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Innenminister: „Der Ruf nach digitalen Grundrechten ist überflüssig“

von Anna Schughart
Auf der re:publica 17 lehnte Innenminister de Maizière alle Forderungen ab, den Zugriff des Staates auf persönliche Daten zu beschränken. Sein Auftritt zeigte, wie kontrovers das Thema Netzpolitik in Deutschland bleibt – doch die Debatte konnte nicht in die Tiefe gehen: Das Format ließ keinen echten Diskurs zu.

Auf der Leinwand hinter Thomas de Maizière läuft ein Countdown. Zwei Minuten hat er Zeit, um seine Antworten zu geben. Dann folgt eine Entgegnung von Constanze Kurz oder Markus Beckedahl, beide von Netzpolitik.org. Auch sie haben nur zwei Minuten Zeit für ihre Argumente – egal, ob sie noch am Sprechen sind. Nach diesem Muster ist die Debatte auf der re:publica-Konferenz angelegt.

Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner, Sicherheit und Freiheit – netzpolitische Themen, die man ausführlich mit dem Innenminister diskutieren könnte, gibt es reichlich. Doch nach vier Minuten ist Schluss: Ab zum nächsten Thema. Eine Unterhaltung, die in die Tiefe gehen könnte, hat bei diesem Schema keine Chance. Auch wenn das Publikum Fragen stellt, bleiben de Maizière, Kurz und Beckedahl immer nur wenige Sätze, um ihre Positionen darzulegen.

Zu Beginn der Veranstaltung hält de Mazière eine etwa zwanzigminütige Grundsatzrede. Darin stellt er die Frage, wie es um die Freiheit im Zeitalter der Digitalisierung stehe und welche Rolle der Staat dabei spielt. Er forderte eine Digitalpolitik aus einem Guss: „Ich halte den Ruf nach digitalen Grundrechten für überflüssig. Die Grundrechte sind schon da. Wir müssen sie nur im Blick auf die Digitalisierung auslegen und anwenden“, sagt de Maizière.

Mit de Maizière ist eine Normalisierung der anlasslosen Überwachung verbunden

Constanze Kurz, Netzpolitik.org

In seiner zweiminütigen Replik betont Beckedahl, dass Überwachung sowohl von privaten Akteuren wie etwa Facebook ausgehen könne, aber auch vom Staat: „Freiheit ist nur möglich, wenn wir kommunizieren können, ohne Angst zu haben, dass es gegen uns verwendet werden kann.“ Kurz kritisierte den Minister für den „enormen Ausbau der geheimdienstlichen Befugnisse“ in Deutschland. Mit de Maizière als Innenminister sei eine gewisse „Normalisierung der anlasslosen Überwachung“ verbunden.

Dann hangeln sich die drei Panel-Teilnehmer durch aktuelle Themen. Über die Rolle der Geheimdienste und die Zeit nach Snowden sagte de Mazière: „Auf unserem Boden dulden und wollen wir keine Spionage.“ Aber man sei auch auf die Zusammenarbeit mit westlichen Verbündeten angewiesen, zu denen auch die Vereinigten Staaten gehören – gerade im Kampf gegen den Terrorismus. Kurz hat einen Einwand: „Die Rolle, die Deutschland als strategischer Partner von gewissen Geheimdiensten einnimmt, halte ich nach wie vor für kritisch“, sagt sie. Ein Beispiel sei dabei der türkische Geheimdienst. Der Hack des Bundestages oder die Wahlmanipulation in Frankreich und den USA, würden zeigen, wie Geheimdienste auch agierten.

Etwas länger diskutiert wurde der Staatstrojaner. De Maizière verlangte, der Staat müsse prinzipiell auf digitale Unterhaltungen seiner Bürger Zugriff haben: Nur weil es zum Beispiel in einem Messenger eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gebe, könne es nicht sein, dass „automatisch die rechtsstaatlichen Befugnisse des Staates zur Strafverfolgung in diesem Dienst technisch ausgeschlossen sind“. Verbrecher dürften nicht auf den Schutz einer per se abhörsicheren Kommunikation vertrauen können. „Der Staat muss technisch können, was er rechtlich darf“, sagt de Maizière

Der Staat muss technisch können, was er rechtlich darf

Thomas de Maizière, Innenminister

Für Beckedahl entsteht daraus ein grundsätzliches Problem: „Im Namen der Sicherheit schaffen unsere eigenen Sicherheitsbehörden massive Unsicherheit“, argumentiert er, „indem sie auf Schwarzmärkten das Wissen um Sicherheitslücken einkaufen, um unsere Staatstrojaner zu munitionieren.“ Kurz sieht das ähnlich: „Der Staat alimentiert einen Schwarz- und Graumarkt.“ Diesen Weg halte sie nicht nur für falsch, sondern auch für gefährlich. So werde viel Geld in den Markt für Sicherheitslücken gedrückt.

Vorratsdatenspeicherung wurde in der Fragerunde mit dem Publikum zum Thema. Das Bundeskabinett will Wohnungseinbrüche in den Katalog der Delikte aufnehmen, die eine Vorratsdatenspeicherung rechtfertigen. „Sonst wird man gerade die internationale Bandentätigkeit im Wohnungseinbruch nicht aufklären können“, sagt de Maizière.

„Das ist vollkommen unverhältnismäßig“, kritisiert Beckedahl diese Pläne. Würde man die Statistik der Wohnungseinbrüche mit einbeziehen, erklärt er, so hieße das, dass bei der Funkzellenabfrage jeder einzelne Bürger in Deutschland einmal pro Woche im Rahmen einer Untersuchung erfasst würde. „Mit diesen Daten können Sie genau sehen, wer mit wem wann wo war“, sagt Beckedahl. „Und aus diesen Daten kann man feststellen, wo wir morgen hingehen.“

Völlig ausdiskutieren konnten die drei Teilnehmer des Panels ihre Themen nicht. Es bleibt genug Stoff für die nächste re:publica – idealerweise mit einem anderen Debatten-Format.

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