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Das müsst ihr zu den neuen iPhones wissen

von Karsten Lemm
Mit einer Hommage an den verstorbenen Übervater Steve Jobs hat Apple am Dienstag das zehnjährige iPhone-Jubiläum gefeiert. Gleich drei frische Modelle präsentierten die Kalifornier in ihrer futuristischen neuen Firmenzentrale – darunter das Luxus-Handy iPhone X, das mehr als 1000 Euro kosten wird. Dafür gibt es ein randloses Display, Gesichtserkennung und Aufladen ohne Einstöpseln. Reicht das, um die Android-Konkurrenz abzuwehren?

Er ist wieder da. Für ein paar Sätze nur, die durch das abgedunkelte Auditorium schweben. Es ist die Stimme von Steve Jobs, dem 2011 verstorbenen Apple-Mitgründer, dem Übervater, Retter und langjährigen Chef des Konzerns. Eine Aufnahme aus der Vergangenheit begrüßt an diesem Dienstag die Gäste in der neuen Firmenzentrale in Cupertino, etwa 70 Kilometer südlich von San Francisco. Jobs spricht von einer tiefen Bindung, die zwischen Ingenieuren und Kunden entstehe, wenn es den Technikern gelinge, „etwas Wundervolles zu schaffen“, und das Licht geht an, nachdem die Stimme aus dem Off gemahnt hat: „Wir müssen uns selber treu bleiben und immer daran denken, was uns wirklich wichtig ist. Auf diese Weise bleibt Apple Apple.“


Tim Cook betritt die Bühne, seine Stimme bricht, als er sagt: „Es schien angemessen, dass Steve dieses Auditorium eröffnen sollte.“ Steve Jobs Theater haben sie den Saal genannt, ein großzügig bemessenes Halbrund mit viel Holz und Klappsitzen mit Stoffbezug. Elegant, ohne dick aufzutragen. Ganz, wie Jobs es mochte. „Wir haben dieses Theater Steve gewidmet, weil wir ihn geliebt haben“, sagt Cook – „und weil er Tage wie diesen geliebt hat.“

Cook blickt in vollbesetze Ränge: Hunderte von Journalisten und Analysten sind angereist, um darüber zu berichten, was Apple vorführen will. Ein Ritual, seit Jahren schon, immer im Herbst, wenn die neueste iPhone-Kollektion vorgestellt wird. Indes: Überraschen kann vieles von dem, was anschließend kommt, dieses Mal nicht, denn ein Großteil war vorher schon bekannt. Etwa, dass das Apple-TV künftig eine bessere Bildqualität bieten würde, dank 4K-Unterstützung; dass es mit der Apple Watch 3 möglich sein wird, auch direkt Telefonate zu führen und ins Internet zu gehen; und vor allem, dass es gleich drei neue iPhone-Varianten geben wird: das iPhone 8 und 8 Plus als Nachfolger des iPhone 7 und 7 Plus, dazu aber noch das iPhone X als Jubiläumsmodell im Jahr zehn nach dem ersten iPhone.

Manches davon ließ sich erraten, der Großteil war durch ein Datenleck an die Öffentlichkeit geraten: Mehrere Websites hatten über das vergangene Wochenende eine finale Version der jüngsten Mobilsoftware-Version, iOS 11, erhalten – und darin fanden sich Hinweise auf viele der Neuheiten. Auch auf die Art und Weise, mit der iPhone-X-Besitzer künftig ihr Smartphone entsperren können – per Gesichtserkennung.

Ein fester Blick in die Augen, das war Steve Jobs’ bewährte Art, Gegner einzuschüchtern. Auf ähnliche Weise will Apple nun gegen die Konkurrenz aus dem Android-Lager punkten: Das iPhone X mustert die Person, die es vor sich hat, mit Hilfe der Frontkamera und anderen Sensoren, um dann blitzschnell zu entscheiden, ob es den Bildschirm freigibt und Zugang zu dem Gerät gewährt. Gesichtserkennung (face recognition) ist eines der wichtigsten Merkmale des neuen Topmodells, das die Kalifornier am Dienstagabend deutscher Zeit vorstellten.

