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Neues vom Admin / Zwölf Stunden aus dem Leben eines Admins

von Armin Hempel
Jeden Tag stehen in Deutschland tausende heroische Admins auf und ziehen in den Kampf gegen streikende Computer, Sicherheitslücken und Hacker-Angriffe. Das größte Hindernis ist dabei allerdings meist nicht die Technologie, sondern die Menschen, die damit umgehen müssen. Unser Admin Armin hat einen solchen Tag mal aufgeschrieben. 

Dienstag, 8:30 Uhr: Das Telefon zeigt drei Anrufe in Abwesenheit, ein paar Mails und SMS. Noch vor dem Duschen rufe ich zurück, es könnte ja dringend sein. Eine aufgeregte Stimme auf der anderen Seite: „Ja, guten Tag, Herr Admin, sie haben bei uns den Server eingerichtet und seit gestern funktioniert hier überhaupt nichts mehr!“

Die Anruferin meldet sich aus einem Steuerberatungsbüro in Finsterwalde, für das ich tatsächlich mal einen Server eingerichtet habe, allerdings liegt das mehr als acht Jahre zurück! Seitdem: Funkstille. Auf meine Nachfrage hin, was genau denn nicht funktioniere, ernte ich ein mürrisches: „Der Google. Und sonst auch nichts. Nur Scannen und Diktieren geht. Am Server hing eine Notiz mit ihrer Nummer, können Sie mir jetzt helfen oder nicht?!“ „Klar“, denke ich mir, und weil der Google nun mal eine funktionierende Internetverbindung voraussetzt, schlage ich der Dame am Telefon vor, einmal den Stecker des Routers zu ziehen, woraufhin das Gespräch prompt abbricht. Zwei Rückrufversuche meinerseits bleiben erfolglos.

 

9:00 Uhr: Also mache ich mich auf den Weg ins Büro. Vor meiner Bürotür hat sich schon eine kleinere Schlange gebildet und eine heiße Diskussion ist im Gange: Es geht um die These, dass uns Computer nur helfen, jene Probleme zu lösen, die wir ohne sie gar nicht erst hätten. Ich enthalte mich eines Beitrags und schließe auf, um den ersten Kollegen zu empfangen. Er schaut ernst und sagt: „Guten Morgen, Herr Admin. Unser wichtigster Ordner ist weg. Das waren über 5000 Adressen, die sind nun einfach gelöscht. Wir haben eine dringende Abgabe und ohne die Adressliste geht gar nichts. Sie haben da doch bestimmt einen Trick, um das wieder rückgängig zu machen?“ Er hat Recht, diesen Trick habe ich, der heißt Backup. Zuvor schaue ich aber in das betreffende Verzeichnis und mir fällt sofort ein Ordner namens „_Adressen“ auf. „Ist er das?“, frage ich. „Ja“, sagt er freudestrahlend, „Wie haben sie den denn so schnell gefunden?“ Ich seufze: „Der liegt hier ganz oben, als erstes Objekt, in Ihrem Verzeichnis. Seit – Moment, bitte — seit vier Monaten liegt er da.“ „Oh, das ist ja toll, vielen Dank!“ Grinsend verlässt er das Büro.

Der Kollege scannt den Titel, blättert um, scannt dann wieder den Titel usw…

10:00 Uhr: Kollege Nummer zwei kommt herein. Dieser ist sichtlich gestresst und zu allem Überfluss spielt ihm die moderne Technik nun auch noch Streiche. „Scanner kaputt!“, schnauft er lakonisch. Ich frage, was genau am Scanner denn nicht funktioniere. Daraufhin antwortet er vorwurfsvoll: „Ich soll 600 Seiten scannen, aber es kommt immer wieder nur der Titel des Buches raus!“ Ich atme tief durch und begleite ihn zum Scanner. Diagnose: Das Buch falsch herum auf dem Scanner. Der Kollege scannt den Titel, blättert um, scannt dann wieder den Titel usw… „Sehen Sie?“, fragt er, als sich die Vorschau des Dokuments öffnet. Als ich ihn freundlich, aber um Fassung ringend, auf seinen Fehler hinweise, ernte ich statt eines Dankeschöns nur ein gegrummeltes „Das muss einem doch gesagt werden…“.

11:00 Uhr: Zurück im Büro rufe ich dann einen Kunden zwecks Terminvereinbarung an. Sein Speichersystem hatte mich in der Nacht per Mail informiert, dass eine der darin verbauten Festplatten dabei ist, den Geist aufzugeben. Er wirkt zerknirscht: „Dafür habe ich jetzt überhaupt keine Zeit. Ich bin die ganze Woche unterwegs, schließlich muss ich ja auch mal Geld verdienen!“ Ich sage: „Kein Problem, dann treffen wir uns am Samstag, und falls wirklich etwas passieren sollte, haben Sie ja ein Backup.“ – Schweigen am anderen Ende. „Hallo?“, frage ich. Zögerlich kommt die Antwort: „Ja genau, wegen des Backup-Systems wollte ich nochmal mit Ihnen reden. Ich habe das vor einigen Monaten ausgebaut und zu einem anderen Standort bringen lassen, weil wir da auch Zugriff auf die Daten brauchen. Und weil ich weiß, dass sie bei so etwas sauer werden, habe ich ihre E-Mail-Benachrichtigungen dafür ausgeschaltet.“ Meine Anmerkung, dass der Zugriff auch anders zu regeln gewesen wäre und er – wenn es bei der neuen Lösung bleiben sollte – entweder ein neues Backup-System bräuchte oder die alten Geräte wenigstens neu konfiguriert werden müssten, bleibt mit Hinweis auf die Kosten ungehört. Zumindest die kaputte Platte darf übers Wochenende getauscht werden. 

