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Duolingo baut an einem französischen Roboter-Brieffreund

von Dominik Schönleben
Spielerisch lernen, wie man den Kaffee auf Spanisch oder Französisch bestellt, gratis Kurse voller künstlicher Intelligenz: Mit diesem Angebot hat Duolingo rund 150 Millionen Nutzer gewonnen. Was als Nächstes kommt, verrät Mitgründer Luis von Ahn im WIRED-Gespräch.

Das Versprechen von Duolingo-Mitgründer Luis von Ahn klingt fast zu gut: Mit seiner App sollen Menschen überall auf der Welt kostenlos eine Fremdsprache lernen können. Motivieren will von Ahn seine Schüler durch Gamification: Nutzer, die eine Lerneinheit abschließen, erhalten Punkte und können ihren Fortschritt mit Freunden vergleichen. Der Wettbewerb, so die Idee, spornt an und motiviert zum Weitermachen.

Mit dem Konzept ist Duolingo zu einem der erfolgreichsten Anbieter von Sprachkursen im Internet geworden. Mittlerweile meldet das 2011 gegründete Startup aus San Francisco mehr als 150 Millionen Nutzer und mehr als sechs Milliarden absolvierte Übungen pro Monat. In Kombination mit Deutsch bietet Duolingo Kurse in Englisch, Französisch und Spanisch an. Das Besondere dabei: Die Kurse stammen nicht von Linguistik-Experten oder Lehrern, sondern von der Software. Die App nutzt künstliche Intelligenz, um zum Beispiel zu bestimmen, ob jemand zuerst Verben oder Plural-Bildung lernen sollte.

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Die Idee für Duolingo kam von Ahn, einem Informatik-Professor an der Carnegie Mellon-Universität, nachdem er erfolgreich zwei Unternehmen an Google verkauft hatte. Er wollte Menschen helfen, Sprachen zu lernen, um ihre Karriere-Chancen zu verbessen. In vielen Ländern, erklärt von Ahn, könne man durch Englisch-Kenntnisse das eigene Gehalt verdoppeln. Der Duolingo-Mitgründer weiß, wie wichtig es ist, mehr als eine Sprache zu sprechen: Er stammt aus Guatemala, wuchs mit Spanisch auf und wäre ohne Englisch wohl nie so erfolgreich geworden. 

Prominente Geldgeber – darunter Ashton Kutcher und Google – haben bisher 85 Millionen Dollar in Duolingo investiert. So kann von Ahn es sich leisten, die App erst einmal gratis anzubieten. Anzeigen als Geschäftsmodell lägen nahe: „Wir haben dazu mal einen Test auf Android-Geräten gemacht und festgestellt, dass wir profitabel werden könnten, indem wir am Ende jeder Übung Werbung schalten“, sagt von Ahn. Weil er aber Werbung schrecklich findet, wäre das für ihn nur eine Notlösung für den Fall, dass alles andere schief geht.

Stattdessen soll Duolingo zu einem führenden Anbieter für Sprachzertifikate werden. Derzeit wird dieser Markt von teuren Tests wie TOEFL oder Cambridge dominiert, die beide weit über 150 Euro kosten. Mit eigenen Zertifikaten, die als Premium-Funktion angeboten werden, könnte Duolingo eine günstige Alternative werden, hofft von Ahn. Den Anfang macht ein Englisch-Test für weniger als 50 Dollar, den eine Handvoll von Unternehmen und Universitäten – darunter Uber, LinkedIn und die Harvard Extension School – akzeptieren.

Im Interview mit WIRED spricht von Ahn darüber, wie sein Algorithmus täglich lernt, ein besserer Lehrer zu sein, und wie Menschen mit Computerhilfe mehr Spaß daran finden sollen, auch in ihrer Freizeit immer weiter zu lernen.

WIRED: Wie habt ihr die beste Lernmethode für Duolingo gefunden?
Luis von Ahn: Am Anfang wussten wir nichts darüber, wie man Sprachen unterrichtet. Dann haben wir ein Lehrbuch entdeckt, von dem wir dachten, es wäre einfach großartig. Es versprach die beste Methode und präsentierte zahlreiche wissenschaftliche Beweise dafür. Wir dachten uns: Wow, jetzt müssen wir das einfach nur noch in eine App gießen.

