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Münchner Studenten haben gezeigt, dass der Hyperloop funktioniert

von Michael Förtsch
Mit dem Hyperloop stellte Elon Musk vor vier Jahren das Konzept eines Überschall-Schnellzugs vor, der das Verkehrswesen revolutionieren könnte. Studierende aus München haben nun bei einem Wettbewerb in den USA demonstriert, dass die Idee mehr als nur eine Science-Fiction-Spinnerei ist. WIRED erzählt, wie sie das geschafft haben.

Von der Straße aus ist sie nicht zu übersehen. Wie eine Ölpipeline zieht sich gegenüber des SpaceX-Hauptquartiers in Hawthorne bei Los Angeles eine weiße Rohrkonstruktion dahin. Die durchmisst 1,8 Meter, ist in breite Betonfassungen eingelassen und führt knapp 1,2 Kilometer an der mäßig befahrenen Jack Northrop Avenue entlang.


Sie ist eine Miniaturversion dessen, was der Tesla- und SpaceX-Gründer Elon Musk im Sinn hatte, als er im August 2013 das Design-Dokument für den Hyperloop ins Netz stellte: ein Rohrsystem, in dem ein 98-prozentiges Vakuum herrscht und Züge nahezu widerstandslos mit Schall- oder gar Überschallgeschwindigkeit dahinfegen können. Am letzten Januarwochenende 2017 reisten 27 Teams aus aller Welt nach Hawthorne, um ihre Prototypen für einen solchen Hyperloop-Zug vorzustellen. Auch ein Team von Studierenden der TU München war dabei – und konnte den Preis für die schnellste Kapsel mit nach Hause nehmen.


Elon Musk setzt faszinierende Ideen einfach um. Die Leute schauen hin, wenn er etwas sagt und tut

Johannes Gustmiedel, Systemingenieur bei WARR Hyperloop

Das Münchner Hyperloop-Team sitzt in der Fakultät für Maschinenwesen auf dem Gelände des Forschungszentrums Garching. Mariana Avezum gründete die Gruppe, nachdem sie 2015 auf Facebook von der SpaceX Hyperloop Pod Competition gelesen hatte. „Ich dachte mir einfach: Das klingt nach einer coolen Idee, da will ich mitmachen“, sagt die 27-Jährige. „Eigentlich studiere ich Informatik und baue keine Sachen. Also musste ich erst einige Maschinenbauer finden, die einsteigen wollten.“ Die fand sie bei der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für Raketentechnik und Raumfahrt (WARR), einer Freiwilligengruppe engagierter Studierender.Die WARR gibt es seit 1962. „Sie ist damals für die Raketentechnik gegründet worden“, erklärt der Systemingenieur Johannes Gutsmiedl, der seit Studienbeginn Mitglied ist. „Gerade arbeiten wir an einem großen Raketenprojekt mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.“ In den vergangenen Jahren seien aber auch immer mehr Projektgruppen mit anderem Fokus hinzugekommen. Darunter WARR Hyperloop und Teams, die an Nano-Satelliten, Prototypen für Weltraumaufzüge und Konzepten für interstellare Raumsonden arbeiten. So fand sich eine Truppe mit den verschiedensten Fachgebieten und Nationalitäten zusammen, die zeitweise mehr als 37 Mitglieder zählte.

„Aus Ingenieursicht ist es einfach cool, etwas zu bauen, das es so noch nicht gibt“, sagt Lucas Spreiter, der hinter der Schwebetechnologie des Hyperloop-Pods steht. „Der Hyperloop ist eine spannende Theorie, doch sie in die Praxis zu holen ist nochmal etwas ganz anderes.“ Doch nicht nur die technischen Herausforderungen sind ein Ansporn, sondern auch das Unternehmen SpaceX und die Person Elon Musk, die den Wettbewerb ausrichten. Beide versprechen Aufmerksamkeit für das Team und die TU München: „Elon Musk ist jemand, der faszinierende Ideen aufgreift, an die sich sonst niemand herantraut und sie dann einfach mal umsetzt“, sagt Gutsmiedl. „Nach Tesla und SpaceX schauen die Leute hin, wenn er etwas sagt und tut.“

