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Offline-Internet und Fotos ohne Ende: Das Wichtigste von Googles Entwicklerkonferenz

von Thorsten Schröder
Zum Start seiner Developer-Konferenz I/O hat Google einen Vorgeschmack auf die neueste Android-Version gegeben und einen eigenen Fotodienst gestartet. Das übergeordnete Ziel: Der Konzern will überall da sein, wo wir mit dem Netz in Berührung kommen.

Es lässt sich kaum sagen, wie viele Fotos es sind, die da an die virtuelle Wand hinter Anil Sabharwal geworfen werden. Das riesige Display, auf dem wenige Minuten vor dem Startschuss noch ein Wal seine Runden drehte, zieht sich durch die ganze Halle des Moscone Centers in San Francisco. Wie viele Bilder es sind, spielt ohnehin keine Rolle — denn Google hat für alle Platz.

Google Photos ist eines der bislang intelligentesten Systeme, um Massen von Bildern und Videos zu organisieren.

Seit Wochen spekuliert das Netz, ob der Suchmaschinenkonzern in diesen Tagen seinen eigenen Fotodienst vorstellen würde, der unabhängig vom nur mäßig erfolgreichen sozialen Netzwerk Google+ arbeitet. Zum Auftakt seiner zweitätigen Entwicklerkonferenz Google I/O lieferte das Unternehmen nun ab — und stellte mit Google Photos nicht nur einen Speicherort vor, der unbegrenzten Platz bietet, sondern zugleich noch eines der bislang wohl intelligentesten Systeme, um die Masse an Fotos und Videos auf unseren Smartphones und Tablets zu organisieren.

Das Programm gräbt sich durch die Bilder auf dem Handy oder Rechner und sortiert sie nach Orten, Dingen und Personen — auch, wenn diese auf manchen Bildern 20 und auf anderen 35 Jahre alt sind. Selbst nach dem einen Camping-Trip vor vier Jahren oder dem Schneesturm in Kanada vor einem Jahrzehnt lässt sich so per Stichwort problemlos suchen, ohne dass man sich durch virtuelle Berge an Fotos wischen muss.

 

Die Bilder können mit anderen Nutzern geteilt und eine Auswahl per Link verschickt werden, auch, wenn die Empfänger den Dienst nicht nutzen. Das Programm erstellt eigenhändig Collagen, die es für passend hält, und stellt sie zum Speichern bereit. Was nicht gefällt, wird gelöscht. Fotos mit bis zu 16 Megapixeln und Videos in Full HD sollen bei Google ab sofort gut aufgehoben sein — kostenlos, unbegrenzt und für iOS ebenso wie für Android.

Statt wie Apple Exklusivität zu vermarkten, setzt Google auf Masse.

In seiner über zweistündigen Eröffnungs-Keynote zur I/O machte der Konzern klar: Mit schlichter Suche hat das, was Google tut, schon lange nichts mehr zu tun. Es gibt keinen Bereich mehr, in dem die Firma aus Menlo Park nicht mitmischt. Inzwischen sind es so viele Projekte und Sparten, dass die Google-Manager auf der Bühne am Donnerstag selbst ambitionierte Projekte wie das autonome Auto oder die Internet-Ballons von Project Loon nur kurz anschneiden können, um es durchs Programm zu schaffen.

Im Vordergrund, das betont Google auch an diesem Morgen immer wieder, steht das Ziel, das Internet in die Hände von möglichst vielen — im Idealfall allen — Menschen zu bringen und Technologie zu nutzen, um unseren Alltag nach und nach umzukrempeln. „Wenn Sie es erträumen können, dann können Sie es auch bauen“, fasst David Singleton, Chef der Android Wear-Sparte, die Ambitionen seines Arbeitgebers zusammen. Google verändert die Welt dabei meist in Minischritten. Die hauseigene Plattform für Wearables etwa erkennt künftig auch Emojis, die man selbst malt, kann Apps stromsparend geöffnet und so auf Sicht verfügbar halten oder mit einer kleinen Bewegung des Handgelenks durch Listen scrollen, wenn beide Hände voll sind.

