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Mordauftrag per Facebook: In Mexiko wurde ein 14-Jähriger als Killer angeheuert

von Sonja Peteranderl
Soziale Netzwerke als Rekrutierungsplattform: Kriminelle Organisationen wie Mexikos Drogenkartelle werben auf Facebook Kinder und Jugendliche an. In der mexikanischen Grenzstadt Tijuana wurde ein Schüler jetzt zum Auftragsmörder.

Das Verbrechen vereinbarten sie auf Facebook, Details klärte der Auftraggeber mit Ulises A. im Chat: Wen er töten sollte, würde der 14-Jährige am Treffpunkt erfahren, 31.000 mexikanische Pesos, umgerechnet knapp 1700 Euro, sollte er für den Mord erhalten. Am vergangenen Wochenende wurde der Schüler so zum Auftragskiller: Mitten im Zentrum der mexikanischen Grenzstadt Tijuana richtete Ulises A. einen Mann mit mehreren Schüssen hin.

Soziale Netzwerke sind für terroristische Gruppierungen, aber auch für kriminelle Netzwerke eine ideale Plattform, um junge Mitglieder mit wenig Risiko und Aufwand anzuwerben

Ein Taxifahrer hatte den Jungen zum Tatort gefahren, ihn auch mit der Mordwaffe, einer 40mm-Pistole, ausgestattet und ihm das Opfer gezeigt. „Der Junge stieg aus, schoss und rannte zur Avenida Revolución, wo er von Polizisten festgenommen wurde”, sagt der Koordinator der Sonderermittlungseinheit für Organisiertes Verbrechen, Miguel Ángel Guerrero Castro. „Seine Waffe wurde sichergestellt und er ist geständig.”

Soziale Netzwerke wie Facebook sind für terroristische Gruppierungen wie den Islamischen Staat (IS), aber auch für kriminelle Netzwerke wie mexikanische Drogenkartelle eine ideale Plattform, um junge Mitglieder mit wenig Risiko und Aufwand anzuwerben: Auf Facebook sehen Kriminelle, wer für ihre Zwecke geeignet sein könnte, sie kommen mit potentiellen Kandidaten in Kontakt — und können sie auch aus der Distanz und grenzüberschreitend für Einsätze anleiten.

In Mexiko gibt es inzwischen einen Namen für die minderjährigen Auftragsmörder der Kartelle: „niño sicario”, auf Deutsch: Kinderkiller

In Mexikos unübersichtlichem Krieg um Drogen und Macht sind seit 2006 mehr als 100.000 Menschen getötet worden, Täter und Opfer werden immer jünger. Gerade in ärmeren Gebieten sehen Kinder und Jugendliche häufig kaum andere Alternativen, als den Einstieg in den Drogenhandel und das Organisierte Verbrechen. Dazu kommt der Kult um Mexikos Kartelle: Viele Teenager feiern die Macht der Drogenbosse offline wie online. Gerade für chancenlose, vernachlässigte Jugendliche werden die Kriminellen leicht zu Vorbildern. Mehr als 5000 Minderjährige sitzen der mexikanischen Regierung zufolge derzeit im Gefängnis, ein Viertel von ihnen wegen Mord, 35 Prozent wurden nach Überfällen mit Gewaltanwendung oder Entführungen verhaftet.

In Mexiko gibt es inzwischen einen Namen für die minderjährigen Auftragsmörder der Kartelle: „niño sicario”, auf Deutsch: Kinderkiller. Ende 2010 wurde der 14-jährige Édgar Jiménez Lugo alias „El Ponchis” verhaftet, der im Auftrag des Südpazifikkartells mindestens vier Menschen ermordet hatte. Mit elf Jahren hatten ihn Kartellmitglieder entführt, ihn unter Drogen gesetzt und ihm beigebracht, zu foltern und zu töten.

In Grenzstadt Tijuana, in der Ulises A. seinen Mordauftrag ausführte, hatte 2005 ein 15-jähriger Schüler seine Schwägerin und ihre drei kleinen Kinder erstochen — weil er den Kriminellen beweisen wollte, dass er so brutal sein kann wie sie. „Ich will einfach ein Narco sein, um soviel Geld zu haben wie meine Onkel, die dadurch reich geworden sind, und um Narcocorridos (Folklore-Lieder über den Drogenhandel) zu hören”, sagte der Schüler nach seiner Festnahme in einem Interview.

Tausende junge Mexikaner verwandeln sich so in Carne de cañón, Kanonenfutter, die im Drogenkrieg verheizt werden, für ein paar Pesos angeheuert werden, um Drogen zu transportieren und zu verkaufen, kleine Handlangerjobs zu erledigen oder eben als Killer für ein paar Dollars Drecksjobs zu erledigen.

Im Fall von Ulises A. köderte der Auftraggeber den Jungen mit einem vergleichsweise hohen Lohn — 1700 Euro Kopfgeld sind für mexikanische Verhältnisse eine überdurchschnittliche hohe Bezahlung.

Doch die Bezahlung konnte Ulises A. offenbar nicht mehr kassieren, weil er zuvor verhaftet wurde. Das Jugendgericht verhandelt nun seinen Fall. Maximal zehn Jahre Haft könnten ihm drohen, schätzen Anwalte. Weil er so jung und geständig ist, könnte seine Strafe aber auch viel geringer ausfallen. Der minderjährige Mehrfachmörder „El Ponchis” musste etwa nur drei Jahre in Haft.

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