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Warum Fußballvereine wie Schalke 04 im E-Sport mitmischen

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Immer mehr Profi-Fußballvereine wagen den Einstieg in den E-Sport und rekrutieren eigene Teams. WIRED hat sich mit Tim Reichert, Leiter E-Sport von Schalke 04, über den neuen Trend sowie Ambitionen, Probleme und Herausforderungen unterhalten.

Der FC Schalke 04 ist abgestiegen. Nein, nicht in der Fußball-Bundesliga. Sondern mit seinem E-Sport-Team S04Esport: Die von Schalke Anfang 2016 verpflichtete Gamer-Truppe verlor Anfang August ihr letztes Spiel in League of Legends (kurz: LoL), einem der zurzeit populärsten E-Sport-Spiele – und muss nun den Abstieg aus der ersten LoL-Liga (Championship Series) in die zweite Liga (Challenger Series) hinnehmen. Das Ziel für die kommende Saison ist jedoch schon klar definiert – Schalke 04 will den sofortigen Wiederaufstieg. Während Schalkes E-Sport-Manager Jacob Toft-Andersen entlassen wurde, hält der Verein am fünfköpfigen LoL-Team und an Cheftrainer Patrick „Nyph“ Funke bislang fest.

„Die Ergebnisse an diesem Wochenende stellen unser E-Sport- und League-of Legends-Engagement nicht in Frage“, sagte Moritz Beckers-Schwarz, Vorsitzender Geschäftsführer der FC Schalke 04 Arena Management GmbH. „Wir haben einen Weg eingeschlagen und den werden wir auch im nächsten Jahr konsequent verfolgen.“ Der Abstieg von Schalkes LoL-Team würde nur dazu beitragen, die Professionalisierung von Schalkes E-Sport-Abteilung „nachhaltig voranzutreiben“. „Dieser Weg ist für uns alternativlos und verfolgt das Ziel des direkten Wiederaufstiegs am Ende des kommenden Splits im Frühling 2017“, sagte Beckers-Schwarz.

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Schalke 04 nimmt sein E-Sport-Engagement also sehr ernst. Wie schon andere Profi-Clubs, darunter Manchester City, West Ham United, FC Valencia oder Sporting Lissabon und in Deutschland der VfL Wolfsburg, hat der Traditionsclub aus dem Ruhrpott das große Potenzial erkannt, das im digitalen Sport schlummert. Und es ist davon auszugehen, dass weitere deutsche Vereine dem Vorbild folgen werden.

Das ist kein Wunder, schließlich füllen große E-Sport-Turniere wie The Grand Finals, The International oder ESL One längst ganze Stadien und werden darüber hinaus von Millionen Menschen im Live-Stream mitverfolgt. Das verspricht für die Vereine Umsätze in Millionenhöhe, die sie durch Merchandising, Sponsoring, Stream-Vermarktung und Preisgelder generieren.

Dass Schalke nicht nur eine eigene E-Sport-Kombo für das Fußball-Game FIFA ins Rennen schickt, sondern eben auch in LoL, zeigt klar, dass es hier um weitaus mehr als nur den runden Ball geht. Was genau bezweckt Schalke mit seinen E-Sport-Bemühungen? Wie werden sie von den Fans des Vereins aufgenommen? Und welche Hürden gilt es dabei zu überwinden? Diese Fragen und andere Themen hat WIRED im Gespräch mit Tim Reichert dem Verantwortlichen von Schalkes E-Sports-Abteilung, erörtert.

Ein Mann übrigens, der genau weiß, worum es im E-Sport geht: Neben seiner Karriere als Profifußballer war Reichert viele Jahre lang selbst aktiver E-Sportler und gründete 1997 zusammen mit seinen Brüdern und einigen Freunden SK Gaming, einen der bis heute erfolgreichsten deutschen E-Sport-Clans.

WIRED: Sie sind ehemaliger E-Sportler und Fußballprofi und heute Head of E-Sport bei Schalke 04. Ihr Traumjob?
Tim Reichert: Ja, hundertprozentig. Noch vor einigen Jahren hätten sich nur die Wenigsten vorstellen können, dass es so eine Position bei einem traditionellen, deutschen Sportverein einmal geben würde – und doch stehe ich nun hier. Ich bin sehr glücklich über diese Entwicklung und auch über die Möglichkeit, mein Know-how in einem so professionellen Umfeld einbringen zu können, um ein einzigartiges Produkt zu gestalten.

WIRED: Was erhofft sich Schalke 04 von seinem E-Sport-Engagement?
Reichert: Der E-Sport hat sich von einem Nischenmarkt zu einem wettbewerbsfähigen Umfeld mit einer stabilen Infrastruktur und eigenem Ökosystem entwickelt. Wir sehen im elektronischen Sport einen innovativen Weg, Schalke 04 als Marke auf dem internationalen Markt einem neuen Publikum zu präsentieren und dort weiter auszubauen. Organisatorisch gibt es mit meiner Position einen Hauptverantwortlichen bei Schalke, der den E-Sport-Zweig mitentwickelt und weiter ausbaut. Dazu zählt Talent-Scouting, die Sichtung von Managern, Partnerakquise, und so weiter.

