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Twitter markiert politische Anzeigen – und wird kaum etwas bewirken

von Johnny Haeusler
Twitter will seinen Usern klar machen, was politische Werbung ist und was nicht. Unser Kolumnist Johnny Haeusler glaubt aber: So gut das alles gemeint ist, eigentlich könnte das Soziale Netzwerk es auch gleich sein lassen.

Twitter will die Anzeigen von politischen Parteien also in Zukunft kennzeichnen, und das kann man wohl als richtigen Schritt werden, denn im Gegensatz zu inländischen Medien wie TV und Radio ist dies für Online-Kanäle bisher keineswegs Pflicht.

Ganz so freiwillig, wie es klingen mag, agiert Twitter dabei allerdings nicht. Nicht nur in Deutschland wird der politische Druck in verschiedenen Bereichen auf Plattform-Betreiber größer, in den USA – wo die Debatte um mögliche russische Einflussnahme auf die vergangenen Wahlen weiterhin besteht – wird z.B. am „Honest Ads Act“ gearbeitet, der dem Namen entsprechend für größere Transparenz bei politischen Anzeigen sorgen soll.

Leserinnen und Lesern helfen solche Maßnahmen ein wenig, doch die offiziellen Anzeigenkunden von Facebook, Twitter und Google sind ja nur der eine Teil der Herausforderungen. Viel wirkungsvoller in der politischen Meinungsmanipulation sind schließlich angeblich „private“ Accounts, die massenhaft falsche Meldungen verbreiten, eine bestimmte Agenda unterstützen oder eben auch konzertiert gegen andere Meinungen vorgehen.

Solange es z.B. mithilfe von Browser-Plugins möglich ist, 99 YouTube-Accounts gleichzeitig zu bespielen und so durch ein paar Dutzend Menschen Videos der politischen Gegner zu diskreditieren, solange werden die eigentlich einmal gut gedachten Mechanismen bei der Abbildung öffentlicher Meinung im Netz zu einer Farce, die in einem technischen Wettrüsten münden könnte. Demokratische Parteien und Organisationen, die sich solcher Mittel nicht bedienen dürfen und wollen, haben das Nachsehen, und ihre Stimmen werden unter Umständen online zum Verstummen gebracht.

Es mag sein, dass sich viele Leserinnen und Leser unabhängig genug informieren und sich daher nicht in Gefahr sehen, Opfer einer solchen Manipulation zu werden. Der Einfluss, den technische Meinungsmanipulationen aber auf junge oder weniger heterogen informierte Menschen haben könnte, sollte nicht unterschätzt werden – die junge Vergangenheit hält viele Beispiele dafür parat, wie schnell sich geschickt gestreute Fehlinformationen verbreitet haben und wie lächerlich selten die Aufklärung die Runde machte. Und wer einmal einen Abend mit jemandem verbracht hat, dessen gesamte politische Haltung auf äußerst ominösen Artikeln basiert und der einem zum Beweis wirrer Theorien Facebook-Kommentare auf seinem Smartphone zeigt … der weiß, wie schnell aus nicht sonderlich haltbaren Online-Argumenten eine Weltanschauung wird.

Es bleibt eine verzwickte Aufgabe für alle Beteiligten, die Balance zu finden zwischen (auch technischer) Bewegungsfreiheit und klaren Grenzen und Regeln im digitalen öffentlichen Raum nebst nötiger Maßnahmen zur Einhaltung derselben.

Die großen Social-Media-Plattformen Twitter, Facebook und Google/YouTube erweitern daher ihre Regeln und Maßnahmen im Eiltempo Schritt für Schritt, testen, experimentieren und bemühen sich um Lösungen. Nicht selten passiert dies jedoch erst auf politischen Druck hin, denn Umstellungen verbrauchen Geld und personelle Ressourcen, und letztendlich profitieren Plattformen nicht nur von Anzeigenkunden, sondern auch vom „Buzz“ innerhalb des eigenen Netzwerks. Je mehr Aufregung bestimmte Themen generieren, desto stärker werden die Plattformen genutzt. Eine Tatsache, die nicht nur für Social Media gilt, sondern für jedes Online-Medium, am Ende für jedes Medium generell.

Und so bleiben die neu angekündigten Maßnahmen von Twitter ein willkommener, aber nicht besonders großer Schritt, sie sind ein sprichwörtlicher Tropfen auf den heißen Stein, aber noch keine Lösung gegen Versuche der Meinungsmanipulation.

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