Die Arbeit von WARR Hyperloop begann im August 2015. Vom Hype um den Röhrenzug war da noch wenig zu spüren. „Wir hatten gerade die ersten Leute zusammen und angefangen, das Design auszuarbeiten“, erzählt Mariana Avezum. „Doch das hatte noch wenig mit dem zu tun, was letztlich gebaut wurde.“ Der erste Entwurf der Münchner Kapsel, der im Januar 2016 auf dem Design-Wettbewerb von SpaceX in Texas vorgestellt wurde, erinnerte noch eher an einen Rennbob. Er sollte zuerst von einem Luftlager und später dann von drehenden Magnetscheiben in der Schwebe gehalten werden. Über die folgenden Monate wurden viele Ideen abgewandelt, revidiert oder komplett verworfen. Manches, weil es zu teuer gewesen wäre. Anderes, weil sich effizientere Möglichkeiten auftaten.


Dass sich andere Gruppen von uns beeinflussen lassen, zeigt, dass wir wohl gute Ideen haben

Mariana Avezum, Teamleiterin von WARR Hyperloop

Professoren der TU hätten regelmäßig Feedback gegeben und das Team mit Ratschlägen aus ihrem Fachgebiet unterstützt, erzählt Avezum. Außerdem präsentierte WARR Hyperloop sein Design und seine Überlegungen ganz offen im Internet, während die meisten Konkurrenten lediglich Skizzen oder aufwändige Renderbilder ihres Pods zeigten. „Wir haben gehört, dass sich manche anderen Gruppen von uns beeinflussen lassen haben“, sagt die Informatikerin. „Aber das ist nicht so schlimm. Das ist das Risiko – und es zeigt auch, dass wir wohl gute Ideen haben.“

Um ihre Vision in einen Prototyp zu übersetzen, werkelten die Studierenden in einer kleinen Bucht im MakerSpace der Gründerinitiative UnternehmerTUM. Die blank geputzte Hightech-Werkstatt liegt auf dem Campus in Garching. Modernste CNC-Fräsen reihen sich an 3D-Drucker, Pulverbeschichter an Biege- und Stickmaschinen. Über mehrere Monate schraubten und schweißten sie hier an der vier Meter langen Kapsel, die an ein Flugzeugtriebwerk denken lässt, das in eine schwarz-graue Hülle aus Carbon geschlungen ist. Darauf Streifen aus farbiger Folie und die Logos von Sponsoren wie Airbus, die das rund 350.000 Euro treue Gerät mitfinanzieren.


Trotz aller Wandlungen, die der Pod im Projektverlauf durchmachte, blieb die Kernidee erhalten: die Konstruktion als zweckmäßige Technologie-Demonstration. Die Kapsel sollte nicht nur unter Wettbewerbsbedingungen funktionieren, sondern auch zeigen, wie das technische Konzept eines Hyperloop-Zuges Wirklichkeit werden könnte: Eben eine Maschine, die zeigt, wie und dass es geht. Eine enge Fahrgastzelle für einen Dummy ist trotzdem vorhanden. „Sich als Mensch reinzusetzen wäre aber keine gute Idee“, sagt Johannes Gutsmiedl. Hineinquetschen könne man sich zwar, aber mangels Druckkammer würde der Passagier die Fahrt durch die Unterdruckröhre leider nicht überleben.

Das wichtigste Stück Technik ist ein wuchtiger Kompressor, der einen Großteil des Pods einnimmt. Er verhindert, dass die Restluft in der Röhre sich vor der Kapsel staut und sie bremst. „Er saugt die Luft ein, komprimiert sie und stößt sie hinter dem Pod wieder aus“, erklärt Gutsmiedl. Dadurch gleite der Hyperloop-Zug im Schwebezustand quasi reibungslos die Strecke entlang. Zwischen 300 bis 350 km/h kann er erreichen, doch anders als etwa der Transrapid mit seinen Elektromagneten setzt WARR Hyperloop auf Räder und eine Kaskade aus starken Permanentmagneten. „Dieses passive Magnetschwebesystem ist stark genug, um alles zu tragen“, erklärt Lucas Spreiter. Alles, was der Pod aus München braucht, ist Geschwindigkeit. Kommt er in Fahrt, hebt er ganz von alleine ab – so zumindest die Theorie.


