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Könnten selbstfahrende Trucks die Menschen in Aleppo versorgen?

von GQ
Es fehlt an Essen und Medikamenten, die humanitäre Lage in Aleppo ist dramatisch, doch für Helfer ist es zu gefährlich, die eingeschlossenen Menschen zu versorgen. Könnte ein selbstfahrender Truck helfen? Ein Gespräch mit Bernhard Kowatsch, der in München für die Vereinten Nationen den Innovation Accelerator des World Food Programme (WFP) leitet.

Um 80 Millionen Menschen im Jahr zu helfen, braucht es einiges. 5000 Lastwagen setzt das World Food Programme (WFP) ein, 70 Flugzeuge und 50 Frachter. Das WFP arbeitet mit lokalen Supermärkten zusammen, manchmal muss es nach einer Katastrophe so schnell gehen, dass ein ganzes Netzwerk an Helfern in wenigen Stunden aktiviert werden muss.

Konflikte wie der in Syrien sind besonders schweres Terrain, denn die Gewalt und das Chaos sind so groß, dass menschliche Helfer im Grunde nicht mehr zu denen durchkommen, die ihre Hilfe brauchen. Das WFP sucht deshalb nach neuen Lösungen, das Credo lautet: Innovationen sind der Schlüssel. WIRED hat mit Bernhard Kowatsch über die nächsten Schritte gesprochen. Er schaut mit uns als Leiter des Münchner Innovation Accelerators des WFP in die Zukunft der Katastrophenhilfe.

WIRED: Herr Kowatsch, seit Wochen können die internationalen Hilfsorganisationen die Bewohner von Aleppo nicht mehr mit Hilfsmitteln versorgen, weil es zu gefährlich ist. Brauchen Sie Hilfe von Technologie-Firmen?
Bernhard Kowatsch: Es gibt auf der Welt mehrere Gebiete, in denen wir dringend technologische Unterstützung brauchen. Entweder weil Konfliktparteien humanitären Helfern den Zugang erschweren – wir können dann nicht mehr die Sicherheit unserer Mitarbeiter garantieren. In anderen Fällen brauchen wir Hilfe, weil wir aufgrund von Naturkatastrophen die Notleidenden nur schwer erreichen.

WIRED: Woran denken Sie – selbstfahrende Laster?
Kowatsch: Eine Idee. Wir würden gern mit Technologiepartnern zusammen herausfinden, was am besten funktioniert: Ist es ein autonom fahrender Laster? Ist es ein ferngesteuerter Truck oder ein UAV (Unmanned Aerial Vehicle, also eine Drohne, Anm. d. Red.), die Notrationen ausliefert?

WIRED: Sie suchen also Lösungen, bei denen keine Mitarbeiter in Gefahr gebracht werden?
Kowatsch: Ja, das ist auch ein Grund. Bisher werden autonome Fahrzeuge vor allem für die westliche Welt entwickelt. Die Herausforderungen in Gegenden, die Hilfe brauchen, sind oft andere: Gibt es überhaupt Straßen? Was passiert, wenn man von der Straße runter muss, oder die Straße von Fluten weggespült wurde?

WIRED: Drohnen leisten in vielen Gebieten ja schon Hilfe aus der Luft.
Kowatsch: Richtig. Auch wir wollen testen, inwiefern Drohnen zielgenauer Nahrung und Medikamente ausliefern können als etwa Flugzeuge. Bei Airdrops per Flugzeug oder Helikopter brauchen wir immer eine große Fläche. Die Hilfspakete liegen dann über mehrere hundert Meter verteilt, nachdem sie abgeworfen wurden. Zudem sind solche Airdrops sehr teuer und deshalb immer nur die letzte Option. LKW-Lieferungen sind günstiger. Wir möchten herausfinden, wie die Kosten-Nutzen-Rechnung für Drohnen in solchen Testsituationen aussieht, die für die Zivilbevölkerung unbedenklich sind.

Die meisten Drohnen haben noch nicht die Tragkraft, um ausreichend High-Energy-Riegel für hungernde Kinder zu transportieren

Bernhard Kowatsch

WIRED: Wenn Sie diese Beispiele kennen, warum kommen Sie erst jetzt auf die Idee?
Kowatsch: Bisher haben die meisten Drohnen nicht die entsprechende Reichweite oder Tragkraft, um ausreichend High-Energy-Riegel für hungernde Kinder zu transportieren. Dabei könnten uns Drohnen auch bei Naturkatastrophen helfen. Denken Sie an das Erdbeben in Nepal. Da waren die Straßen kaputt, so dass die humanitäre Gemeinschaft die Lebensmittelrationen im Extremfall mit Hilfe von Eseln in das Katastrophengebiet gebracht hat. Und leider werden wir in Zukunft bedingt durch den Klimawandel vermehrt mit solchen Katastrophen konfrontiert sein. Wir arbeiten aber auch in anderen Bereichen mit technologischen Möglichkeiten, um Hunger beenden zu können.

WIRED: Zum Beispiel?
Kowatsch: Wir unterstützen gerade Innovationsprojekte in Flüchtlingslagern in mehreren Ländern, bei denen in umgebauten Schiffscontainern Pflanzen gezüchtet werden. Auf den Containern sind Solarplatten, die Hydrokulturen im Inneren wachsen sogar effektiver als mit normalem Sonnenlicht. In Algerien soll in den Containern Tierfutter produziert werden, in jordanischen Flüchtlingscamps Gemüse. Wir wollen herausfinden, wie hochtechnologisch diese Container sein müssen.

WIRED: Was meinen Sie damit?
Kowatsch: Wir wollen uns den Fragen der Zukunft stellen, wie zum Beispiel: Ist es besser ein Hightech-Gerät wie den MIT Food Computer irgendwo hinzustellen, bei dem fast alles automatisiert abläuft? Oder ist ein Medium-Tech-Gerät wie der umgebaute Schiffscontainer hilfreicher und sinnvoller, weil der kostengünstiger funktioniert und vielleicht auch noch Arbeitsplätze schafft?

WIRED: Zurück nach Aleppo: Haben sie nicht Sorge, dass Drohnen am Himmel und selbstfahrende Laster in Konfliktgebieten zur Eskalation beitragen könnten? Gerade Drohnen werden ja normalerweise vom Militär eingesetzt.
Kowatsch: Wir achten natürlich in jeder Situation sehr genau auf die lokalen Bedingungen, und dürfen in keinem Fall Menschenleben gefährden – weder das der Familien vor Ort, noch das unserer Mitarbeiter.

WIRED: Wen oder was suchen Sie also genau? Jemanden, der Ihnen hilft einen „autonomen Rosinenbomber“ zu bauen?
Kowatsch: Wir hätten gern Technologiepartner, mit denen wir Prototypen für autonome oder ferngesteuerte Hilfslieferungen via Land oder Luft testen können. Beziehungsweise entwickeln können. Uns ist bewusst, dass wir da viel Arbeit reinstecken müssen. Aber ich denke, die Technologie ist soweit, dass wir die besten Lösungen finden können.

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