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Ada-Lovelace-Festival / Fünf Thesen zu Frauen in der IT

von Chris Köver
Sexismus in der IT: Das ist im Jahr 2015 immer noch ein Problem. Denn obwohl die Zahl der Informatik-Erstsemesterinnen steigt, ist alles, was mit Tech zu tun hat, weitgehend ein Boys Club. Auf dem Ada-Lovelace-Festival in Berlin trafen sich Wissenschaftlerinnen, IT-Profis und Aktivistinnen, um über den steinigen Weg nach vorne und Best-Practice-Beispiele zu sprechen. WIRED war dabei — und hat fünf Thesen zum Thema identifiziert.

# 1 Sei ungeduldig: Ja, es hat sich vieles getan. Frauen in der Tech-Branche werden heute nicht mehr automatisch für Sekretärinnen gehalten — das heißt aber nicht, dass wir uns auf die nächsten 40 Jahre verströsten lassen sollten.

Eileen Hopkins hat lang die National Autistic Society  in Großbritannien geleitet, dann wurde sie zur Beraterin einer Stiftung für Autismus und UK-Chefin des Tech-Startups AI Media, das unter anderem Schulunterricht für Menschen mit Behinderungen optimiert. Zuerst sprach sie auf dem Festival eine halbe Stunde lang über das Leben von Dame Stephanie „Steve“ Shirley, der Frau, die 1962 eine der ersten britischen Computerfirmen gründet hat und damit zur erfolgreichen Unternehmerin wurde.

Der interessanteste Moment folgte aber nach ihrem Vortrag: „Ich denke nicht, dass man viel Geduld haben sollte,“ sagte sie auf die Frage hin, ob Frauen einfach nur noch etwas länger auf ihre Gleichberechtigung warten sollten. „Ich denke, Ungeduld ist eine Tugend, die wir schätzen lernen sollten.“ Das sei auch eine gute Eigenschaft in Hinblick auf die Zukunft: „Ich bin 72 Jahre alt und wurde gerade für meinen ersten Tech-Job rekrutiert. Mein Rat ist: seid ungeduldig und lebt ein langes Leben.“

# 2 It’s not about you: Vorbilder sind wichtiger denn je, damit die nächste Generation von Frauen in der IT nicht vor den gleichen Problemen steht wie heute.

Women Who Code, Rails Girls, Geekettes: Das sind alles Initiativen und NGOs, die Mädchen und Frauen in der IT oder in MINT-Berufen besser fördern und vernetzen wollen. Sie waren auch auf dem Ada-Lovelace-Festival an jeder Ecke anzutreffen. Cheryl D. Miller, Gleichstellungsberaterin für die Europäische Union, stellte ihre Initiativen g-hive und Europe50/50 vor, um im Anschluss noch mal daran zu erinnern, dass es bei jeder persönlichen Entscheidung um mehr als die eigene Karriere geht: „Es geht nicht um euch, es geht um alle.“

Frauen müssten heute ihre Chancen wahrnehmen und die Positionen besetzen, damit es die nächste Generation einmal leichter hat. „Wir wissen um die Macht von Role Models.“ Erst wenn die Geschlechterverhältnisse in der IT und den Naturwissenschaften ausgewogen sind, werde es für Mädchen völlig normal sein, in diesen Berufen zu arbeiten.

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# 3 The numbers tell the story: Ja, es hat sich vieles getan, aber das heißt nicht, dass es nicht noch vieles zu tun gibt — das zeigt der Blick auf die Zahlen.

In Deutschland sind zwar erst rund ein Fünftel aller Informatik-Erstsemesterstudenten weiblich und nur 15 Prozent der Mathematik- und Naturwissenschaft-Professuren von Frauen besetzt — aber schon sorgen sich die ersten darum, dass Männer benachteiligt und Jungs abgehängt werden. Rosina Geiger ist am Hasso-Plattner-Institut für das Thema „Frauen in der IT“ zuständig und berichtet, wie männliche Studenten fürchten, durch die Fördermaßnahmen für ihre Kolleginnen den Kürzeren zu ziehen: „Ist doch ungerecht den Männern gegenüber“. Auch die Erklärungen liegen schnell parat: Frauen würden sich eben nicht so sehr für Technik interessieren, daher sei’s doch nicht so schlimm, wenn sie in entsprechenden Studiengängen auch seltener vertreten sind.

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Cheryl D. Miller bleibt von solchen Erklärungsansätzen eher unbeeindruckt. Sie meint: „Die Zahlen sprechen für sich.“ Solange Frauen in der IT weiterhin unterrepräsentiert sind, bräuchten wir Förderwerkzeuge, um das zu ändern, glaubt sie, von Quoten über Mentoring bis zu reinen Frauenstudiengängen. Die Männernetzwerke in der IT werden sich nicht selbst demontieren.

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# 4 Hör auf dich zu tarnen: Weiblichkeit ist kein Manko — und alle profitieren davon, wenn Frauen in der IT so unterschiedlich auftreten können, wie sie sind.

Es wäre einfach Linda Liukas zu unterschätzen. In einem bunten Hemdkleid steht sie auf der Bühne, während sie spricht, klatscht sie oft begeistert in die Hände, springt auf und ab oder spricht mit verstellter Stimme die Charaktere ihres neuen Kinderbuches nach. Sie kichert viel und lächelt eigentlich non-stop. Das kann beim Zuschauen Unbehagen verursachen.

Wer jetzt aber meint, da habe sich eine Kindergärtnerin auf die Bühne verirrt, liegt falsch. Ihre Attitüde hat Liukas nicht daran gehindert, eine der erfolgreichsten globalen Coding-Netzwerke für Frauen zu gründen (die Rails Girls). Und auch nicht daran, ein Kinderbuchprojekt zu lancieren, das zu einer der erfolgreichsten Kickstarter-Kampagnen des vergangenen Jahres wurde — und heute 20 Prozent der finnischen Buchexporte ausmacht.

Linda Liukas, das merkt man sehr schnell, macht nichts zufällig. Alles ist Strategie. „Ich will so etwas werden wie die Björk des Programmierens,“ sagt sie. „Ich bin mehr an der konzeptuellen Seite interessiert.“ Und Teil dieses Konzeptes ist, Mädchen zu erreichen, noch bevor ihnen irgendjemand erzählen kann, dass sie sich gar nicht für Computer interessieren sollten. Ihr Mittel dazu: ein Kinderbuch.

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Ein anderer Teil dieser Strategie ist, das eigene Frausein nicht am Eingang zur IT-Branche abzugeben. Wie schon die Dritte-Welle- & Girlie-Feministinnen der 1990er Jahre hat Linda Liukas verstanden, dass Mädchenhaftigkeit kein Manko sein muss. Auch mit Glitzernagellack und Haarreifen kann man Schulsprecherin werden, eine Firma gründen, Politik machen. Wenn Frauen und Mädchen in der IT sich nicht mehr als Männer und Jungs verkleiden müssen, wenn Dinge, die Frauen oder Mädchen begeistern, nicht mehr abgewertet werden, dann gewinnen alle. 

# 5 Abgeschminkt: Das Verständnis davon, was Feminismus ist, variiert stark — auch auf einer Konferenz zu Frauen in der IT

Womöglich verwenden die Besucherinnen einer Technikkonferenz sowohl Haarspray als auch Wimperntusche. Den Goodie Bag für so ein Event ausschließlich mit Kosmetik zu bestücken, ist trotzdem keine gute Idee. 

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