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Im September 2016 war die Konstruktion des Pod weitgehend abgeschlossen. Zumindest war jedes der 19.000 Einzelteile des 600-Kilogramm-Geräts an seinem Platz und es klapperte nirgends, wo es nicht klappern sollte. Im Dezember begannen die Transportvorbereitungen, um den Prototyp rechtzeitig zum Wettbewerb Ende Januar in die USA zu schaffen. Dann machte sich das Team selbst auf den Weg nach Los Angeles.

„Wir hatten so geplant, dass wir eine Woche früher angekommen sind“, erzählt Spreiter. In einer spartanischen Werkstatt hatten die Münchner so noch Zeit, letzte Software- und Elektronik-Bugs zu beheben, alles zu testen und die Prozeduren für den Wettbewerb zu üben. Die Test- und Teilnahmebedingungen von SpaceX sind gnadenlos: Die Pods werden nach rund 100 Kriterien bewertet. Nur Teams, die alle relevanten Punkte erfüllen, dürfen überhaupt an den Wettbewerbsfahrten teilnehmen – allein aus Sicherheitsgründen. Dazu werden in der vorgelagerten Testing Week etwa Druckgefäße überprüft sowie Elektronik und Verkabelungen gecheckt. Die Steuersoftware der Teilnehmer muss sich vor Experten des Raketenbauers beweisen und der Pod zeigen, dass er in einer kleinen Vakuumkammer noch steuer- und kontrollierbar ist.

Dann kommt der sogenannte Open Air Run. Ein Röhrenprobelauf ohne Vakuum, bei dem der Pod, wie am Wettbewerbswochenende, von einem elektromechanischen Schubgeber – dem Pusher – beschleunigt wird. „Das war das erste Mal, dass alles von Anfang bis Ende funktioniert hat, vom Push über das Anlaufen des Kompressors bis zum Bremsen“, sagt Teamleiterin Avezum. „Nach diesem Run wussten wir: Wir schaffen das.“ Damit war das deutsche Team eine echte Ausnahme, neben WARR qualifizierten sich nur das Team Delft Hyperloop aus den Niederlanden und das MIT-Hyperloop-Team für den sogenannten Vacuum Run – den Ritt durch den nahezu luftleeren Tunnel beim großen Wettkampf.

Doch es gab ein Problem: Die Münchner hatten damit gerechnet, dass der Schubs des Pushers – wie eigentlich von SpaceX angekündigt – weit stärker und der Pod damit schneller wäre. Aus Sicherheitsgründen hatten die Veranstalter die Kraft nach unten reguliert. Doch erst ab 180 Kilometern pro Stunde hebt die Kapsel aus Garching ab, die waren so nicht zu erreichen. „Als wir wussten, dass wir nicht 300 fahren werden, sondern vielleicht nur 100, haben wir gesagt: Na gut, dann nehmen wir die Magneten halt runter“, erzählt Gutsmiedl. „Wir hatten den Pod glücklicherweise schon vorher so ausgelegt, dass wir die ganze Strecke auch ohne Schwebezustand und nur mit Rädern zurücklegen konnten.“


Am 29. Januar fand schließlich die Competition statt. Teilnehmer und Presseleute versammelten sich vor einem großen LED-Schirm, über den Kameraaufnahmen aus dem Inneren der 1,25-Kilometer-Röhre flimmerten. Ein Gabelstapler hob den Pod von WARR Hyperloop auf die Verladerampe und schob ihn durch die Startluke. Die Luft wurde abgesaugt. Dann der Push, der das turbinenförmige Geschoss beschleunigte. Auf dem Schirm war zu sehen, wie die Kapsel die Röhre entlangsurrte, stetig schneller wurde, eine Spitzengeschwindigkeit von 94 km/h erreichte – und als einzige Kapsel die Trasse bis zum Ende durchfuhr. Sogar die Planer von SpaceX hatten nicht damit gerechnet, dass mit dem sachteren Impuls des Pushers mehr als 80 km/h möglich gewesen wären.

„Wir sind mit einigem Selbstbewusstsein in den Wettbewerb gegangen, wir wussten, dass es funktioniert“, sagt Mariana Avezum. „Aber das war schon ein echter Erfolg.“ Ein so großer offenbar, dass die Münchner vollkommen übersehen, dass Elon Musk während der Testfahrt direkt neben ihnen steht und konzentriert den Trip ihres Pods durch die Röhre verfolgt. Erst in einem YouTube-Video sahen sie später, wie nah sie dem Multimilliardär gekommen waren. „Wir waren aber offenbar das einzige Team, bei dem er die Fahrt angeschaut hat“, glaubt Gutsmiedel.


