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Kinder und Internet: Eine fehlgeleitete Debatte

von Max Biederbeck
Facebook bringt einen Messenger für Kinder und die Eltern streiten sich: Wann ist der beste Zeitpunkt, sein Kind ins Digitale zu lassen? Unser Autor hält das für die falsche Frage.

Mein Gegenüber wird richtig schnell richtig sauer. „Das kannst du doch nicht unterstützen“, sagt er auf einer Feier von Bekannten. „Du hast eben selbst keine Kinder“, teilt er weiter aus. Es geht um Erziehung mit Computern – und darum, dass ich sie schon bei den ganz Kleinen für nötig halte. Sein eigenes Kind, so erzählt mein Streithahn weiter, sei in der Grundschule. Und schon jetzt müsse es einmal in der Woche in einem „Digi-Kurs“ online gehen. Die Kinder lernen dabei in einer Art Spielstunde ihre ersten Schritte im Netz. „Mein Sohn soll erstmal richtig mit den anderen spielen“, sagt mein Party-Vater, „und nicht gleich den Kontakt mit der Realität verlieren.“

Eltern weltweit streiten gerade über diese richtige Zeit, um ihr Kind ins Digitale zu lassen. Aufhänger der Debatte ist ein neuer Messenger von Facebook speziell für Kinder. Die einen finden die Idee nach all den Meldungen über verstörende Angebote für Kinder gut: Eine sichere Umgebung, in der ihre Kleinen möglichst früh an das Online-Leben herangeführt werden. Die anderen, ich zähle meinen Party-Vater dazu, fürchten sich vor dem womöglich gestörten, weil digital aufwachsenden Kind. Sie wollen, dass ihr Nachwuchs möglichst lange vom Social-Media-Wahnsinn verschont bleibt.

Beide Seiten reden meiner Meinung nach am wahren Kern des Problems vorbei.

Der Party-Vater liegt falsch, wenn er den Online-Unterricht aus dem Kindergarten verteufelt. Eine kontrollierte Stunde in der Woche? Das ist nicht das berüchtigte „Parken der Kinder vor einem Bildschirm“ – das ist gezielt eingesetzte Aufklärung. Und die brauchen Pädagogen und Digital Natives, um in einer unüberschaubaren Welt mündig leben zu können. Ist die Grundschule dafür zu früh? Darüber lässt sich sicher streiten. Ich finde es gut, wenn bei diesem Thema endlich Bewegung reinkommt. Deutschland tut sich schwer damit, Kindern den sinnvollen Umgang mit digitalen Inhalten nahezubringen.

Ganz egal, ob früh oder spät, müssen Erzieher, Eltern und Lehrerinnen sich im Klaren darüber sein, was sie ihren Kindern da zeigen. Es darf nicht nur darum gehen, möglichst schnell online zu gehen. Es geht auch um die Software und Angebote, die hinter dem Digitalen stecken. Egal wie sicher und einfach es scheint: Wer sein Kind schon so früh Zugang zu einem „Facebook Messenger“ verschafft, der schickt es in die Abhängigkeit eines der größten Unternehmen der Welt. Dazu eines mit zweifelhaftem Ruf, was den Handel mit Daten und den Einsatz von Werbung angeht.

Sie assimilieren eine junge Identität in ein wirtschaftliches System, ohne dass sie begreifen kann, was das überhaupt bedeutet. Das kann nicht der Weg sein – egal ob mit vier Jahren, mit sechs, oder erst in der weiterführenden Schule.

Es sind solche Angebote, über die sich der Vater aufregen sollte, und nicht über eine zu frühe Konfrontation mit Technologie. Wir müssen uns fragen: Was sind die Alternativen zu all den Bildungsprogrammen von Unternehmen wie Facebook und Google? Lassen sich Schulen und Familien da zu viel Arbeit abnehmen? Selbst die digitale Bildungsoffensive der Bundesregierung wird immerhin stark von Google unterstützt.

Es gäbe doch Alternativen! Ich kann mich erinnern, welches mein erstes Soziales Netzwerk war. Ein lokales Angebot in meiner Heimat, gut überschaubar und damit ungefährlicher. Weit weg von Datensammlern und verwirrenden Geschäftsbedingungen. Warum also nicht von klein nach Groß? Lokale Netzwerke in Grundschulen, vielleicht sogar Kindergärten, und dann irgendwann der Schritt in die große Welt der Sozialen Netzwerke? Wenn die Institutionen solch kontrollierte Hubs sicher und attraktiv für die Kinder anbieten und sie auch aktiv hinführen könnten: Warum sollten Eltern wie die von der Party dann noch solche Angst vor den frühen Umgang ihrer Kinder mit Technologien haben?

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