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Zukunft der Arbeit / Dieses Büro soll Mitarbeiter bewusst verwirren

von Thorsten Schröder
Die Büroräume des kalifornischen Startups Procore Technologies lassen die Mitarbeiter konfus und verloren zurück. Genau das ist der Sinn.

Die Konferenzräume sind dreieckig, die langen Flure verlaufen diagonal, Licht fällt in allen Variationen durch die Fenster, Wände sind plötzlich unterbrochen oder mit Plane bespannt. Es herrscht Chaos in den Räumen von Procore Technologies in Santa Barbara vor allem Chaos. Quadratische oder rechteckige Räume sucht man bei dem Startup vergeblich.

Mitarbeiter sollen bereit sein, das Unerwartete zu erwarten.

Procore hat seine Büros nach dem Vorbild chinesischer Tangram-Puzzles entworfen. Das sind jene Legespiele, in denen sieben bunte Plättchen zu Tieren, Schiffen oder anderen Formen zusammengesetzt werden. Ziel der sonderbaren Architektur ist es, die eigenen Mitarbeiter zu verwirren und ihnen das Gefühl der Verlorenheit zu geben. Denn das, erklären die zuständigen Designer von Kingdom Industry auf Anfrage, mache sie aufmerksamer und bereit, das Unerwartete zu erwarten.

Dabei passt das auf den ersten Blick so gar nicht zu dem, wofür Procore Technologies eigentlich steht. Denn das 2002 gegründete Startup hat sich auf Cloud-basierte Management-Software spezialisiert, die Baufirmen helfen soll, ihre Budgets zu überblicken, Projekte zu planen und Entwürfe auszutauschen. Nichts also, wofür es dringend ein kreatives Chaos bräuchte.

Wie aus Mikado-Stäben entstanden, die man in die Luft geworfen hat

Die Firma sieht das anders. Die Baubranche sei „unfassbar chaotisch“, erklärt CEO Tooey Courtemanche. Alles sei ständig in Bewegung, zugleich bewege sich die Industrie sehr langsam, wenn es darum gehe, Innovationen aufzugreifen. Mit dem Design der Büros wolle man ein bisschen mehr Bewegung in Mitarbeiter und Köpfe bringen. Das Konzept scheint aufzugehen: Wenige Wochen nach dem Umzug hätten einige Mitarbeiter zugegeben, in den neuen Räumen regelmäßig verlorenzugehen und ständig aufpassen zu müssen. „Genau das wollten wir“, sagt Courtemanche.

Der Grundriss des Gebäudes wirkt, als sei er aus einem Set an Mikado-Stäben entstanden, die man in die Luft geworfen hat. Viele Wände in dem Gebäude in Santa Barbara berühren sich in den Ecken nicht, sondern enden davor und hinterlassen Lücken. Andere bestehen nur aus Beton- oder Holzrahmen, die mit lichtdurchlässigen Planen bespannt sind und eine Ahnung davon geben, was auf der anderen Seite passiert. Vor dem Gebäude rauscht der Pazifik.

Eric Corbett von Kingdom Industry bezeichnet das Ganze als Experiment. Es gebe natürlich keine Garantie, dass seine Räume die Qualität der Arbeit erhöhen. Aber es sei schließlich wissenschaftlich erwiesen, dass physische Umgebungen, die fühlbar sind und verschiedene Farben und Lichteffekte haben, die Aufmerksamkeit erhöhen und Energie liefern. Kurz: Wenn wir uns ständig neu orientieren müssen, ist auch unser Hirn aktiver.

Genau deshalb, sagt auch Courtemanche, habe man die besten Ideen schließlich selten am Schreibtisch, sondern in der Dusche oder im Auto — an Orten eben, bei denen der Kopf gerade eigentlich etwas ganz anderes macht. 

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