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Tech-Konzerne schreiben Obama: Finger weg von unseren Handys!

von Thorsten Schröder
Amerikas Technologie-Branche sorgt sich um die Daten auf Smartphones und Tablets. In einem Brief ans Weiße Haus fordern Firmen wie Apple und Google, Tech-Experten und Bürgerrechtler US-Präsident Barack Obama auf, Gesetzesänderungen abzulehnen, die den Zugriff von Ermittlungsbehörden auf die Geräte vereinfachen könnten.

„Eine starke und zuverlässige Verschlüsselung ist Grundvoraussetzung für die Sicherheit unserer modernen Informationsgesellschaft“, heißt es in dem Schreiben, das 140 Unterschriften trägt, von Dropbox über Human Rights Watch bis hin zum Netzaktivisten Jacob Appelbaum. Die Autoren fordern von Obama die uneingeschränkte Unterstützung für Verschlüsselungs-Standards und die Zusage, sich gegen Bemühungen zu wehren, kommerzielle Software „in irgendeiner Form zu untergraben oder verwundbar zu machen“. Jegliche Änderungen, die den Zugriff für Behörden erleichterten, würden „großen Schaden in der Infrastruktur bedeuten“.

Tech-Community und Behörden ringen um die Frage, wo die Grenzen bei der Überwachung gezogen werden sollen.

Der Zeitpunkt des offenen Briefes ist nicht zufällig gewählt. In den vergangenen Monaten haben US-Geheimdienste immer wieder vor einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit gewarnt, weil der Zugang zu Daten auf technischen Geräten für die Ermittler zunehmend schwerer werde. Denn Firmen wie Apple und Google hatten nach dem Bekanntwerden der massenhaften Datenspionage die Verschlüsselung ihrer Nutzerdaten verstärkt. Die Behörden haben so oft auch mit einer richterlichen Genehmigung, aber ohne Zustimmung des Nutzers und ohne den entsprechenden Code keinen Zugriff mehr. Vom FBI hieß es als Reaktion auf den Schritt beispielsweise, man verstehe nicht, wie die Firmen so offen eine Technologie bewerben könnten, die Leuten die Möglichkeit gebe, sich dem Gesetz zu entziehen.

Seitdem ringen Vertreter der Tech-Community und die Strafverfolgungsbehörden um die Frage, wo die Grenzen bei der Überwachung gezogen werden sollen — und inwieweit die Unternehmen die Daten ihrer Nutzer vor einem Zugriff schützen dürfen. „Wir alle legen großen Wert auf Datenschutz und Privatsphäre“, versicherte FBI-Direktor James B. Comey vor wenigen Wochen. „Aber es sollte uns genauso am Herzen liegen, unschuldige Personen zu schützen.“

Zwar unterstütze man die Verschlüsselung von Daten, aber die Behörden müssten auch die Möglichkeit haben, im Zweifel Zugang dazu zu haben. Andernfalls behindere die Verschlüsselungstechnologie Ermittlungen von nationaler Bedeutung, so Comey. Das FBI und andere Sicherheitsbehörden sprechen sich für einen Schlüssel aus, der in mehrere Bestandteile aufgebrochen wird und sich in der Hand mehrerer Behörden befindet. Daten sollen nur dann entschlüsselt werden können, wenn dieser Schlüssel wieder zusammengesetzt wird.

Es ist nur ein kleiner Schritt, bis auch die Briten, die Chinesen oder Nordkorea diese Hintertüren nutzen.

Ronald L. Rivest, Erfinder der RSA-Verschlüsselung

Doch die Branche ist trotz des Kompromissvorschlags skeptisch. Derartige „Hintertüren“, so die Argumentation von Apple und Co., stellten ein zu großes Sicherheitsrisiko dar, weil sie im Zweifel von Hackern und ausländischen Diensten missbraucht werden könnten. Sobald man Ausnahmen für die eigenen Behörden einführe, sei es zudem ein kleiner Schritt, „bis auch die Briten, die Franzosen, die Chinesen und letztlich Nordkorea diese Ausnahmen ausnutzen“, warnte Ronald L. Rivest, einer der Erfinder hinter den Verschlüsselungs-Algorithmen RSA.

Selbst drei Mitglieder der fünfköpfigen Sonderkommission, die Obama nach den Snowden-Enthüllungen ins Leben gerufen hatte, haben den Brief unterzeichnet und sich damit offen gegen FBI-Direktor Comey positioniert. Ein ähnlicher Versuch der Behörden, Telekom-Unternehmen zu zwingen, technische Hintertüren einzurichten, sei schon in den Neunzigerjahren gescheitert, sagte Richard A. Clarke, einer der drei Unterzeichner. „Wenn sie das schon zum Ende des Kalten Krieges nicht durchsetzen konnten, dann werden sie es jetzt erst recht nicht schaffen.“ Damals hatte Präsident Bill Clinton die Forderung unterstützt, Obama gibt sich heute zurückhaltender. Dies sei ein Thema, bei dem es keine einfachen Schwarz-Weiß-Lösungen gebe, sagte er im Februar in einem Interview.

Derzeit ist es wahrscheinlich, dass der Kongress der Aufforderung der 140 Unterzeichner folgt und die Gesetzesänderungen ablehnt. Mitglieder beider Parteien beäugen die Überwachung der Amerikaner egal durch welche Form äußerst skeptisch— auch angesichts des bevorstehenden Wahlkampfs. Technologische Hintertüren seien schon aus technischer Sicht „dumm“, wetterte zum Beispiel Ted Lieu, Demokrat aus Kalifornien. Ausnahmen von Verschlüsselungen, die ausschließlich den Ermittlern Zugang verschafften, seien schlicht nicht möglich.

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