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Ehemalige Gefangene digitalisieren Syriens Foltergefängnis

von Matt Burgess / WIRED UK
Ehemalige Insassen bezeichnen es als schlimmsten Ort der Welt – das Saydnaya Gefängnis in Syrien. Trotzdem ist nur wenig bekannt über das wahre Ausmaß von Folter und Unterdrückung dort. Das Projekt Forensic Architecture hat in Kooperation mit Amnesty International eine digitale Rekonstruktion des Foltergefängnisses erstellt und gewährt so erstmals einen Blick auf das Grauen.

Todesfälle und plötzliches Verschwinden sind Alltag für die Insassen des berüchtigten Saydnaya Gefängnisses in Syrien. Jene, die diese Form von Justiz am eigenen Leib erfahren mussten, berichten von Brutalität und Prügel durch die Wärter. Zu solchen Vorfällen lässt sich nur wenig öffentliche Dokumentation finden.

Nun haben ehemalige Gefangene dabei geholfen, einen ersten Einblick in das Gefängnis zu geben. Hierfür arbeiteten sie mit Architekten zusammen, um Computermodelle des Gebäudes zu erstellen. Aus der Erinnerung. Neben visuellen Eindrücken wurden dafür auch die Geräusche, die die Insassen vernahmen, einbezogen.

Forensic Architecture (dt. Forensische Architektur), ein Projekt der Londoner Goldsmiths University, hat in Zusammenarbeit mit Amnesty International sowohl die Fassade als auch die Innenräume der Einrichtung rekreiert.

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„Menschen kennen diesen Ort nicht. Es gibt keine Fotos oder andere Formen der Dokumentation dieses Gebäudes, nur die Erinnerungen von Zeugen“, so Eyal Weizman, Leiter des Projekts, gegenüber WIRED. „Zum ersten Mal kann man zumindest einen Bruchteil von dem verstehen, was in Saydnaya passiert ist und wie das Gefängnis betrieben wird.“

Die Organisation rekonstruierte durch die Synchronisierung sogenannter  Ohrzeugenaussagen kontextbezogene Hintergrundgeräusche, um die dortige Umgebung zu imitieren. So sollte den ehemaligen Häftlingen dabei geholfen werden, sich an ihre Erfahrungen zu erinnern.

Audio-Erforscher Lawrence Abu Hamdan nutzte Widerhall, um die Größe der Räumlichkeiten, in denen die Gefangenen festgehalten wurden, zu modellieren. Es ist wohl das erste Mal, dass solch eine Technik zum Einsatz kam.

„Zeugen in Saydnaya haben kaum etwas gesehen, sie mussten ihre Augen mit den Händen zuhalten, wenn die Wärter die Zellen betraten, ihnen wurden Augenbinden angelegt, wenn sie die Räumlichkeiten verließen und zudem gab es dort nur sehr wenig Licht“, erklärt Weizman, „Was sie dadurch allerdings entwickelt haben, ist ein scharfsinniges und detailaffines Empfinden für Geräusche.“

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Neben den Audio-Erinnerungen nutzten die Programmierer die Erfahrungen der ehemaligen Insassen auch dazu, um den Aufbau des Gebäudes zu rekonstruieren. In einem Video beispielsweise beschreibt ein ehemaliger Häftling die Größe der Luke seiner Zelle. Der Mann erzählt, dass sie gerade mal so groß war wie sein Kopf, den er auf Anweisung der Wärter durch die kleine Öffnung stecken musste, um bestraft zu werden.

Mit dieser Technik konnte das Forscherteam einige Zellen des Gefängnisses und Routen modellieren, entlang derer die Gefangenen geführt wurden. Zu sehen sind sowohl Einzel- als auch Sammelzellen.

Zum Forscherteam gehören Architekten, Filmemacher, Designer und Anwälte, die Beweise von Kriegsverbrechen unter anderem für NGOs und United Nations sammeln und sicherstellen.

In einem weiteren Projekt namens The Left-To-Die Boat werden Kartografie, Berichte von Überlebenden, Telefonaufzeichnungen und Auswertungen von Seekarten kombiniert, um zu zeigen, wie Flüchtende, beim Versuch das Meer zu überqueren, treibend zurückgelassen und ignoriert wurden.

Dieser Text ist zuerst auf WIRED UK erschienen.

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