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Google-Entwickler: „Assistenten ändern das Leben wie einst Smartphones"

von Dominik Schönleben
Google will seinen Sprachassistenten auf möglichst viele Geräte bringen. Doch das reicht dem Unternehmen nicht. Der Vice President Engineering Scott Huffman sagt im WIRED-Interview, der digitale Assistent werde eines Tages so wichtig werden wie das Smartphone.

Seit August gibt es den Google Assistenten auf dem hierzulande verfügbaren Lautsprecher Google Home. Künftig soll der Sprachassistent auch für weitere Geräte anderer Hersteller verfügbar gemacht werden. Verantwortlich dafür ist Scott Huffman, Google VP Engineering. Huffman arbeitet seit zwölf Jahren für Google. Erst war er für die Optimierung des Suchalgorithmus verantwortlich, jetzt kümmert er sich um den Sprachassistenten. Im Gespräch mit WIRED verrät er, welche Probleme er bei der Entwicklung bewältigen muss und warum ein Sprachassistent in wenigen Jahren aus seiner Sicht unverzichtbar sein wird.

WIRED: Herr Huffman, seit kurzem ist der Google Assistant für Google Home verfügbar. Was für Erfahrungen haben Sie gemacht?
Scott Huffman: Wir haben festgestellt, dass die meisten Nutzer ihren Speaker für Musik verwenden. Erst danach interessieren sie sich für Funktionen wie den Timer, den Wecker und schließlich auch das Wetter, Sportergebnisse und das Smarthome.

WIRED: Gibt es die eine Funktion, die der Google Assistant noch lernen muss, damit er sich auf dem Massenmarkt durchsetzen kann? 
Huffman: Er muss lernen, sich übergangslos mit den unterschiedlichsten Diensten und Programmen zu verbinden. Und mit übergangslos meine ich, dass ich dabei auch gefahrlos persönliche Daten übertragen kann, sei es meine Identität, meine Adresse oder meine Bankdaten – so wie das heute schon im Netz funktioniert. Wenn das über all meine Geräte hinweg funktioniert, mit so alltäglichen Dingen wie dem Buchen eines Taxis oder dem Bestellen einer Pizza, dann wird es so sein, als hätte jeder von uns eine kleine Person auf seiner Schulter sitzen. Um solche Dinge würde man sich nicht mehr selbst kümmern müssen. Dafür gibt es dann diese kleine Person. Wir machen zwar ganz kleine Schritte bei der Entwicklung des Sprachassistenten, aber das ist das Ziel.

WIRED: Braucht es noch mehr?
Huffman: Wir überlegen momentan, wie der Assistent von einem Gerät auf ein anderes übertragen werden kann. Ich wache morgens auf und stelle Google ein paar Fragen und wenn ich dann ins Auto steige, sollte der Assistent an der Stelle weitermachen können. Die Idee ist, dass der Assistent kein Gerät ist, sondern immer dabei sein soll, egal, was ich nutze. Diese Vorstellung ist schwer zu erläutern, aber ich denke, dass es bahnbrechend sein wird, wenn wir das schaffen.

WIRED: Ist es genau so wichtig, den Kampf um den dominierenden Assistenten zu gewinnen, wie es bei den Smartphone-Betriebssystemen war?
Huffman: Das könnte durchaus sein. Die Systeme haben ein Betriebssystem und der Sprachassistent ist ein Teil davon.

WIRED: Geht der Assistent vielleicht sogar darüber hinaus, weil es egal ist, auf welchem Betriebssystem er läuft?
Huffman: Auch das könnte passieren. Wenn ich an Google Home oder diese neuen Lautsprecher denke, die derzeit verkauft werden – auf eine gewisse Art gibt es kein Betriebssystem mehr, keine Apps, die installiert werden müssen. Sagen wir, man möchte Spotify auf dem Lautsprecher mit dem Google Assistant nutzen, dann muss man es nicht mehr installieren, Spotify ist bereits integriert. Natürlich muss man dem Assistenten vorher Zugriff auf das eigene Spotify-Login geben. Der Assistent wird also quasi zum Betriebssystem dieser Geräte. Wir müssen schauen, wie weit das gehen kann. Es wird aber eine ganze Reihe neuer Geräte geben, die sich auf den Sprachassistenten verlassen werden.

