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Digital ist besser / Gebt der Mailbox eine neue Chance!

von Johnny Haeusler
Im kommenden iOS 10 will Apple Mailbox-Nachrichten in geschriebenen Text übersetzen lassen. Aus der Zeit gefallen finden das manche. Doch unser Kolumnist freut sich.

Es war eine nicht größer beachtete und erstaunlicherweise nur mit eher zurückhaltenden Whoo!-Rufen begleitete Neuerung im Mobil-Betriebssystem iOS, die Apple auf seiner letzten Entwicklerkonferenz vorstellte: Mailbox-Nachrichten bei verpassten Telefonanrufen soll das System in naher Zukunft in Text übersetzen.

Statt des mühseligen Abhörens der meist eher nichtssagenden Aufzeichnung des verpassten Anrufers („Ja, hallo, ich bin’s. Konnte dich nicht erreichen. Dachte mir, ich spreche einfach mal aufs Band (!). Ruf mich doch mal zurück!“) kann dann also der Inhalt des ursprünglich gesprochenen Textes vom Empfänger gelesen werden.

Man könnte diese Funktion für anachronistisch halten. Denn wer benutzt schon noch eine Telefon-Mailbox? Doch selbst wenn man vergisst, dass die Übersetzung von Audio zu Text durchaus nützlich sein kann in Situationen, in denen man eben nicht zuhören kann oder mag, darf die Mailbox-Übersetzung vielleicht als ein erstes Experiment betrachtet werden, das mehr Teilhabe und Komfort verspricht.

Denn so sehr wir uns auch daran gewöhnt haben mögen, das Tippen auf den Mini-Tastaturen unserer Smartphones bleibt ein mäßig spaßiger Akt. Und das Diktieren von Texten, das auf mobilen Betriebssystemen bereits möglich ist, funktioniert zwar erstaunlich gut, ist aber meist nicht besonders flüssig. Es braucht nach ein paar Worten immer etwas Zeit und vor allem eine Online-Verbindung, bis der eingesprochene Text wirklich „übersetzt“ ist.

Sollte es Apple gelungen sein, die benötigte Rechenleistung erstens nicht von der Cloud, sondern von den Geräten der Nutzerinnen und Nutzer erbringen zu lassen (auch hinsichtlich Datenschutzfragen nicht unwichtig), und könnte man die Übersetzung zweitens quasi zeitversetzt auf dem Gerät der Empfängerseite stattfinden lassen – dann wäre ein flüssiges Einsprechen und sofortiges Absenden eines Textes möglich, den der Empfänger oder die Empfängerin wenig später als geschriebene Nachricht sieht.

Gerade für Menschen, die grammatikalisch oder orthografisch weniger stark sind und die daher von einem großen Teil der Online-Kommunikation ausgeschlossen sind (oder wegen ihrer Schreibfehler als „dumm“ angesehen werden), wäre das eine Erleichterung.

Wer Jugendliche bei der Kommunikation via Smartphone beobachtet, weiß, dass ein Großteil der zum Beispiel via WhatsApp geschickten Nachrichten bereits jetzt Sprachnachrichten sind. Zeitversetzte Telefonate sozusagen. Dabei ist jedoch das Einsprechen einer Nachricht der eine, etwas leichtere Part und das Abhören der andere, etwas schwierigere. Denn den Moment fürs Sprechen findet der Sender selbst, der Moment fürs Abhören kann sich durch ungewollt Zuhörende, eine laute Umgebung oder fehlende Kopfhörer aber verzögern, was der meist gewünschten „Sofort-Mentalität“ vieler Nutzerinnen und Nutzer im Wege steht. Das Lesen eines geschriebenen Textes ist eben oft privater (wenn auch nicht persönlicher, weil die Stimme fehlt) und kann sogar im Meeting sofort stattfinden.

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Eine Senderin oder ein Sender kann also in Zukunft eine Nachricht rasch einsprechen und als – in Apples Fall angeblich P2P-verschlüsselte – Audiodatei absenden, auf der Empfängerseite kommt (zusätzlich?) die geschriebene Übersetzung an. Dieser Anwendungsfall mag im Moment kompliziert klingen, ich aber glaube, dass er eine Chance hat.

Und ich wünsche mir für die nahe Zukunft die Fähigkeit solcher Systeme, zwischen verschiedenen Stimmen unterscheiden zu können. Denn das vollautomatische Transkribieren von Audio-Interviews sehne ich mir schon länger herbei.

Letztes Mal bei „Digital ist besser“: Was Johnny Haeusler über Teenies im Netz gelernt hat 

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