Die Punkband Pussy Riot weiß, wie schnell politische Kundgebungen in Russland hinter Gittern enden können. Öffentliche Märsche und Demonstrationen, die ohne Zustimmung der Regierung stattfinden, sind dort verboten. Und nun kann es Andersdenkenden sogar schon zum Verhängnis werden, wenn sie online auch nur mit Protesten liebäugeln: Der Putin-freundliche Thinktank „Forschungszentrum für Rechtmäßigkeit und politischen Protest“ hat eine Software entwickelt, die regimekritische Aktivitäten im Netz aufspüren soll. Sie ist seit wenigen Tagen im Einsatz.
Sie werden von Vorbereitungen illegaler Demonstrationen erfahren, lange bevor die Medien darüber berichten.
Alle fünf Minuten durchsucht das Programm „Laplacescher Dämon“ Posts in sozialen Medien, um nicht autorisierte Aktionen zu unterbinden, bevor sie überhaupt ins Rollen kommen. Die Software durchkämmt dafür Einträge gezielt auf Informationen, die auf Protestplanungen schließen lassen. Wird das Programm fündig, werden die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet.
Der russischen Zeitung Izvestia sagte der Direktor des Thinktanks, Yevgeny Venediktov, dass neben den Behörden auch Forscher, Sozialwissenschaftler und Regierungsbeamte von der Software profitieren könnten: „Sie werden von Vorbereitungen illegaler Demonstrationen erfahren, lange bevor die Medien darüber berichten.“ Von einer Smartphone-App können sich Nutzer der Software etwa über bevorstehende Protestaktivitäten unterrichten lassen. Im Izvestia-Bericht wird die Erfindung als ein „System, das Massenunruhen verhindert“ beschrieben.
Ein Weltgeist, der die Gegenwart in all ihren Facetten und Details kennt und daher die Zukunft voraussagen kann.
Die Entwickler haben ihr Programm nach einer Idee des französischen Mathematikers und Philosophen Pierre-Simon Laplace benannt. Der sogenannte „Laplacesche Dämon“ ist ein Weltgeist, der die Gegenwart in all ihren Facetten und Details kennt und daher die Zukunft voraussagen kann.
Laut Venediktov überwacht die Software landesweit „politisch ausgerichtete Gruppen, die mit sozialen Protesten aufgefallen sind“. Vorerst werden vor allem Nutzerseiten und Gruppen auf Facebook und dem russischen sozialen Netzwerk Vkontakte durchsucht. Im September 2015 soll dann auch Twitter in das System integriert werden.