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Die App Brigade macht die US-Wahl zum Super Bowl

von Elisabeth Oberndorfer
Das Polit-Startup Brigade von Facebook-Mitgründer Sean Parker macht die Präsidentschaftswahl zum Sportereignis. Mit den in seiner App gesammelten Daten will Brigade künftig Politiker versorgen. WIRED hat das Unternehmen in San Francisco besucht.

78 Prozent für Donald Trump, 18 Prozent für Hillary Clinton: So sieht das Zwischenergebnis der US-Präsidentschaftswahl eine Woche vor dem Wahltag aus – zumindest in der Politik-App Brigade. Hier teilen die Nutzer mit, wen sie wählen. Für das in San Francisco gegründete Startup ein kurioser Fall, denn beim Launch der App vor einem Jahr war der demokratische Kandidat Bernie Sanders der Liebling der Nutzer.

„Menschen helfen, das komplizierte Regierungssystem zu verstehen und sie dazu bringen, sich auch politisch zu engagieren“, umreißt Kommunikationschef Andrew Noyes beim WIRED-Besuch im Hauptquartier die Mission des Unternehmens. Die Idee dafür hatte Sean Parker, Mitgründer von Napster und Facebook, gemeinsam mit Matt Mahan, Gründer der Facebook-Aktivismus-Plattform Causes.

Vor zwei Jahren begannen sie, mit der US-Wahl 2016 im Hinterkopf, ein Social Network für politische Themen zu entwickeln und diese mit Politikern von nationaler bis regionaler Ebene zu verknüpfen. Ähnlich dem Wahlomat in Deutschland. „Du beantwortest Fragen zum Thema Immigration oder Stadtentwicklung und siehst, wer dich repräsentiert“, sagt Noyes.

Wir wollen zeigen, dass Politik nicht schwarz-weiß ist, wie es in den Massenmedien oft dargestellt wird

Matt Mahan, CEO von Brigade

Das US-Wahlsystem überschaubar zu machen, ist laut Noyes eine Herausforderung: „Es gibt hier mehr als 520.000 gewählte Funktionäre. Wie viel es genau sind, weiß man aber nicht, es gibt keine gesammelten Daten dazu.“ Und weil am 8. November 2016 die US-Bürger nicht nur einen Präsidenten wählen, sondern auch zu Gesetzesvorschlägen auf bundesstaatlicher Ebene ihre Stimme abgeben, hat der Wähler-Guide allein in Kalifornien 224 Seiten.

„Die Präsidentschaftswahl ist für uns der Super Bowl“, sagt Noyes über die Relevanz des politischen Großereignisses und ergänzt: „In einem Jahr muss die Hälfte der Bevölkerung wieder an die Urne treten. Deshalb sehen wir für Brigade eine Notwendigkeit über die Präsidentschaftswahl hinaus.“

Mit dem Ballot Guide können Brigade-Nutzer ihren Wahlzettel virtuell ausfüllen und diesen auch mit dem eigenen Netzwerk teilen. „Wir wollen zeigen, dass Politik nicht schwarz-weiß ist, wie es in den Massenmedien oft dargestellt wird. Ich kann meine politische Einstellung mit meinen Freunden vergleichen und sehen, dass wir in vielem übereinstimmen, aber uns auch widersprechen. Niemand ist 100 Prozent liberal oder konservativ“, sagt CEO Matt Mahan.

Um zu veranschaulichen, wie kompliziert das Wahlsystem in den USA ist, hat der Gründer sein Stimmverhalten über Brigade offen gelegt und seine jeweilige Entscheidung begründet. Zehn Stunden habe ihn das Ausfüllen der virtuellen Wahlzettel auf seinem Portal gekostet, sagt er.

Wie viele Nutzer Brigade hat, spricht das Startup nicht offen aus. „Wir haben mehr als 160.000 verifizierte Wähler, die sich durch das Wahlregister identifiziert haben. Und die Nutzer haben mehr als eine Million Freunde dazu eingeladen, auch über Brigade ihre Stimmen abzugeben“, sagt Noyes. Die ersten Nutzer der Beta-Version war ein technologieaffines, liberales Publikum, weshalb Sanders in der Phase der Vorwahlen an der Spitze lag. In den vergangenen Monaten nahm das Unternehmen eine Wandlung in der Demografie wahr: „Jetzt haben wir ein Drittel der Babyboomer-Generation, ein Drittel Millennials und ein Drittel der Generation Y.“

Die ungewöhnliche Tendenz, die auf der sozialen Plattform für Wähler sichtbar wird, könnte zu einem großen Asset für Brigade werden: „Wir bekommen ständig Anfragen von Politiker und Kampagnenleiter, die unsere Daten wollen.“ Immerhin sammelt das Startup ein umfangreiches Datenmaterial über die Demografie der Bürger, ihre Einstellungen und Themen, die sie bewegen, und wen sie schließlich wählen.

Dieses Wissen weiterzuverkaufen, ist eine mögliche Einnahmequelle für Brigade, das derzeit von Risikokapital lebt. „Da das Datenmaterial zum Wählersystem so undurchschaubar ist, können wir für die Politik einen Mehrwert schaffen.“ In weiterer Folge will Brigade den gewählten Funktionären die Kommunikation zu ihren Wählern erleichten.

Einen Teil der Daten will das Startup nach der Wahl veröffentlichen, kündigt CEO Matt Mahan an: „Da wir die Nutzer in der Datenbank mit dem öffentlichen Wahlregister verknüpft haben, können wir gut nachvollziehen, wie viele Brigade-User tatsächlich wählen waren.“ In den Tagen vor der Wahl erinnern die Portalbetreiber ihr Publikum mit Push-Nachrichten noch einmal daran, am Dienstag wählen zu gehen. „Als Startup für politische Teilhabe müssen wir uns entscheiden, ob wir die Nutzer in erster Linie informieren oder motivieren. Für uns ist es aktuell Motivation, die wir verbreiten wollen”, sagt Mahan über seine Strategie.

Den Wahltag verbringt das 50-köpfige Brigade-Team mit einer öffentlichen Party im Hauptquartier in San Francisco. Ist der Super Bowl der Wahlen erfolgreich gemeistert, denkt das Polit-Startup über internationale Expansion nach: „Es ist nicht nur unser System so undurchsichtig. Man könnte sicher auch in anderen Ländern Politik transparenter machen“, sagt Kommunikationschef Noyes über Zukunftspläne. Gründer Mahan will mit seiner Transparenz als Beispiel vorangehen: „Die Alternative ist gefährlich“, begründet er seine Stimme für Clinton. Zumindest bei Brigade ist er damit in der Minderheit.

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