Die Funktion hat viel zu tun mit der Design-Entscheidung, die Vorderseite des iPhone X nahezu vollständig mit einem OLED-Display zu bedecken, das intensivere Farben verspricht als die bisherigen LCD-Displays. An den Kanten leicht abgerundet, streckt sich der Bildschirm über die gesamte Vorderseite des Geräts. Nur oben, wo beim Telefonieren das Ohr anliegt, wird das Display im Bogen um den Lautsprecher herumgeführt. Der Home-Button aber, der seit dem Ur-iPhone seinen festen Platz in Reichweite des Daumens hatte, ist verschwunden. Der Ein- und Ausschalter liegt nun an der Seite, ähnlich wie bei vielen Android-Handys.

Das erlaubt kein Aufschließen mehr per Fingerabdruck, also musste eine Alternative her. „Gesichtserkennung ist nicht neu“, sagt Ian Fogg, Mobilfunkexperte beim Marktforscher IHS Markit in London. Android-Nutzer können auf eine ganze Reihe von Apps zurückgreifen, um per Blick in die Kamera ihr Smartphone zu entsperren, und beim Samsung Galaxy S8 gehört die Funktion sogar zum Betriebssystem.

Allerdings leide die Technologie bisher noch darunter, weniger zuverlässig zu sein als Pin-Eingabe oder Fingerabdruck-Scan, erklärt Fogg. Wirklich nützlich werde Gesichtserkennung erst, wenn sie „sicher, schnell und zuverlässig ist – in ganz unterschiedlichen Situationen“. In der Bar, bei schlechtem Licht, muss das iPhone seine Besitzer genauso gut identifizieren können wie bei Regen, in der prallen Sonne oder aus unterschiedlichen Abständen und Blickwinkeln. „Sollte Apple das hinbekommen“, sagt Fogg, „wäre es ein enormer Schritt voran.“

Zehn Jahre nach dem Debüt des ersten iPhones könnte Apple ein paar neue Tricks, die alle Welt staunen lassen, gut gebrauchen. Denn vom Ruf des Pioniers, der allen anderen den Weg weist, ist wenig geblieben. Stattdessen kommt immer wieder der Vorwurf auf, Apple fehle es an dem Mut und Einfallsreichtum, wirklich Neues zu versuchen. Auch die Verkaufszahlen, die jahrelang einen Rekord nach dem anderen brachen, sind plötzlich rückläufig: 2016 setzte Apple rund 212 Millionen iPhones ab – immer noch eine enorme Menge, aber erstmals weniger als im Jahr davor (siehe Grafik).

Entsprechend viel Mühe gab Cook sich am Dienstagabend, alle Zweifel am Erfindergeist seiner Entwickler zu zerstreuen. „Über die vergangenen zehn Jahre hinweg sind wir immer weiter vorangeprescht, Innovation um Innovation um Innovation“, betonte der Apple-Chef, ehe er es seinem Marketingchef Phil Schiller überließ, die Vorzüge der neuen iPhone-Modelle zu preisen. Einen verbesserten Porträtmodus für die Kamera-App etwa und die Möglichkeit, die Geräte künftig drahtlos mit Strom zu betanken, dank induktiver Aufladung. Apple verwendet dazu einen offenen Standard, der bereits weit verbreitet ist und auch von anderen Smartphone-Herstellern unterstützt wird.

Für die Gesichtserkennung – Face ID genannt – setzt Apple einen speziellen Chip ein und will die Technologie so weit perfektioniert haben, dass sie sicherer ist als die Fingerabdruck-Sperre. Die Gefahr, dass das System Unbefugten das iPhone aufschließe liege bei „eins zu einer Million“, versprach Schiller – und sei damit weit geringer als bei der Fingerabdruck-Kontrolle, bei der die Chance für einen möglichen Missbrauch eins zu fünfzigtausend betrage. Selbst mit Bartwuchs, Haarausfall und anderen Gesichtsveränderungen komme die Technologie klar, verkündete Schiller enthusiastisch, um gleich darauf alle zu beruhigen, die sich um Datenschutz sorgen mögen: „Alle Berechnungen werden auf dem iPhone selbst ausgeführt, nichts wird an irgendwelche Server gesendet.“

