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Zukunft der Musik / Können Mastering-Programme wie LANDR die Arbeit im Studio ersetzen?

von Juliane Liebert
Gerade ist die deutsche Version von LANDR erschienen, einem Masteringprogramm für Musik, über das in letzter Zeit viel geredet wird. Es ist seit 2014 online und hat mittlerweile mehr als eine Million Tracks gemastert — vollautomatisch und in nur wenigen Minuten pro Song. Übernimmt das Programm damit die Arbeit von Musikprofis?

In einer Zeit, in der man von Aufnahme bis hin zur Produktion alles selbst machen kann, ist das Mastern einer der wenigen Prozesse, die immer noch ausgelagert werden. Und: die teuer sind. Man braucht nicht nur die entsprechende Technik, einen Sound Engineer, Erfahrung und Zeit, sondern auch geeignete Räumlichkeiten. Ein vollgestellter Raum klingt einfach anders als ein leerer. LANDR versucht diesen Prozess, der normalerweise viel Zeit und Geld kostet, in wenigen Minuten und anhand von Parametern zu übernehmen. Dahinter stehen acht Jahre Forschungsarbeit, eine lernfähige Software, die die Musik basierend auf Algorithmen und mithilfe von künstlicher Intelligenz mastert, und die Betreiberfirma Mix Genius mit Sitz in Montreal.

Das Ganze funktioniert so: Man lädt einen Track auf die LANDR-Website hoch, das Programm mastert ihn innerhalb weniger Minuten, das Ergebnis kann man herunterladen. Die wesentliche Frage dabei ist: Was taugt das Ergebnis? WIRED Germany hat in einem Masteringstudio nachgefragt und mit dem Chef von Mix Genius darüber gesprochen.

„Bevor ich diese Firma betreten habe, war mir nicht klar, was für ein Unterschied es macht, ob man sich ein Mastering leisten kann oder nicht“, sagt Pascal Pilon, CEO von Mix Genius. „Doch über 99 Prozent aller Musik wird nie gemastert.“ Nur drei Millionen Tracks pro Jahr würden auf diese tatsächlich vollständig zu Ende produziert. „Wir wollen aus dem Drei-Millionen-Songs-im-Jahr-Markt einen Zehn-Millionen-Songs-im-Jahr-Markt machen“, sagt Pilon. „Wir wollen allen Menschen Zugang zu professionellem Sound verschaffen.“

Das scheint zu funktionieren: Es hat sich eine lebendige LANDR-Community entwickelt, zu der unter anderem der Elektro-DJ Tiga und aufsteigende Hiphop-MCs wie A.J.Crew oder der Producer Lunice gehören. Die Macher von Mix Genius behaupten, viele Musikern hätten plötzlich einen Plattenvertrag bekommen, als sie den Labels Demos schickten, die mit LANDR gemastert waren.

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Aber will LANDR das menschliche Mastern komplett ersetzen? Pascal Pilon sagt: „Beides soll koexistieren. Es wird immer eine besondere Raffinesse im menschlichen Mastering geben. Die besten ihres Faches machen weit mehr als nur zu mastern, sie produzieren in gewissem Sinne auch.“ LANDR sehe sich deswegen nicht als Ersatz. „Aber wir denken, dass LANDR den Workflow revolutionieren und die gleichen Resultate wie ein Mensch erzielen wird.“

LANDR kommt nicht mit allen Genres gleich gut zurecht.

Die Meinungen über das Ergebnis eines LANDR-Masterings gehen auseinander — wie bei allem, was mit Musik zu tun hat. Zwischen denen, die die Idee virtuellen Masterns aus Prinzip anlehnen, bis zu jenen, die von den neuen Möglichkeiten begeistert sind. Ein wichtiger Faktor ist hierbei, dass LANDR, obwohl es jeden Track unterschiedlich mastert, noch nicht mit allen Genres gleich gut zurecht kommt. Ein menschlicher Engineer würde Pop anders mastern als Hardcore, Rap anders als Metal.

Fragt man in einem „richtigen“ Masterstudio nach — bei TrueBusyness in Berlin, die von Seeed über Unheilig bis hin zu Max Herre alles Mögliche gemastert haben, was man sich so vorstellen kann — erweitert sich die Perspektive nochmal: „Ein Mastering ist ein gutes Mastering, wenn man möglichst wenig macht. Soll heißen, wenn der Mix auch schon vorher gut geworden ist“ sagt Studiochef Sascha Bühren. „Mastern“ im klassischen Sinne bedeute eben nicht nur, dass man irgendwie irgendwas mit dem Sound macht, damit er nicht quietscht.

Unser Ergebnis wird auf jeden Fall ehrlicher sein als das, was LANDR abgibt.

Sascha Bühren, Masteringstudio TrueBusyness

Auf die Frage, ob er LANDR ausprobiert hat, kommt von Bühren zuerst nur ein Lachen. „Mich überrascht es nicht, dass im digitalen Zeitalter so etwas wie LANDR entsteht. Ich sag mal so: Was die Geschwindigkeit angeht, können wir das auch. Wir können sagen: Schickt den Mix rüber, wir haben gerade Ressourcen frei. Dann dauert es keine Minute, sondern vielleicht eine Stunde. Aber das Ergebnis wird auf jeden Fall ehrlicher sein als das, was LANDR abgibt.“ Seine Mitarbeiter und er hätten das Programm mit einem Hiphop-Stück ausprobiert, das sie vorher auch schon selbst von Hand gemastert hatten. „Bei Hiphop kommt es darauf an, dass man eine drückende Bassdrum hat, eine klatschende Snare, und dass der Rap vorne steht. Das war das Einzige, das eingetreten ist, der Rap stand vorne. Aber alles andere verlor an Punch.“ LANDR sei zwar unglaublich schnell, erzeuge aber leider auch Artefakte im Sound, die bei einem menschlichen Mastering nicht passieren würden, sagt Bühren. „Die Dynamik verschwindet.“ Bei TrueBusyness scheinen sie sich deswegen keine großen Sorgen zu machen.

Finaler Eindruck von LANDR: Das Programm ersetzt keinen Mastering Engineer und kein Masteringstudio, wenn es um Musik zur Veröffentlichung geht. Dafür sind immer noch ein paar menschlicher Ohren und vor allem menschliches Fingerspitzengefühl nötig. Die Software ist allerdings ein sehr nützliches Tool, um zum Beispiel Trackpreviews auf Soundcloud hochzuladen — allemal besser als ein Fünfminuten-Mastering auf eigene Faust.

Welche Sounds werden unsere Zukunft bestimmen? Wer wird sie für uns erschaffen? Und womit? Das erfahrt ihr den ganzen Februar lang in unserem Themen-Special „Zukunft der Musik“ auf WIRED.de. 

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