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Eine neue App lässt Blinde mit den Augen von anderen sehen

von Marius Münstermann
Die App „Be My Eyes“ bringt Sehende per Video-Chat in Kontakt mit Blinden, damit sie diese im Alltag unterstützen können. Ein Punktesystem soll dabei vor Missbrauch schützen.

Ein Supermarktregal mit hunderten Konservendosen, die sich fast identisch anfühlen: Für Blinde kann es unter Umständen schwierig sein, darunter die richtige zu finden. Doch für solche Situationen gibt es jetzt ein neues Hilfsmittel: Mit der App Be my Eyes können Sehende blinden Menschen per Video-Chat ihr Augenlicht leihen.

Die blinde Person richtet ihre Handy-Kamera auf das, was die sehende Person für sie identifizieren soll.

Das Prinzip ist einfach: Blinde Nutzer können mit einem Knopfdruck Hilfe anfordern — etwa, wenn sie zwei Konservendosen nicht unterscheiden können oder unsicher sind, ob das Verfallsdatum der Milch in ihrem Kühlschrank überschritten ist. Registrierte Nutzer, die sehen können, erhalten eine Push-Nachricht auf ihr Handy. Wer die Anfrage annimmt, wird per Video-Chat direkt mit der blinden Person verbunden. Diese richtet dann die Kamera ihres Handys auf den gewünschten Gegenstand, sodass der Helfer über das Display die richtige Dose auswählen, das Verfallsdatum auf dem Milchkarton ablesen oder anderweitig aushelfen kann.

Die Idee stammt von Hans Jørgen Wiberg aus Kopenhagen, der selbst eine Sehbehinderung hat und langfristig sogar komplett erblinden könnte. „Für Menschen mit Sehbeeinträchtigung können die kleinen Aufgaben im Alltag oft zu großen Herausforderungen werden“, sagt er.

Viele von ihnen würden schon seit Längerem Video-Chats nutzen, um ihre Freunde um Hilfe zu bitten, berichtet Widberg. Das könne jedoch schnell als lästige Pflicht empfunden werden. Deswegen kam ihm die Idee für die App: „Wenn du als potentieller Helfer keine Zeit hast, reagierst du einfach nicht auf die Anfrage und jemand anderes wird einspringen. Und als blinder Nutzer kannst du sicher sein, dass die Person am anderen Ende der Leitung absolut willens ist, dir zu helfen.“

2012 begann Wiberg, seine Idee zu verwirklichen. Finanziert wurde die App mittels Crowdfunding, die Umsetzung erfolgte dann in Zusammenarbeit mit den Software-Entwicklern von RoboCat.

Be My Eyes ist eine Non-Profit-Organisation, ihr Service ist bisher kostenlos. Wie es nach der Vorfinanzierungsphase, die im September endet, weitergehen soll, steht noch nicht fest. Denkbar seien ein Modell auf Spendenbasis oder eine einmalige Bezahlung für die Nutzung der App, sagt Widberg. 

Die freiwilligen Helfer bekommen für jede Interaktion Punkte.

Die freiwilligen Helfer bekommen für jede Interaktion Punkte, die allerdings nicht gegen Belohnungen eingetauscht werden können. Das Punktesystem soll eher dazu dienen, Missbrauch zu verhindern, indem besonders zuverlässige und hilfsbereite Personen hervorgehoben werden. Zusätzlich können beide Seiten nach dem Gespräch eine Wertung abgeben. Nutzer, über die mehrfach Beschwerden eingehen, werden gesperrt. Außerdem ist die Anruffunktion der App nur zwischen 7 bis 22 Uhr freigeschaltet, um Störungen mitten in der Nacht auszuschließen.

Bisher ist die App in 29 Sprachen verfügbar, für weitere Übersetzungen werden Freiwillige gesucht. Be My Eyes funktioniert jedoch bislang nur auf Apple-Geräten ab iOS 7, eine Version für Android soll aber bald verfügbar sein. Interessierte können sich benachrichtigen lassen, sobald sie erscheint. 

Innerhalb einer Woche nach der Veröffentlichung der App haben sich laut Angaben der Entwickler  knapp 3600 blinde und über 50.000 sehende Nutzer registriert, die schon mehr als 8000 Mal zueinander gefunden haben. 

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