Auch einen Vorgeschmack auf die neueste Android-Version gab der Konzern am 28. Mai: Android M wird den Nutzern mehr Kontrolle darüber geben, welche Daten sie mit welchen Apps wann teilen wollen. Die Authentifizierung per Fingerabdruck wird in alle Anwendungen integriert und ermöglicht so etwa die Bezahlung in Online-Shops per Android Pay, dem Nachfolger von Google Wallet. Ein neuer Energiesparmodus versetzt Apps in den Dämmerzustand und soll die Standby-Laufzeit so laut Google verdoppeln. Häufig genutzte Apps sollen schneller zugänglich sein und USB-C soll zum Standardstecker in allen neuen Geräten werden. Der Chrome-Browser samt aller Funktionen soll in dem Update direkter in Apps von Drittentwicklern eingebunden werden.

YouTube-Videos sollen für 48 Stunden offline verfügbar gemacht werden.

Der smarte Assistent Google Now versteht künftig auch den Kontext des Gesagten und soll so etwa Fragen zu dem Sänger, den man gerade auf Spotify hört, oder der Schauspielerin, die in einem gerade gelesenen Artikel erwähnt wird, beantworten können. Über den Home-Button kann der Assistent weitere Informationen zu einem Film bereitstellen, den ein Freund in einer Email-Einladung erwähnt und automatisch eine Erinnerung erstellen, wenn der Partner per SMS oder Viber-Nachricht darum bittet, Milch mitzubringen.

Die Welt, die Google uns baut, will der Konzern nach und nach auch in die Gegenden der Welt bringen, in denen es an schnellem Internet und den entsprechenden Ressourcen mangelt. So soll etwa Chrome Webseiten in Entwicklungsländern stromlinienförmiger machen, um sie auch mit langsamer Verbindung ohne große Verzögerung zu laden. Android hingegen lädt Sites für das spätere Offline-Lesen aufs Smartphone herunter, sogar YouTube-Videos will Google für 48 Stunden offline verfügbar machen und so den hunderten Millionen Nutzern, die der Konzern in Ländern wie Indien, der Türkei oder Aserbaidschan nachwachsen sieht, den Einstieg erleichtern.

Google positioniert sich mit seiner Mission, für jeden und überall zu sein, diametral zur Philosophie von Apple: Anstatt Exklusivität zu vermarkten, setzt der Konzern aus Menlo Park auf Masse, auf Wahlmöglichkeit statt strenger Vorgaben. Beispiel Cardboard: Im Grunde nicht viel mehr als ein Stück Pappe, mit dem Google aber auf gutem Weg ist, VR-Brillen nicht nur einem exklusiven Kreis von gutbetuchten Tech-Leuten zur Verfügung zu stellen, sondern auch schlecht ausgestatteten Schulen. Der Bausatz wird, ausgestattet mit dem richtigen Smartphone, zur erschwinglichen Oculus-Rift-Alternative.

Navigation funktioniert dann auch dort, wo der eigene Datenplan nicht greift.

Mit Googles neuem Expeditions-Programm sollen Schulklassen per Cardboard und Smartphone etwa auch dann nach China reisen oder durch Museen streifen können, wenn das nötige Budget für solche Ausflüge fehlt. Zusammen mit dem Kamerahersteller GoPro arbeitet Google außerdem an Jump, einem Fotoprojekt, das stereoskope Bilder erstellen kann und vorhandenes Videomaterial fit für den VR-Gebrauch machen soll.

A propos Apple: Den Konkurrenten aus Cupertino greift Google mit Projekt Brillo auch im Smart Home an. Die Plattform ist eine abgespeckte Android-Version und soll das Internet of Things, also die intelligenten Haushaltsgeräte der Zukunft, nahtloser miteinander kommunizieren lassen und leichter zu steuern machen.

Google ist die ständige Verfügbarkeit von Informationen so wichtig, dass das Internet nach dem Willen des Konzerns auch dann für uns arbeiten soll, wenn es eigentlich nicht da ist. Google Maps etwa soll schon in wenigen Monaten erstmals auch offline funktionieren. Die Sprachnavigation zum gewünschten Ort funktioniert dann auch in Ländern, in denen der eigene Datenplan nicht greift. 

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