WIRED: Ist Gaming tatsächlich mit Leistungssport vergleichbar?
Reichert: Wenn Sie Gaming mit E-Sport gleichstellen, dann definitiv. Im E-Sport greift der Wettkampfcharakter sehr stark und Einzelspieler sowie Teams verschreiben sich der Maxime, hart für Titel, Pokale und Medaillen zu kämpfen. Dazu sind sie stetig psychischen und physischen Druck ausgesetzt: Wie bei klassischen Sportarten wird auch im E-Sport täglich viele Stunden trainiert, um die Reflexe sowie die Hand-Augen-Koordination zu optimieren. Auch das Analysieren von Spielzügen und das Erarbeiten neuer Strategien gehören zum Alltag eines Pro-Gamers. Überdies stehen die Spieler unter stetigem Leistungsdruck.

WIRED: Die Affinität zum Fußball-Game FIFA ist klar. Wieso aber ein League-of-Legends-Team, das hat ja gar nichts mit Fußball zu tun?
Reichert: Zu Beginn unseres E-Sport-Engagements wollten wir mit League of Legends ein klares Zeichen setzen und starteten mit einem Titel, der sich international schon stark etabliert hatte. Damit gehe ich nicht nur auf die über 67 Millionen aktiven Spieler ein, sondern auch auf das bestehende Ligasystem, Preisgelder und Gehälter, globale Studioproduktionen und Live-Berichterstattungen.

Viele unserer Fußballfans sind ebenfalls LoL-Anhänger

Tim Reichert

WIRED: Gibt es eine Schnittmenge zwischen League-of-Legends-Fans und Schalke-Fans?
Reichert: Nach bereits einer Saison konnten wir uns selber davon überzeugen, dass viele unserer Fußballfans ebenfalls LoL-Anhänger sind. Wir waren überrascht, so viele Schalke-Fans im Fußballtrikot in den Berliner League-of-Legends-Studios angetroffen zu haben und freuen uns, das Wachstum dieser Fangemeinde weiterhin beobachten zu dürfen.

WIRED: Wie denken die Fußballprofis im Verein über ihre neuen E-Sport-Kollegen?
Reichert: Einige unsere jungen Spieler zocken selber in ihrer Freizeit und freuen sich über den Vereinszuwachs. Dabei registrieren sie unsere Bemühungen, uns professionell in diesem Markt aufzustellen, was von ihnen respektiert und mit großem Interesse verfolgt wird. 

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WIRED: Und was sagen die Schalke-Anhänger?
Reichert: Wir sind stolz auf unsere Fangemeinschaft und freuen uns sehr darüber, dass sie uns seit Beginn viel positives Feedback gegeben hat. Das gibt uns natürlich einen zusätzlichen Ansporn weiterzumachen und unser Engagement auszubauen.

Wir stellen den E-Sport durch den Abstieg nicht in Frage

Tim Reichert

WIRED: Wie hat der Verein den Abstieg des League-of-Legends-Teams aufgenommen und hat er Auswirkungen auf das E-Sport-Engagement von Schalke 04?
Reichert: Wie bereits Moritz Beckers-Schwarz gleich nach unserem letzten LCS-Spieltag gesagt hat, stellen wir unser Engagement durch den Abstieg nicht in Frage. Niederlagen sind ein elementarer Bestandteil eines Sports, und wir kämpfen in der nächsten Saison gleich um den Wiederaufstieg.

WIRED: Sind für die Zukunft noch andere Schalke-Teams außer für FIFA und LoL geplant?
Reichert: Nach gerade mal vier Monaten ist Schalke immer noch dabei, Erfahrungswerte zu sammeln. Wir können uns die Integration weiterer Titel sehr gut vorstellen. Mit dem stetig wachsenden Erfahrungsschatz bauen wir unsere Infrastruktur weiter aus, um unseren E-Sport-Profis die besten Bedingungen für ihre Weiterentwicklung zu garantieren.

WIRED: Auch andere Bundeligavereine wie der VfL Wolfsburg sind im E-Sport aktiv, wird sich das in Zukunft als neuer Trend etablieren?
Reichert: Ich denke, dass sich mit der weiteren Professionalisierung des E-Sport-Marktes für Vereine künftig häufiger attraktive Möglichkeiten für Synergien auftun. Letztendlich ist es aber davon abhängig, in welche Richtung sich diese entwickeln möchten und welches Potenzial sie einem E-Sport-Engagement für die Realisierung ihrer Strategien zusprechen.

WIRED: Wie oft spielen Sie eigentlich selbst noch Videospiele?
Reichert: Ich spiele immer noch ab und an nach Feierabend mit meinen langjährigen Freunden, die ich teilweise noch aus SK-Gaming-Zeiten kenne. Allerdings bin ich aktuell eher Zuschauer als Spieler. Ich schaue sehr gerne die Spiele der großen Events auf den gängigen digitalen Plattformen.

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