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Die Leiterin des TOR–Netzwerks glaubt, Apple treibt im Streit mit dem FBI ein doppeltes Spiel

von Max Biederbeck
Eine der prominentesten Kämpferinnen für digitale Privatsphäre, die Leiterin des TOR-Projekts Shari Steele, äußert im Interview mit WIRED Zweifel an der öffentlich vorgetragenen Motivation von Apple in dessen Kampf gegen das FBI. Worum geht es hier wirklich?

Mittlerweile bringt der Streit zwischen Apple und dem FBI sogar Menschen auf die Straße. In über 50 Städten haben in den USA aufgebrachte User gegen die Aufforderung der Behörden demonstriert, per „Backdoor“ Zugang zu einem iPhone zu bekommen. Es ist ein grundsätzlicher Konflikt geworden. Einer über die Frage: Privatsphäre oder Sicherheit? Und die beiden Fronten, so scheint es, sind verhärtet. Auf der einen Seite steht das Tech-Unternehmen aus Cupertino, das seine Nutzer vor staatlichem Eingriff schützen will. Auf der anderen finden sich Opfer und Behörden, die den Verursacher eines schrecklichen Attentats fassen wollen. Nur, vielleicht ist Apple gar nicht so daran interessiert, diesen Grundkonflikt auszutragen, wie alle glauben.

„Sicher regen sie sich bei Apple auf, die Frage ist nur worüber“, sagt die neue Chefin des TOR-Netzwerks, Shari Steele. TOR ist das weltweit wichtigste Tool für Privatsphäre im Internet. Mit Hilfe tausender dezentraler Server, kann ein User des TOR-Netzwerks seinen Traffic so umleiten, dass seine Identität  anonymisiert wird. Steele beschreibt Mitarbeiter und Aktivisten des TOR-Projects als „Freiheitskämpfer“. Täglich surfen rund zwei Millionen Menschen mit TOR. Auch im so genannten Darkweb, das Behörden wie das FBI schon lange infiltrieren wollen. Steele ist Anwältin für Menschenrechte, arbeitete lange für die Electronic Frontier Foundation (EFF) und ist eine prominente Kritikerin der US-amerikanischen Überwachungsstrategien. Im Interview mit WIRED äußert sie schwere Zweifel an der Motivation von Apple. Es wirke, so Steele, als sei der gesamte Konflikt ein wohl inszeniertes Theaterstück.

Will Apple seine Informationen eigentlich sehr wohl dem FBI übergeben?

„Bei Apple ärgern sie sich nur darüber, dass aufwändiges Programmieren notwendig sein wird, um die Informationen zu beschaffen. Es ist nicht so, als könnten sie einfach aus der Cloud geladen und weitergeben werden“, sagt Steele. Apple wisse allerdings längst, „dass es seine Informationen dem FBI übergeben wird“. Das Unternehmen treibe ein doppeltes Spiel.

Seit ungefähr einer Woche schwelt der Streit. Das FBI verlangt von Apple das Entschlüsseln eines iPhones eines der Attentäter von San Bernadino, bei dem 14 Menschen ums Leben kamen. Apple aber weigert sich. Seitdem bekennen sich Tech-Größen nacheinander zu einer oder der anderen Streit-Seite. Bill Gates etwa stellte sich auf die Seite des FBIs, Mark Zuckerberg von Facebook springt Apple bei. Viele Unternehmen fürchten einen rechtlichen Präzedenzfall, in dessen Folge sie gezwungen wären, ihre Daten mit Behörden zu teilen. Die aber behaupten, es ginge nur um die konkrete Verfolgung des Attentats.

Mehrere Apple-Manager wandten sich am Freitag anonym an die Presse, um den Konflikt mit dem FBI zu schildern. Entgegen anders lautender Behauptungen der Behörde habe diese den Konzern aufgefordert, eine Software zu entwickeln, die als „Master Key“ auch für andere iPhones und nicht nur für das betreffende Gerät verwendet werden kann, sagen die Insider. Schon machen Berichte die Runde, nach denen es schon in früheren Fällen Aufforderungen zur Entperrung gleich mehrerer iPhones gab. Das US-Justizministerium bezeichnet Apples Vorgehen als „Marketing-Strategie“ und wirft dem Konzern vor, die gerichtliche Anordnung falsch verstanden zu haben.

Auch Steele glaubt an eine Marketing-Strategie, aber mit den Vorwürfen des Justizministeriums hat sie nichts zu tun. „Wie viele Unternehmen handelt Apple nur im Eigeninteresse“, sagt sie. „Ich möchte nicht skeptisch erscheinen, aber ich glaube, Apple hatte nie die Absicht wirklich zu kämpfen.“

Viel mehr fahre das Unternehmen eine Doppelstrategie: Es weiß, dass ihm ein wenig Kampf für Privatsphäre bei seinen Kunden und auch bei Privacy-Aktivisten nicht schaden kann (viele der Proteste werden von Steeles altem Arbeitgeber der EFF organisiert) gleichzeitig wisse Apple aber auch, dass die Mehrheit der Bevölkerung eher die Meinung der Behörden teile. Gerade in Verbindung mit Attentaten wird der Streit zwischen liberalen Vertretern der Privatssphäre und Forderern nach mehr Sicherheit höchst emotional geführt.

„Ich bin kein Insider, aber meine Analyse lautet, Apple tanzt auf beiden Hochzeiten gleichzeitig und steht so als Gewinner da“, sagt Steele. Die Wahrheit heiße deshalb: „Apple wollte nie gegen die Regierung arbeiten“ und „Am Ende wissen sie, dass sie ihre Informationen aufgeben müssen“, so Steele. Ein Win-Win für zwei scheinbar unvereinbare Seiten.

Das volle Interview mit Shari Steele über den neuen Streit um unsere Privatssphäre, Crypto-Wars 3.0 und den wachsenden Druck auf das TOR-Netzwerk lest ihr in Kürze auf WIRED.de

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