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Ist Facebook-Targeting wirklich schuld am Sieg von Donald Trump?

von Elisabeth Oberndorfer
Ein Bericht über die britische Agentur Cambridge Analytica sorgt derzeit im deutschsprachigen Netz für Aufregung. Hat das Unternehmen mit seinem Profiling und Micro-Targeting von Facebook-Usern tatsächlich Donald Trump ins Weiße Haus gebracht? Die Methoden der Firma stehen seit längerem in der Kritik, nicht nur wegen Datenschutzbedenken.

„Donald Trump sollte Sie heute küssen“, sagte eine Nachrichtensprecherin einen Tag nach der US-Wahl zu Matthew Oczkowski, Head of Product der Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica. Das Unternehmen feierte den Erfolg seines bekanntesten Kunden auf der Website mit einem Zusammenschnitt von TV-Berichten. Trump hatte die Londoner Agentur engagiert, um Wählergruppen zu analysieren, gezielt anzusprechen und so die Wahl zu gewinnen.

Die Sammlung und Analyse von Daten, die Cambridge Analytica (CA) dafür durchführte, sorgte am Wochenende für Aufregung, als der Text mit dem Titel Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt, aus der Schweizer Tagesanzeiger-Beilage Das Magazin in Social-Media-Kanälen die Runde machte. Das Zitat in der Überschrift stammt von dem Psychologen Michael Kosinski, der den Ansatz von geschaffen hat, den CA genutzt hat. Der Sozialforscher hat eine Methode entwickelt, mit der auf Basis von Daten eines Facebook-Nutzers dessen Persönlichkeit abgebildet werden soll.

Dass Cambridge Analytica rund 220 Millionen US-Bürger analysiert, in Persönlichkeitsgruppen aufgeteilt und diesen gezielte Facebook-Werbung ausgespielt hat, soll Trump zum Sieg verholfen haben. Und auch wenn sich das Unternehmen am Tag nach der Wahl von den Medien feiern ließ, so gaben die Datenanalysten Trump am Tag vor der Wahl nur eine 30-Prozent-Chance für den Sieg: „So viele Staaten waren innerhalb der Fehlergrenze, sodass sich die Sache in jede Richtung drehen könnte“, sagte Oczkowski dem Wall Street Journal.

User mit Persönlichkeitstests analysiert
Ein Jahr zuvor wollten die Targeting-Spezialisten noch einen anderen Republikaner ins Weiße Haus bringen: Ted Cruz. Er engagierte CA für seine Präsidentschaftskampagne, was der Agentur erstmals internationale Aufmerksamkeit verschaffte – allerdings nicht nur positive. Der Guardian berichtete im Dezember 2015, dass die Daten, die Cambridge Analytica für den Auftrag sammelte, ohne Zustimmung der Facebook-Nutzer passierte. Das Unternehmen nahm zu den Vorwürfen nicht Stellung. Facebook betonte damals, die Praktiken von Cambridge Analytica zu untersuchen. User in die Irre zu führen – im Fall von CA durch Persönlichkeitstests – verstoße gegen die Geschäftsbedingungen.

+++ Mehr zum Thema: Wie Big-Data-Startups die Wahlprognose revolutionieren +++

Weil die Datensammlungen von Cambridge Analytica den EU-Datenschutzrichtlinien widersprechen, werden die Informationen in den USA gespeichert. Dass eine britische Agentur US-Politiker zu ihren wichtigsten Kunden zählt, ist kein Zufall. Die SCL Group, seit mehr als 20 Jahren international im Political Campaigning tätig, gründete die Tochter Cambridge Analytica, um in den US-Markt einzusteigen. Einer der größten Investoren ist der amerikanische Hedgefonds-Betreiber Robert Mercer, der zu den wichtigsten Unterstützern von Ted Cruz zählte. Mittlerweile hat Cambridge Analytica auch Steve Bannon im Vorstand, Trumps Kampagenleiter und zuvor Chef des rechtspopulistischen Portals Breitbart. Für Bannon, einem Vertrauten von Mercer, ist CAs Ansatz, Wähler anhand von Facebook-Daten zu kategorisieren und anzusprechen, ausschlaggebend für sein Engagement: „Facebook hat Breitbart ein massives Publikum gebracht. Wir kennen seine Macht.“

Innovative Meinungsforschung oder nur gutes Verkaufstalent?
Doch die Datenauswertung der Firma, die Büros in New York, Washington und London betreibt, wurde nicht nur wegen Datenschutzbedenken immer wieder kritisiert. Bloomberg-Reporter Sasha Issenberg ließ sich vergangenes Jahr von Cambridge Analytica ein Profil erstellen und verglich dieses mit dem Persönlichkeitstest von Michal Kosinski, die Ergebnisse klafften laut dem Journalisten weit auseinander. Und nicht zuletzt konnte sich Cruz im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur gegen Trump nicht durchsetzen.

Gegenüber dem Fachmagazin Ad Age teilten einige Berater anonym ihre Bedenken und Erfahrungen mit der SCL-Tochter. Demnach habe Cambridge Analytica Versprechungen nicht erfüllen können. Die Agentur sei im Verkaufen besser als in der Umsetzung des Produkts, heißt es. Die Methode sei nicht so innovativ und ausgereift, wie angepriesen. Ähnliche Kritik zitierte WIRED US schon im vergangenen August: „Die generelle Meinung von denen, die mit Cambridge zusammengearbeitet haben ist, dass nicht viel dahinter steckt.“

In einem Atemzug mit den Berichten um Trumps Big-Data-Kampagne wird Cambridge Analytica in den Medien auch immer wieder für den Ausgang der Brexit-Abstimmung verantwortlich gemacht. Eine Zusammenarbeit mit der „Leave“-Kampagne soll jedoch aus finanziellen Gründen nicht zustande gekommen sein. CEO Alexander Nix hat das Gerücht nie klargestellt. „Sie lassen sich den Verdienst für etwas anheften, was sie nie getan haben”, behauptet ein anonymer Kritiker.

Verbindungen ins Weiße Haus
Am 16. November veröffentlichte Cambridge Analytica auf seiner Website die Learnings aus dem US-Wahlkampf. Und während die Agentur kurz davor nicht ganz so sicher war, klingen die Analysten jetzt überzeugt: „Die meisten Meinungsforscher haben Trump unterschätzt. Cambridge Analyticas interne Daten zeigten aber, dass das Rennen knapp wird, weil die Datenforscher die Trends, die sich in der Wahlnacht abspielten, vorhergesehen haben. Die Ads, die die Polit-Marketer auf Facebook buchten, wurden eigenen Angaben zufolge 1,5 Milliarden mal gesehen.

Trumps Team rechnet die gewonnene Präsidentschaftswahl offenbar tatsächlich Cambridge Analytica zu, denn das Unternehmen könnte auch im Weißen Haus wieder eine Rolle spielen. CEO Nix ist laut dem Guardian für eine Position in der Trump Organization im Gespräch. Ein Sprecher des Trump-Teams dementiert, dass Cambridge Analytica für das Weiße Haus arbeiten werde. Ob die Agentur aber für Trumps private Holding werken könnte, bleibt unbeantwortet. Mit dem Chefstrategen Steve Bannon hat Nix jedenfalls eine gute Verbindung zum Weißen Haus.

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