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Automatische Übersetzungen sind der Hohn: Johnny Haeusler will den Babelfisch statt SEO

von Johnny Haeusler
Wenn irgendwo auf der Welt etwas Furchtbares passiert, suchen wir auf den Social Media Kanälen nach Informationen, Austausch, Halt. Und stoßen dann an Sprachgrenzen. Nicht zu fassen, wie schlecht Übersetzungsprogramme noch immer sind, empört sich unser Kolumnist. Wenn das endlich mal gelöst wäre, wäre das ein Schritt zu echtem Miteinander. Wie nötig!

Wann immer Schreckliches auf der Welt passiert, das uns berührt, dann suchen wir Halt, Trost, Gemeinsamkeit auch in Sozialen Netzwerken. Die Kommunikationsabläufe, zum Beispiel bei Terroranschlägen wie denen der vergangenen Tage in Istanbul, Dhaka und Bagdad, sind meist ähnlich: Erste Meldungen treffen ein. Retweets und Posts von Menschen, die vermutlich vor Ort sind, werden geteilt. Zahlen und mögliche Fakten werden verstreut. Als nächstes kommen Warnungen, dass man genau das nicht tun sollte, schließlich seien viele Inhalte noch nicht bestätigt. Dann kommen die Eilmeldungen der großen Medienhäuser, in denen nichts steht, daraufhin die Beschwerden der Leserinnen und Leser dieser Medien usw. usf.

Wir können manchmal nicht anders. Wir müssen unserer Erschütterung und Angst Luft machen, irgendeine Form von Teilnahme zeigen, und sei es auch nur in 140 Zeichen. Das ist okay (solange wir nicht glauben, die Menschen, die sich in solchen Situationen auch online eher still verhalten, würden kein Mitgefühl empfinden), weil es menschlich ist. Und wir sind nunmal nicht perfekt, wir machen nicht alles „richtig“. Zum Glück.

Neben den menschlichen zeigen sich in Krisen- oder Schockmomenten aber auch technische Imperfektionen. Da arbeiten seit Jahrzehnten Horden von Programmieren mit großen Etats daran, uns für individualisierte Werbung zu tracken. SEO-Experten bemühen sich um Verbesserungen der Suchmaschinen-Platzierungen von Websites. Forscher entwickeln Drohnen, Roboter und Künstliche Intelligenzen. Aber die Zuverlässigkeit einer Informationsquelle kann bisher kein System verlässlich verifizieren. Markierungen, die die wahrscheinliche Vertrauenswürdigkeit von Tweets und Facebook-Posts anzeigen, lassen daher auf sich warten.

Und noch schlimmer: Automatische Übersetzungen sind der blanke Hohn. Wer etwa vor einigen Tagen versuchte, sich Tweets aus der Türkei übersetzen zu lassen, saß meistens vor einem Haufen unverständlichen Unsinns. Manchmal konnte man erahnen, worum es im weitesten Sinne ging, wirklich zuverlässigen Kontext oder perfekt übersetzte Inhalte gab es aber so gut wie nie. Dabei wäre das der wirklich wichtige Fortschritt, den uns die Online-Kommunikation bescheren könnte: die Überwindung von Sprachbarrieren.

Ich halte Übersetzungen, auf die man sich verlassen kann, für eine wirklich wichtige Bedingung, um über den eigenen Tellerrand schauen zu können. Die Welt besteht eben nicht nur aus englisch- geschweige denn deutschsprachigen Menschen – und wenn wir mehr über diese Welt erfahren wollen, brauchen wir dringend das Verständnis anderer Sprachen. Die Sprachen Indiens und Chinas etwa. Und Arabisch. Oder diverse afrikanische Sprachen. Wie großartig wäre es, wenn wir alle Sprachen dieser Welt übersetzen könnten, am besten in Echtzeit, vielleicht sogar per Sprachsynthese? Unsere Kopfhörern könnten zu wirklichen Babelfischen in unseren Ohren werden.

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Es wird daran gearbeitet, ich weiß. Für kurze, einfache Sätze funktioniert das alles auch schon – und eines Tages wird das auch mit komplexeren Aussagen so sein. Hoffentlich.

Denn vielleicht helfen perfekte Übersetzungen der Menschheit so sehr weiter, dass wir immer weniger Schreckensmeldungen ertragen müssen. Vielleicht führt besseres sprachliches Verständnis zu einem besseren Miteinander. Ich wünsche es mir.

Letzte Woche stellte Johnny Haeusler nach der Brexit-Entscheidung fest: Das Leben ist kein Mikrochip. 

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