Bücher über Lernmethoden sind wie Diät-Ratgeber: Sie widersprechen sich

Luis von Ahn, Duolingo CEO

WIRED: Aber so einfach war es dann doch nicht?
Van Ahn: Nein, denn danach fanden wir ein anderes Buch mit einem ähnlichen Titel, aber der Inhalt war völlig anders. Da wurde uns klar, dass es mit solchen Büchern ähnlich ist wie mit Diät-Ratgebern: Sie widersprechen sich. Manche sagen: Du sollst nie Fleisch essen. Andere sagen: Fleisch ist gut. Und wer weiß schon, was richtig ist?

WIRED: Was war eure Lösung?
Von Ahn: Als wir mehrere Millionen Nutzer hatten, machten wir einfach einen Test. Die nächsten 50.000 Menschen, die sich anmeldeten, teilten wir in zwei Gruppen auf. Und dann haben wir gemessen, welche besser lernt.

WIRED: Habt ihr dafür eine künstliche Intelligenz benutzt?
Von Ahn: Zuerst haben wir alles von Hand gemacht. Mittlerweile optimiert sich das System selbst. Wann immer Nutzer beginnen, testet das System neue Parameter, um zu lernen, wie man besser unterrichtet. Wir greifen manchmal ein, aber das meiste macht der Algorithmus selbst. Deshalb braucht Duolingo auch eine Internetverbindung. Alles wird direkt vom Server geladen. Wir berechnen live, welche Lerneinheit drankommt. Nichts ist voreingestellt.

WIRED: Wie sieht der nächste Schritt aus?
Von Ahn: Wir entwickeln gerade einen Chatbot. Er soll Nutzern die Möglichkeit geben, ein echtes Gespräch zu führen – etwas, das Duolingo so bisher nicht kann.

Chatbots sind nur eine Modeerscheinung

Luis von Ahn, Duolingo CEO

WIRED: Chatbots werden also die Zukunft sein?
Von Ahn: Nein. Für die meisten Dinge nicht.

WIRED: Wieso ist das bei eurem Chatbot anders?
Von Ahn: Wir versuchen, den Nutzern beizubringen, ein Gespräch zu führen. In den meisten anderen Fällen wäre ein normales Interface besser, denke ich, weil es einfacher ist, eine grafische Darstellung zu sehen, statt eine Frage zu stellen. Deshalb glaube ich, dass Chatbots nur eine Modeerscheinung sind.

WIRED: Künstliche Intelligenzen, die uns beim lebenslangen Lernen helfen, aber nicht?
Von Ahn: Ich denke, es werden nicht mehr nur Computer entwickelt, die immer  klüger werden – sondern auch Computer, die uns klüger machen. Ich hoffe, dass der Computer besser als jeder Lehrer wird. Auch wenn das noch eine lange Zeit dauern wird.

WIRED: Lernt euer Algorithmus ähnlich wie ein Mensch?
Von Ahn: Nein. Menschen haben Probleme damit, etwas auswendig zu lernen. Algorithmen haben kein Problem damit. Auf der anderen Seite haben Menschen die Fähigkeit, bestimmte Muster zu erkennen, an denen Computer scheitern. Menschen und Computer ergänzen sich recht gut. Die Fehler, die ein Algorithmus dabei macht, wenn er versucht, eine Sprache zu lernen, sind ganz andere als die eines Menschen. Ein typisch menschlicher Fehler ist es, sich nicht an ein Wort zu erinnern. Einem Computer könnte das nicht passieren, er hat ein eingebautes Wörterbuch. Computer bilden dafür Sätze, die einfach keinen Sinn ergeben.

In Hunderten von Jahren werden wir sehr ähnlich zu den alten Griechen leben

Luis von Ahn, Duolingo CEO

WIRED: Wir ergänzen uns also?
Von Ahn: Ja, es ist eine Symbiose.

WIRED: Und wie lange werden Computer von dieser Symbiose noch profitieren?
Von Ahn: Ich denke, Computer werden für immer ein Werkzeug bleiben. Und in Hunderten von Jahren werden wir sehr ähnlich leben wie die alten Griechen. Sie hatten Sklaven – in unserem Fall werden das die Computer sein –, und wir werden unser Leben der Philosophie widmen oder neue verrückte Sportarten erfinden können.

WIRED: Und mehr von Computern lernen?
Von Ahn: Ja, aber mehr für das lebenslange Lernen, nicht weil wir es brauchen. Lernen wird ein Hobby werden, zumindest, wenn wir weit in die Zukunft blicken. Unsere Generation wird das nicht mehr erleben.

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