Hochleistungsstrahler geht nun in Jülich in Betrieb.

In Jülich bei Aachen scheint künftig eine künstliche Sonne. Kein ewiger Sommer allerdings für die Bewohner der Stadt, sondern ein wissenschaftliches Experiment, stark abgeschirmt in einem Gebäude des Solarforschungsinstituts des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR). Kein Mensch darf direkt in das künstlich erzeugte Sonnenlicht blicken. Selbst indirekte, von Wänden reflektierte Strahlung sei noch so stark, dass das menschliche Auge es nicht aushalten könne, heißt es.

Seit 23. März läuft das DLR-Projekt Synlight. Die Eckdaten: Jeder einzelne der 149 Strahler – Xenon-Kurzbogenlampen – hat die Lichtleistung eines Großkino-Projektors. Diese seien dem Licht der realen Sonne am nächsten, sagt Projektleiter Kai Wieghardt. Gemeinsam erzeugen die Lampen eine Lichtintensität, die mindestens dem 10.000-fachen der natürlichen Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche entspricht. Eine weltweit bisher unerreichte Leistung.

Profitieren wird davon vor allem die Luftfahrt: Die Anlage in Jülich soll effizient Wasserstoff herstellen, eine Grundlage für klimaneutralen Treibstoff. Wieghardt sagt im Gespräch mit WIRED, das DLR forsche auch zum Thema elektrisches Fliegen, er halte „jedoch batteriebetriebene Atlantikflüge für die weit größere Herausforderung im Vergleich zur Herstellung klimaneutraler Treibstoffe aus konzentriertem Sonnenlicht.“ Wasserstoff kommt in der Natur nur in chemischen Verbindungen vor, in der DLR-Anlage wird er dann abgespalten. Dabei hilft die Energie der Kunstsonne: Metall werde auf 800 Grad erhitzt und mit Wasserdampf bespritzt, erklärt Wieghardt. Weil das Metall mit dem Sauerstoff reagiere, bleibe Wasserstoff übrig. Treibstoff gewinnt man wiederum aus der Reaktion von Wasserstoff mit Kohlendioxid. Es entsteht solarer Treibstoff, nachhaltig und von Ölreserven unabhängig.

Auch Forschern und Unternehmen, die Solarkraft für ihre Zwecke nutzen, soll Synlight einen Vorteil bringen: In Jülich finden sie stabile Testbedingungen. Die Sonne selbst ist wegen der natürlichen Einflüsse von Wolken und Luftzirkulation nicht immer der ideale Energielieferant

Einen Nachteil hat die künstliche Sonne: nur vier Stunden Betrieb verbrauchen laut DLR schon so viel Strom wie ein durschschnittlicher Vier-Personen-Haushalt in einem Jahr. Dass die Solarforscher in Jülich das nicht als echtes Hindernis für ihr Projekt sehen, zeigt, wie optimistisch Wieghardt und sein Team auf den möglichen Nutzen von Synlight schauen. Sollten die vermuteten Vorteile für die Luftfahrtbranche und für Solarkraftwerke in einigen Jahren Realität werden, wäre das Geld schnell wieder drin, so ihr Argument. „Meine Kollegen, die Synlight für ihre Arbeiten nutzen werden, schätzen, dass in etwa zehn Jahren synthetische Treibstoffe kommerziell machbar sein werden“, sagt Wieghardt im Gespräch mit WIRED. 

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