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Deutsche Forscher simulieren Fluglärm, um ihn zu stoppen

von Cindy Michel
Dröhnende Motoren, breiige Durchsagen, Stimmenwirrwarr: Wenn die Akustik in Flugzeugkabinen schlecht ist, schlägt sich das auf das Wohlgefühl der Passagiere nieder. Deutsche Forscher wollen diese verbessern – und zwar am Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) in Hamburg, im größten Akustiklabor Europas. Im September startet dort eine deutsch-kanadische Kooperation.

Folgendes Szenario: Man sitzt in einem Passagierflugzeug, die Motoren brummen, Turbinen kreischen und der Sitz vibriert. Auf das Dach des Airbus 320 hagelt starker Regen. Eigentlich wäre jetzt der richtige Moment für Panik, doch zum Glück zeigt der Blick aus dem Fenster keine dunkle Gewitterfront mit wild zuckenden Blitzen 12.000 Meter über dem Boden. Sondern Kunstlicht und ein riesiges Lautsprechersystem mit 128 Boxen vor einer grauen Wand aus Isoliermaterial.

Diese und ähnliche Szenen erzeugt das Team des Forschungsbereichs Acoustic & Vibrations am Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) in Hamburg. Denn ihre Aufgabe ist es, die Akustik in Flugzeugkabinen von Passagierflugzeugen zu verbessern. Vor Ort in dem Acoustic Lab eruieren sie, wo und in welcher Intensität Geräusche unter verschiedenen Bedingungen in der Kabine zu hören sind, wie sie übertragen werden und welche das Leben der Passagiere zu einer echten akustischen Turbulenz machen.

Das Acoustic Lab in Hamburg ist „das größte Akustiklabor Europas, das für Versuche im Bereich der zivilen Luftfahrt designed wurde“, sagt Lukas Kirchner, Pressesprecher am ZAL. Und so sieht das aus: Eine 350 Quadratmeter große Halle, deren Decke und Wände vollkommen isoliert sind, kein Ton soll den grauen Schaumstoffkeilen entkommen. In der Mitte thront das „Herzstück“, des Labors: der Acoustic Flight-Lab Demonstrator. 

Dieser besteht aus einer knapp neun Meter langen Rumpfnachbildung eines Airbus 320 und einem knapp zwei Meter hohen Lautsprechersystem. Abgesehen davon, dass dem Flugzeugnachbau Cockpit, Flügel und Heck fehlen, ähnelt die Forschungsplattform einem echten Flugzeug. Auch das Innere kann jederzeit, je nach Testsituation und Bedarf, originalgetreu eingerichtet werden. 20 Passagiere könnten hier Platz finden, Gepäckfächer, ja sogar ein Toilettenachbau könne installiert werden. Wissenschaftler simulieren darin etwa die Schallanregung des Flugzeugrumpfes und messen so die Ausbreitung sowie Weiterleitung.

Und hier kommt das knapp zwei Meter große Beschallungssystem, das in einer 360-Grad-Vorrichtung um den Rumpf rotiert zum Einsatz. 128 einzeln ansteuerbare Lautsprecher sitzen auf der Anlage. „Jeder einzelne Lautsprecher dieser Anordnung wird von jeweils einem Signal und einem Verstärker gesteuert“, erklärt Henning Scheel, einer der beiden Leiter der Akustikkammer und Experte für Raumklang bei Airbus WIRED UK. Jeder einzelne werde von einem Algorithmus kontrolliert, der Fluggeräusche reproduziert. Diese Töne würden dann das Flugzeug beschallen. Damit reproduziere man das Wellenfeld, das im Normalbetrieb auf die Außenhülle treffe, so Scheel weiter.

Der Acoustic Flight-Lab Demonstrator sei weltweit einmalig, schreibt das Forschungszentrum in einer Pressemitteilung. Mit ihm werde durchführbar, was bisher nur im Flug möglich war: neue akustische Kabinenkonzepte auszuprobieren. „Der gewaltige Vorteil des Acoustic Labs ist, dass die Forschungspartner nicht länger einen Testflug machen müssen, um zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen“, erklärt Kirchner. Sowohl umwelt- als auch kostentechnisch sei dies deutlich spürbar: „Über den Daumen gepeilt kann man veranschlagen, dass ein einstündiger Testflug eines Airbus A380 mit mindestens 100.000 Euro Aufwand zu Buche schlägt“, kalkuliert Kirchner. 

Ab September wird es international im Acoustic Lab, denn dann startet ein neues Forschungsprojekt – und zwar eine deutsch-kanadische Kooperation. Ziel des Projekts sei es, neuartiges Isolierungsmaterialen zu erforschen und letztlich auch zu entwickeln, so Kirchner. Gemeinsam mit Experten aus Wissenschaft und Industrie wolle man vor allem herausfinden, wie verschiedene Materialien auf Töne mit niedrigen Frequenzen reagieren.  Jene, die etwa Triebwerke erzeugen. Denn genau die seien spür- wie hörbar für Passagiere. 

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