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Trumps Datenzauberer wollen auch deutschen Parteien helfen

von Karsten Lemm
Cambridge Analytica hat Donald Trump zwar geholfen, Wähler zu gewinnen. Dass die Datenanalysen seiner Firma aber wesentlich zum Wahlsieg des umstrittenen Milliardärs beigetragen haben könnten, davon will Alexander Tayler nichts wissen. Der Chief Data Officer sprach am Rande der DLD-Konferenz in München mit WIRED und verriet, dass Cambridge Analytica gern auch im deutschen Wahlkampf aktiv werden würde.

Den halben Tag schon haben sie über den kommenden US-Präsidenten Donald Trump gesprochen, der am Freitag ins Weiße Haus einziehen wird. Eine Vorstellung, die immer noch so ungeheuerlich ist, dass sie viele Diskussionen auf der DLD-Konferenz bestimmt, die an diesem Sonntagmorgen begonnen hat.

Da passt es gut, dass um kurz vor halb fünf ein Mann auf die Bühne tritt, der maßgeblich dazu beigetragen haben soll, den vermeintlichen Außenseiter zum Wahlsieger zu machen: Alexander Tayler, 32, Chief Digital Officer von Cambridge Analytica. Er ist ein Big-Data-Spezialist, von dem die breite Öffentlichkeit erst Kenntnis nahm, als Anfang Dezember die Schweizer Zeitschrift Das Magazin behauptete, Donald Trump verdanke seinen Wahlsieg im wesentlichen den Zahlenzaubereien seiner britischen Firma. Durch schlaues Auswerten von Nutzerdaten bei Facebook und anderswo im Netz sei es Cambridge Analytica gelungen, gezielt jene Wähler anzusprechen und zu mobilisieren, die der Milliardär brauchte, um Hillary Clinton zu schlagen.

Wir sind ein politisch neutrales Unternehmen

Alexander Tayler, Chief Digital Officer von Cambridge Analytica

Tayler will von dieser Theorie nichts wissen. Das sogenannte Microtargeting von Zielgruppen, auf das sich seine Firma spezialisiert, sei „kein Allheilmittel, das unwählbare Kandidaten ins Amt befördern kann“. Anfangs habe Trumps Team von den Datenanalysten nicht einmal etwas wissen wollen, erzählt der schmale Mann mit den jungenhaften Gesichtszügen. Sein Unternehmen habe den ungewöhlichen Kandidaten von sich aus kontaktiert, als sich abzeichnete, dass er die Vorwahlen gewinnen würde.

Erst im Juni 2016 habe seine Firma angefangen, für Trumps Team zu arbeiten. Das habe damals aus „wohl weniger als 30 Leuten“ bestanden. „Sie hatten sehr wenig in Datenanalyse investiert“, sagt Tayler. Da kam ihnen das Angebot von Cambridge Analytics dann doch ganz recht.

Die Firma, eine Tochter des Dienstleisters SCL, nutzt ein seit den 1980er Jahren bekanntes Verfahren, um Menschen anhand von Charaktereigenschaften wie Offenheit und Gewissenhaftigkeit in Zielgruppen einzuteilen – in erster Linie für Kunden aus der Wirtschaft, aber zu Wahlkampfzeiten auch gern im Dienste von Parteien und Kandidaten. „In den vergangenen 18 Monaten waren wir zum Großteil mit US-Politik beschäftigt“, erzählt Tayler im Anschluss an seinen Auftritt im Gespräch mit WIRED. Der milliardenschwere Präsidentschaftswahlkampf versprach, ein gutes Geschäft zu werden.

Die Verantwortung für das Ergebnis liegt bei den amerikanischen Wählern

Alexander Tayler, Chief Digital Officer von Cambridge Analytica

Und nur darum sei es gegangen, betont Tayler immer wieder: ums Geschäft. „Wir sind ein politisch neutrales Unternehmen“, erklärt der Brite, „kein rechtskonservatives. Wir haben in den USA rechts von der Mitte gearbeitet, weil dort die Marktchance lag.“ Während Hillary Clinton bereits Dutzende von Datenanalysten beschäftigte, brauchte Trump noch Spezialisten, die sich mit dem gezielten Ansprechen von Wählergruppen auskannten, und war bereit, Cambridge Analytica dafür zu bezahlen. So einfach ist das aus der Sicht des Dienstleisters. Mit den politischen Folgen will Tayler nichts zu tun haben. „Unser Job ist es, unseren Klienten zu helfen“, sagt er. „Die Verantwortung für das Ergebnis liegt bei den amerikanischen Wählern.“

