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HELL/YEAH – Die Flut an Messengern bringt uns nicht weiter, oder doch?

von Elisabeth Rank
Spätestens am frühen Freitagnachmittag arten die Diskussionen in der WIRED-Redaktion aus. HELL/YEAH dokumentiert die hitzigste Debatte der Woche.

Hell NO! Hört mir endlich auf mit all den neuen Messengern! Ihr habt weder gute Ideen noch irgend eine Chance auf dem Markt.

Ich hatte große Hoffnungen und schon viel über Threema gelesen. Endlich eine Alternative zu Whatsapp und ein sicherer Ort für meine Daten. Verschlüsselt. Ein vertrauenswürdiger Anbieter. Ich lud also die App herunter, schrieb auch gleich meine Threema ID in mein Twitter-Profil. Jedem, der es hören wollte, teilte ich überschwänglich mit: Die 1,79 Euro für die App lohnen sich. Macht rüber! Aber mein Online-Einfluss leidet offenbar an maßloser Selbstüberschätzung – kaum einer folgte meinem heroischen Aufruf.  Und genau hier liegt das Problem. Es zeigt, wie unsinnig die momentane Flut an Messenger-Angeboten ist.

Denn, die meisten meiner Kontakte blieben (und bleiben) auf Whatsapp. Und das bedeutet vor allem: Ich muss auch dort bleiben. Das Phänomen nennt sich Sozialer Zwang. Es ist auch dafür verantwortlich, dass ich noch immer Facebook benutze, obwohl es wirklich unübersichtlicher, Datensammelnder und jeden Mist veröffentlichender... lassen wir das.

Egal, wie viele Messenger noch auf den Markt kommen werden, dieser Zwang wird bleiben. Ich kann zehn von ihnen herunterladen – und bleibe trotzdem bei Whatsapp. Ich kann ihr Design schöner finden, oder mich bei ihnen sicherer fühlen. Ich bleibe trotzdem bei Whatsapp. Manche, wie z.B. Firechat mit seinem „Ich funktioniere auch ohne Internet“-Gedanken, kann ich sogar für revolutionär halten. Ich bleibe trotzdem bei Whatsapp.

Und weil mich jedes neue Angebot an meine soziale Machtlosigkeit gegenüber dieser widerlichen kleinen grünen Sprechblase auf meinem Smartphone erinnert: Bitte liebe Mobile-Startups! Wenn ihr keine revolutionär neue Idee habt, die einfach jeder braucht, bitte hört auf, ewig neue Messenger zu entwickeln.  Ihr macht euch unglücklich, weil euer Produkt nie erfolgreich sein wird, und ihr sehr sehr bald auf dem Gründer-Friedhof landen werdet. Und mich macht ihr unglücklich, weil die meisten eurer Produkte nervig sind, viele unnötig überhyped und manche traurig gut, aber zu sperrig für die Masse.

Es scheint fast so, als könne nur einen neuen Messenger groß machen, wer Facebook heißt und seine Marktmacht dazu ausnutzt. Auf der einen Seite zwingt das Unternehmen seine User zur Nutzung der Sonder-App, auf der anderen kauft es einfach mögliche Konkurrenz auf. Veränderte Designs und eine leicht abgewandelte Bedienung reichen gegen solche Gegner nicht aus. Die Messenger werden zu digitalen Briefbeschwerern, die ich beim nächsten Update sowieso wieder lösche. Apropos, eine Lösung gebe es da doch: Benutzt endlich Threema! – Max Biederbeck

Hell YEAH! Wenn es hunderte Versuche braucht, um den idealen Messenger auf den Markt zu bringen, dann spiele ich gerne mit.

„Noch ein Messenger, hurra!“ – Ich gebe zu, diesen Satz habe ich noch nicht ein einziges Mal von mir gegeben, auch nicht in Abwandlungen oder im übertragenden Sinne. Wirklich nicht einmal gedacht. Nun könnte man glauben, ich sei hier im ultimativen Abfeierteil dieser Kolumne anscheinend falsch, aber nein – so einfach ist das Ganze ja nicht. Ich probiere nicht mehr jedes soziale Netzwerk aus, das neben Facebook und Twitter aus dem Boden gekrochen kommt, um nach ein paar Monaten völlig vertrocknet zwischen unseren Fingern zu zerbröseln, weil niemand es gegossen, äh, hineininvestiert hat.

Aber ich versuche mich dennoch regelmäßig an neuen privaten Messengern. Warum? Weil’s doch endlich mal einer schaffen muss. Die wirklich wichtigen Parameter im Messenger-Geschäft, die den geschätzten Usern eine positive (Achtung, Werbersprech!) Produkterfahrung bescheren, liegen ja auf der sich einen Wolf tippenden Hand: Keiner soll mithören, keiner soll was speichern, es soll hübsch aussehen, aber nicht nach einem Kunstwerk ohne Knöpfe, das ich mich nicht traue anzufassen.

Vor allem aber sollen doch bitte am Ende alle meine Freunde auch Bock drauf haben. Das reicht mir schon, der Rest der Welt ist mir egal, ich will mit Private- Messengern keine neuen Leute kennenlernen, ich will da nichts entdecken, mich nicht inspirieren lassen, ich möchte nichts kaufen, ich möchte vor allem meine Ruhe. Naja, und vor allem möchte ich die Menschen, mit denen ich kommunizieren möchte, digital um mich haben, wenn es analog nicht möglich ist.

Sonst will ich doch gar nichts und ja, ich würde sogar dafür bezahlen, nichts anderes zu bekommen. Es gibt kaum etwas deprimierenderes im Leben eines Messenger-App-Nutzers, als sich irgendwo anzumelden, wo noch keiner ist. Aber irgendeiner muss ja den Anfang machen, irgendeiner muss der Doofie sein, der ein klägliches „Hallo“ hineinruft und keine Antwort bekommt, irgendeiner muss das aushalten. Und ich opfere mich heroisch, um meine Freunde mit warmen Armen zu empfangen, ich bin schon da, damit sie sich nicht alleine fühlen und dem Dienst eine Chance geben.

Dafür werfe ich auch meine Genervtheit ob des 177. Mobile-App-Startups von Bord, nur um endlich einen Ort zu finden, der angenehmer ist als Whatsapp und niemanden ausschließt wie iMessage. Einen digitalen Ort in meinem Telefon, an dem ich wärmstens von meinen Lieben unterhalten werde, während ich am kalten Po der Welt stundenlang auf den Bus warte. Einen Ort, an dem ich morgens laut auflache, weil in meiner Beste-Freunde-Gruppe schriftlich Plan Nr. 23 zur vernünftigen Übernahme der Weltherrschaft geschmiedet wurde, während ich wie ein Steinchen geschlafen habe.

Einen Messenger, der unsere Kommunikationsmuster versteht, die sich vor allem aus Smiley-Kryptographie und Adhoc-Lebenshilfe zusammensetzen. Einen Messenger, der Schrift-, Bild- sowie Tonaufnahmenweitergabe ohne Mucken beherrscht, sich dabei auch noch geschmeidig in mein Blickfeld einfügt und mir Augenkrebs erspart, der nicht plärrt sondern respektvoll klopft und am Ende doch bitte auch nur Updates macht, die wir uns wirklich wünschen. Ein Messenger, der uns fragt, was wir wollen, aber auch das ohne Ranschmeißerei. Liebe Entwickler, ich bin euer Vorkoster. Haut raus, was ihr könnt, ich steh hier schon und warte. So schwer kann es doch nicht sein. – Elisabeth Rank 

 

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