Am Ende holte das Team einen von zwei Hauptpreisen, den für den schnellsten Pod. Die Trophäe in Form eines Querschnitts durch eine Hyperloop-Trasse samt Zug steht mittlerweile gut sichtbar auf zwei zusammengeschobenen Schreibtischen im engen Büro des WARR-Hyperloop-Teams. „Eigentlich freuen wir uns immer noch“, sagt Mariana Avezum. Der Sieg habe viele überhaupt erst darauf aufmerksam gemacht, was da im technischen Hinterhof der bayrischen Landeshauptstadt so entstehe.

Doch auch die Konkurrenz sei nicht zu verachten gewesen. „Bis wir nach Kalifornien geflogen sind, hatten wir kaum einen Überblick, was die anderen so machen“, erklärt Avezum. Besonders beeindruckte die Münchner die Leistung der Technischen Universität Delft, die den Gesamtpreis für das beste Design und die beste Konstruktion erhielt. Die Niederländer hätten „exakt das Gegenteil“ des WARR-Pods gebaut, keine Technologie-Demonstration, sondern das knapp eine Tonne schwere Miniaturmodell eines vollends ausgeformten Triebwagens. „Die hatten Sitze, Interieur, alles“, erinnert sich Gutsmiedl. „Das war schon imposant.“ Bei Projekten wie der SpaceX Hyperloop Pod Competition lerne man mehr als in jeder Vorlesung, sagt der Systemingenieur. „Du musst mit anderen zusammenarbeiten, lernst gemeinsam, Probleme zu lösen. Du brauchst nicht nur Elektroniker und Ingenieure, sondern auch BWLer und Medienleute.“


Es gibt eher zu viele Hyperloop-Startups als zu wenige

Johannes Gutsmiedl

Im Sommer 2017 soll die nächste Etappe des Wettbewerbs starten. Und es wird primär um die Paradedisziplin des Münchner Teams gehen: pure Geschwindigkeit. Trotzdem wird die Siegermannschaft nicht mehr dabei sein. „Es war zwar toll, aber es hat uns auch sehr viel Zeit gekostet“, sagt Gutsmiedl. „Viele müssen weiter studieren, haben Verpflichtungen, ich muss etwa meine Masterarbeit schreiben.“ Deswegen findet sich derzeit ein Nachfolge-Team zusammen, das anstelle der bisherigen Mannschaft antreten wird. „Sie bauen einen ganz neuen Pod. Sie haben schon ein Design und sind gerade dabei, es zu finalisieren“, sagt Avezum.

Doch kommerziell will das WARR-Team noch nicht beim Hype um den futuristischen Schnellzug mitmischen. „Wir werden keinen Hyperloop in Lebensgröße bauen“, sagt Avezum. „Zumindest nicht in absehbarer Zeit.“ Bei einem der schon existierenden Hyperloop-Startups einzusteigen oder selbst eines zu gründen, stehe derzeit nicht zur Diskussion. „Einige unserer Mitbewerber bei der Competition haben das wohl vor“, sagt Gutsmiedl. „Aber insgesamt gibt es wohl eher schon zu viele Hyperloop-Startups als zu wenige. Die Konkurrenz ist zu heftig und die Schlacht um Verträge zu groß.“

Doch dass das Konzept des Hyperloop irgendwann Realität wird, steht für die Studierenden aus München außer Frage. Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit des Transportmittels sehen sie nicht als Hindernis, sondern als Herausforderung. „Dekompression hast du auch auch in Flugzeugen“, gibt Gutsmiedl zu bedenken. „Und die können zudem auch noch abstürzen.“ Ob aber hochtrabende Pläne wie die angekündigten Streckennetze von Hyperloop Transportation Technologies und Hyperloop One verwirklicht werden, darauf möchte man bei WARR keine Wette abschließen. Letztlich zählt für die Münchner, dass der Hyperloop das Zeug zur Revolution hat: „Dass er funktioniert, haben wir ja selbst gezeigt“, sagt Avezum. „Technisch gibt es da wirklich nichts, was nicht machbar wäre. Das funktioniert auf jeden Fall!“


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