Andererseits möchte Tayler das Ergebnis, das so positiv für seinen Klienten ausfiel, sehr wohl der Arbeit der Cambridge-Analytica-Spezialisten angerechnet wissen. Detailliert erklärt er, wie sein Unternehmen Trump dabei half, Wähler zu mobilisieren: Aus kommerziell gehandelten Daten, die Cambridge Analytica bei Firmen wie Experian und Acxiom einkaufte, bauten sich die Briten eine Datenbank, die sie um eigene Marktforschungsergebnisse ergänzen konnten. Heraus kam ein Datensatz mit 230 Millionen Namen, jeder angereichert um etliche persönliche Eigenschaften. Das erlaubte es den Trump-Beratern, gezielt Anzeigen zu schalten – etwa auf Facebook –, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Resonanz stießen.

„Wir bewerteten die gesamte Wählerschaft mit mathematischen Modellen“, erklärt Tayler, „etwa im Hinblick darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit Menschen zur Wahl gehen und für wen sie vermutlich stimmen würden und welche Themen ihnen wichtig sind. Anschließend teilten wir die Wähler in Gruppen ein: Dies sind Menschen, denen Wirtschaft wichtig ist, jenen liegen Einwanderungsgesetze am Herzen.“ Diese Segmentierung sei essentiell gewesen, um das Werbebudget effizient einzusetzen, erklärt Tayler, denn wenn jemand sich für Wirtschaft interessiert, „sollte man kein Geld damit verschwenden, mit solchen Leuten über Waffenkontrolle zu sprechen. Das interessiert sie nicht.“

Schritt für Schritt tasteten sich die Marktforscher an ihr Zielpublikum heran. Sie versuchten zunächst, Aufmerksamkeit zu erregen, um anschließend Trump-Fans für Newsletter zu gewinnen und den Kandidaten auf immer neue Weise zu unterstützen. „Man wirft ein weites Netz über die Menschen, die man als mögliche Supporter identifiziert hat“, erklärt Tayler, „und dann versucht man, sie zu Spenden zu bewegen, etwas in sozialen Netzwerken zu teilen oder Produkte zu kaufen.“

Wir würden liebend gern auch in Deutschland tätig werden

Alexander Tayler, Chief Digital Officer von Cambridge Analytica

Im US-Wahlkampf habe das so gut funktioniert, sagt Tayler, dass sich Cambridge Analytica für Trump nicht nur in Stimmen gerechnet habe. Bei einer Spendenkampagne sei mehr Geld hereingekommen, als die Anzeigen gekostet hätten. „Das ist das Schöne an digitaler Werbung“, sagt Tayler. „Man bekommt sehr direktes Feedback darüber, was funktioniert und was nicht.“

Gern würde Cambridge Analytica auch in Europa solche Wunder wirken. Allerdings macht der Datenschutz es den Analytikern deutlich schwerer. In Deutschland, Frankreich oder Italien dürfen sie nur mit Informationen arbeiten, die Menschen ihnen ausdrücklich überlassen haben – und immer nur für einen ganz speziellen Zweck. „Das bedeutet, wir müssen mit Kunden darüber sprechen, welche Daten sie besitzen“, sagt Tayler, „welche Einwilligung dafür existiert, und was wir im Einzelfall tun können, um ihnen zu helfen.“

Generell aber – keine Frage – möchte die Firma ihre Dienste auch deutschen Parteien zur Verfügung stellen. „Wir sind ein Unternehmen“, erklärt Tayler, „und wir würden liebend gern auch in Deutschland tätig werden.“ Seine Firma könne sich plötzlich vor Anfragen kaum retten, erzählt der Chief Data Officer. Der Wirbel um die Trump-Wahl kommt ihm da ganz recht, auch wenn Cambridge Analytica die Rolle des Buhmanns zugefallen sein mag. Aber das sei, wie gesagt, ein Missverständnis: „Die Wahrheit ist: Wahlen werden von Kandidaten gewonnen oder verloren“, sagt Tayler noch einmal. „Wenn Sie einen Kandidaten haben, dem es nicht gelingt, die Wähler zu begeistern, kann kein Datensatz und kein Targeting daran etwas ändern.“

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