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Digital ist besser / Warum Johnny Haeusler nicht mehr über Hochkantfilmer lacht

von Johnny Haeusler
Zu den Sätzen, die ich in mein Tagebuch der gelernten Digitalweisheiten schreiben sollte (würde ich ein solches führen), gehört dieser: „Beurteile nie eine neue Technologie oder einen neuen Dienst innerhalb des ersten Jahres ihrer Existenz.“

2007 fand ich Twitter albern und glaubte nicht, dass ich den Dienst brauchen und er sich durchsetzen würde. Heute würde ich mich ohne jedes Zögern für Twitter entscheiden, wenn ich nur noch ein einziges Social Network nutzen dürfte. Ähnlich geht es mir bei Hardware: Vor nicht allzu langer Zeit ärgerte ich mich noch über die mir unhandlich erscheinenden, größeren iPhones. Heute schätze ich den Bildschirm des 6ers so sehr, dass ich mit dem Gedanken spiele, das iPad auszurangieren und aufs 6 Plus umzusteigen. Und dass ich zur Zeit überhaupt keinen Sinn darin sehe, eine AppleWatch zu bestellen — das kann n einem halben Jahr auch ganz anders aussehen.

Nur eine dieser „Kaffeemaschinen“, die man nur mit wahnwitzig überteuerten, in Aluminium verpackten Espresso-Portiönchen benutzen kann, die werde ich mir niemals zulegen. Es gibt nur wenige andere Apparaturen unserer durchaus von ausreichend Irrsinn geprägten Zeit, die die Arroganz der Überflussgesellschaft so unversteckt symbolisieren wie diese. Und seitdem sich die Hersteller der ausnahmslos stillosen Geräte auch noch damit brüsten, durch Recyclingprogramme ein Problem zu lösen, dass es ohne sie gar nicht gäbe, ist endgültig Feierabend. Aber ich schweife ab.

Das hindert mich natürlich nicht daran, gerne und früh meinen Senf zu allen Neuerungen dazuzugeben.

Die grundsätzliche Erkenntnis, dass sich der Sinn oder Nutzen einiger Dinge erst mit der Zeit ergibt, hindert mich natürlich nicht daran, gerne und früh meinen Senf zu allen Neuerungen dazuzugeben und sie zu kritisieren.

Und so gehöre ich seit einigen Jahren auch zu denen, die über Hochkantfilmer lästern. Ihr wisst schon: Menschen, die Videos mit ihren Smartphones machen, diese dabei aber nicht im Film- und TV-üblichen Querformat halten. Doch die ganze Zeit über ahnte ein abgelegener Bereich des für „Technologie und Gesellschaft“ zuständigen Teils meines Gehirns: Das Hochformat erscheint uns nur aufgrund unserer bisherigen Sehgewohnheiten falsch, denn noch betrachten wir Videos meistens auf querformatigen Bildschirmen, auf Fernsehern und Desktop-Monitoren. Sobald wir aber einen Clip auf dem Smartphone anschauen, ist ein Hochformat völlig in Ordnung. Wir halten die Geräte schließlich in der Regel vertikal in der Hand. Und was filmen wir in vielen Fällen? Menschen, deren Gesichter und Körper in der Regel auch eher ein Hochkantformat haben. Passt also.

Hoch ist das neue Quer.

Den finalen Durchbruch für das Hochformat bringen gerade neue Smartphone-Streaming-Apps wie Meerkat oder Periscope, bei denen sich auch niemand über ein vermeintlich „falsches“ Filmformat ereifert. Auch die News- und Story-Kanäle von Snapchat lassen keinen Zweifel daran: Hoch ist das neue Quer.

Und was kommt als nächstes? Filmformate sind bisher immer breiter geworden, von 4:3 zu 16:9 und so weiter. Mit dem Hochformat tauschen diese Zahlen ihre Positionen. Und demnächst werden wir — zumindest zusätzlich — beim Quadrat , aloso bei 1:1 angelangt sein, wenn News-Kanäle auch auf der AppleWatch stattfinden wollen.

Als hätten es Vine und Instagram vorhergesehen.

In der letzten Folge von „Digital ist besser“ freute sich Johnny Haeusler über Silver Surfer und ihre „Glastelefone“. 

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