12:00 Uhr: Es klopft. In der Tür steht Kollege Nummer drei. Er hat eigentlich kein technisches Problem, aber er möchte sich einfach mal erleichtern. Er beschwert sich bei mir darüber, dass man für die neuen Macs schon wieder neue Adapter braucht und dies sei ja wohl eine Frechheit. Und außerdem würde die Firma aus Cupertino sich überhaupt nicht mehr um ihr Kerngeschäft kümmern, seit sie Telefone herstellten. Und die generelle Qualität von Hard- und Software sei auch nicht mehr so wie früher. Man würde von denen doch nur noch „veräppelt, haha!“. Meine Anmerkung, dass ich nicht für Apple arbeite, dass Telefone tatsächlich deren Kerngeschäft sind und dass ich absolut keinen Einfluss auf jedwede Entscheidungen dort hätte, spielt für ihn keine Rolle. Er bedankt sich für mein offenes Ohr und geht.

Wissen Sie was? Ich ziehe jetzt einfach alle Stecker und dann...

14:30 Uhr: Das Telefon in Finsterwalde funktioniert wieder. „Entschuldigen Sie, ich habe aus Versehen unser Telefon rausgezogen und nun haben wir auch noch den ganzen Vormittag verloren. Und der Google funktioniert immer noch nicht!“ Ich schlage erneut vor, den Router zu suchen, damit diesmal der richtige Stecker gezogen werden kann: „Sie müssen das Netzwerkkabel von ihrem Rechner aus verfolgen. Können sie mir sagen, wo das endet?“ Prompt macht sie sich auf die Suche und ich kann nur noch entferntes Fluchen hören. Lange fünf Minuten später ist sie wieder am Telefon und sagt, hörbar resigniert: „Herr Admin, ich kann das Kabel nicht verfolgen. Das geht hier unter dem Tisch lang und dann in so ein Knäuel hinein und danach komme ich nicht weiter. Ich bin einfach kein Experte für Kabel. Wissen Sie was? Ich ziehe jetzt einfach alle Stecker und dann-“. Mein „Lassen Sie das lieber!“ wird nur noch von einem Besetzt-Zeichen quittiert. Das Telefon klingelt aber gleich darauf wieder. Diesmal kommt der Anruf nicht aus Finsterwalde, sondern aus Myanmar.

15:00 Uhr: „Hallo Herr Admin, ich bin hier im W-Lan eines Hotels und ich warte auf eine dringende Mail. Die wurde vor über einer Stunde geschickt und ist noch nicht eingetroffen.“ Ich hole mir seinen Bildschirm auf meinen und bin sehr erstaunt über die durchaus schnelle Verbindung. Ich starte seinen Mail-Client neu, der daraufhin meldet, dass eine Mail aus dem Postausgang nicht verschickt werden konnte, da sie mit 887 MB ein wenig zu groß geraten sei. Nachdem der Postausgang leer ist, kommt die erwartete Nachricht auch prompt herein. Sehr gut, Auftrag schnell erledigt! Der Kunde bedankt sich und legt auf. Und ich frage mich, warum immer noch nicht alle Mail-Clients das Senden von zu großen Mails verweigern.

16:30 Uhr, Finsterwalde: Die Stecker stecken wieder, mittlerweile hat sich eine andere Mitarbeiterin des Problems angenommen und schafft es nach kurzer Erklärung auch, den Router neu zu starten. Auch der Google läuft wieder. Bevor sie auflegt, bittet sie mich noch schnell darum, auf eine Rechnung zu verzichten, da sie das mit dem Router zu Hause auch immer so machen würde und man für ein solch einfaches Problem ja eigentlich keinen Admin benötigen würde. Das wäre ihr sonst vor ihrem Chef sehr unangenehm.

17:00 Uhr: Zeit für Verwaltungsaufgaben. Ich muss kurz vor Feierabend noch eine Festplatte reklamieren, die nach nur sechs Monaten ausgefallen ist. Ich klicke mich durch die Webseite des Herstellers, gebe aufgrund einschlägiger Erfahrungen mit unseren Paketboten verschiedene Rechnungs- und Lieferadressen ein. Doch dann werde ich von einer Fehlermeldung überrascht: „Die Postleitzahlen der Rechnungs- und Lieferadresse stimmen nicht überein.“ „Na, so was“, denke ich mir und rufe resigniert bei der Hotline an. Nach einiger Zeit lande ich im technischen Support. Ein verständnisvoller Mitarbeiter hört sich geduldig mein Anliegen an und kann das Problem sofort für mich lösen. Dabei erzählt er mir, dass ich bereits der Zehnte sei, der deswegen anrufe. Ich stelle fest: Anderswo hat man’s auch nicht leicht und bedanke mich bei ihm, bevor ich auflege. Endlich Feierabend. 

Disclaimer: Selbstverständlich basieren diese Anekdoten nicht auf wahren Begebenheiten und sind nur lose durch meinen Alltag als Admin inspiriert. Meine echten Kollegen und Kunden sind die besten der Welt und würden mich natürlich nie wegen derartiger Probleme aufsuchen oder anrufen. Und falls doch, bringen sie mir hinterher einen Kuchen mit.

In der letzten Folge „Neues vom Admin“ regte sich Armin Hempel gehörig über Sigmar Gabriel und das neue Gesetz zur Störerhaftung auf.

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