WIRED: Die Künstliche Intelligenz nimmt einem die Entscheidung ab. Das ist zwar praktisch, andererseits gibt das einer Firma wie Google mehr Macht.
Huffman: Das kann man auf unterschiedliche Arten sehen. Fakt ist, dass wir viel Erfahrung mit der Google-Suche haben, damit, auf welche Art Nutzer ihre Fragen stellen und welche Auswirkungen das auf das Ergebnis hat. Ein Nutzer kann „Blumen“ sagen. In diesem Fall findet unser Algorithmus einen Mix aus Online-Händlern, Blumenläden und ähnlichem. Ein anderer Nutzer sagt „Florist“. Das ist bereits etwas spezifischer. Und ein weiterer Nutzer sagt dann „Carries Blumenladen“. Die Nutzer haben gelernt, so spezifisch oder offen zu fragen, wie sie es brauchen. Aber ich stimme zu, bei einem reinen Sprachbefehl ist das schwieriger, weil wir nur ein Ergebnis liefern können. Aber ich denke, dass Nutzer lernen werden, genauer zu fragen. Wir arbeiten daran, mehr Auswahl zu bieten. Der Assistent wird lernen, Gespräche zu führen, damit er versteht, was der Nutzer wirklich will.

Aus irgendeinem Grund sagten viele Menschen Sachen wie „Ruf meinen Liebling an“ oder „Ruf meine Süße an“

WIRED: Wenn man dem Google Assistant Fragen stellt, mit denen er nichts anfangen kann, werden diese Aufnahmen dann dafür verwendet, um die passenden Antworten für die Zukunft zu schreiben?
Huffman: Genau. Ich habe da ein Lieblingsbeispiel: Wir haben eine Betaversion unseres Assistenten veröffentlicht, der sich Android Auto nennt. Und dann haben wir nach Beispielen gesucht, auf die wir keine Antworten hatten. Aus irgendeinem Grund sagten viele Menschen Sachen wie „Ruf meinen Liebling an“ oder „Ruf meine Süße an“, all diese Spitznamen, die Menschen für ihre Lebensgefährten benutzen. Daran hatten wir überhaupt nicht gedacht. Wir können nicht alles vorhersehen, also benutzen wir die Aufnahmen dafür, unser Produkt besser zu machen.

WIRED: Wie werden diese Assistenten die Leben der Menschen verändern?
Huffman: Meine Antwort ist vermutlich sehr optimistisch. Aber ich denke, es wird so ähnlich sein wie die Veränderung, die das Internet und Google generell herbeigeführt haben. Wenn ich eine Frage zu einem bestimmten Thema habe, musste ich in der Zeit vor dem Internet in eine Bibliothek gehen und mir dort die Antwort holen. Jetzt kann ich rüber zu meinem Computer gehen, die Frage einfach dort eingeben und suche mir aus den unterschiedlichsten Quellen meine Antwort heraus. Das ist eine riesige Veränderung gewesen. Ein weiterer Schritt war die Entwicklung von Smartphones. Leute tragen die Geräte mit sich herum und brauchen nicht mal mehr zu ihrem Computer zu gehen. Der von uns entwickelte Assistent hat das Potenzial, ein weiterer dieser wichtigen Schritte zu werden. Künftig müsste der Nutzer nicht mal mehr ein Gerät benutzen, um sich zum Beispiel ein Flugticket zu buchen. Er fragt einfach seinen Assistenten und der erledigt das für ihn. Auch Informationen kann er so bekommen. Der Assistent könnte diese Informationen auf das Smartphone schicken und der Nutzer braucht sie nur noch zu lesen. Oder ich will meinen Freunden Bescheid sagen, dass ich zehn Minuten später zu einem geplanten Treffen komme und gleichzeitig will ich mir ein Taxi rufen. Auch das kann der Assistant für mich erledigen. Was auch immer es sein mag, Nachrichten versenden, Dinge einkaufen, mich weiterbilden: Mein Assistent kann mir dabei helfen. So wie wir uns an das Smartphone als mobilen Assistenten gewöhnt haben, werden wir uns auch an den intelligenten Helfer gewöhnen. Ich glaube, das wird unser Leben um einiges erleichtern – nicht morgen, aber in naher Zukunft.

WIRED: Wie lange, denken sie, wird diese Entwicklung dauern? Weniger als fünf Jahre oder länger?
Huffman: Ich denke, in fünf Jahren werden wir ein ganz großes Stück näher an dem sein, was wir damit erreichen wollen. Wir werden bis dahin nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Heutzutage sind die Assistenten cool, sie können ein paar Sachen machen. Aber wenn ich zu dir nach Hause käme und den Google Assistant mitnehmen würde, würde dein Leben einfach so weitergehen. In fünf Jahren werden wir an einem Punkt sein, dass die Sprachassistenten so fest in unserem Leben verankert sein werden, dass wir uns nicht vorstellen können, ohne diesen Helfer zu leben. So wie es jetzt mit dem Smartphone der Fall ist. Und genau daran arbeite ich. Das will ich erreichen.

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