Gut möglich, dass viele Nutzer dennoch skeptisch sind. „Apple wird bei der Sicherheit sehr vorsicht sein müssen“, sagt Roberta Cozza, Analystin beim Marktforscher Gartner, aber Gesichtserkennung könne sich auch für viele andere Anwendungen als nützlich erweisen – etwa beim Bezahlen oder im Zusammenspiel mit Apps, die am Gesichtsausdruck die Stimmung des Nutzers ablesen könnten. „So ließe sich das Erlebnis noch besser personalisieren“, sagt Cozza.

Zum ersten Mal überspringt Apple mit dem iPhone X auch die Preisgrenze von 1000 Euro. Schon die Grundversion mit gerade mal 64 Gigabyte Speicherplatz, die ab dem 27. Oktober vorbestellt werden kann, kostet 1149 Euro. Für die einzige Alternative mit 256 Gigabyte verlangt Apple 1319 Euro – mehr als für manches Notebook.

Doch viele Apple-Fans dürfte der happige Preis nicht stören, spekuliert Cozza: „Wenn Nutzer genug Gegenwert darin sehen, werden sie auch bereit sein, das Geld dafür auszugeben.“ Besonders, wenn der Aufpreis in einem Zweijahres-Plan mit Handyvertrag versteckt daherkommt. Die unlängst rückläufigen Verkäufe erklärt sie eher damit, dass der Markt in westlichen Ländern gesättigt ist und Wachstum vor allem aus Gegenden komme, in denen sich eine Luxusmarke wie Apple schwerer tut als Android-Anbieter mit billigeren Geräten. „Wir haben bisher keine Abwanderungsbewegungen in Richtung Android gesehen“, sagt die Gartner-Analystin. „Eher im Gegenteil, dass Android-Nutzer zu Apple wechseln.“

Die vielleicht wichtigste Neuerung präsentierte Apple am Dienstag vornehmlich als Spielerei: Mit den neuen Geräten, die große Displays und viel Rechenpower mitbringen, soll Augmented Reality (AR) endlich mehr werden als ein ewiges Versprechen aus der nahen Zukunft. Zwar beließ Apple es dabei, ein fotorealistisches Spiel vorzuführen und Emojis in animierte Animojis zu verwandeln – gern auch in Kombination mit Selfie-Videos. Die Technologie könnte aber auch dazu dienen, Online-Shoppern vor Augen zu führen, ob die Jacke ihnen gut steht oder ob das Sofa besser in Rot oder Blau ins Wohnzimmer passt.

„Apple ist bei Augmented Reality allen anderen um sechs bis zwölf Monate voraus“, urteilt IHS-Analyst Ian Fogg. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Apple 2015 den Münchner AR-Spezialisten Metaio gekauft hat. Auch die Möglichkeit, Hardware und Software genau aufeinander abzustimmen, weil alles aus einer Hand kommt, mache sich bei der anspruchsvollen Technik bezahlt, sagt Fogg. Und der „Wow“-Effekt, der bei erfolgreichen AR-Anwendungen oft entsteht, könnte bei vielen den Hunger nach mehr wecken – zumal Apple beim neuen iOS eine Funktion eingebaut hat, die Videoaufzeichnungen erlaubt. „Wir werden erleben, wie Leute ihre AR-Erlebnisse mitschneiden und damit für Apple Werbung machen“, sagt Fogg voraus. „Viele werden in Versuchung kommen, sich ein Upgrade zu gönnen.“

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Lange badet Apple am Dienstag im eigenen Wohlgefallen, führt wieder und wieder Videos vor, die zeigen sollen, wie großartig die neuen Geräte sind. Bis am Ende Tim Cook noch einmal auf die Bühne tritt und strahlend verkündet: „iPhone X – das ist wirklich die Zukunft. Ich glaube, Steve wäre stolz gewesen.“

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von WIRED Staff