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Das FBI forscht in Gefängnissen an einem Tattoo-Erkennungs-Algorithmus

von Moritz Geier
In den USA entwickeln Computerwissenschaftler zusammen mit der Polizei eine Bilderkennungssoftware für Tätowierungen. Sie soll nicht nur helfen, Verdächtige zu überführen. Den Beamten könnte sie im Einsatz auch sofort verraten, ob ein Tattoo eine Person als Gangmitglied ausweist.

Update, 3. Juni 2016: Am Donnerstag hat die amerikanische Electronic Frontier Foundation einen neuen Bericht veröffentlicht, nachdem das FBI zusammen mit Wissenschaftlern an der Erkennung von Tattoos forscht. Diese Nachforschungen seien ohne Beachtung von „Privatssphäre, Ausdrucks-, Religions und Versammlungsfreiheit“ der Gefangenen abgelaufen, schreiben die Autoren. Demnach forschen Wissenschaftler der National Institute for Standards and Technology (NIST) schon seit 2014 an der automatisierten Erkennung von Tattoos. „Tattoos sind Ausdruck einer Meinung“, heißt es weiter im Bericht. Jeder Versuch der Katalogisierung oder Verarbeitung sei eine Verletzung der Rechte ihrer Träger.

Im vergangenen Jahr erst wurde einer Polizistin in Deutschland der Eintritt in den gehobenen Dienst verweigert, weil sie auffällige Tätowierungen am Arm trägt. Die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden zeigen nun, dass Polizisten von Tattoos auch profitieren können — wenn auch nicht von ihren eigenen: Zusammen mit Computerwissenschaftlern entwickelt das FBI derzeit eine automatische Methode, um Verdächtige auf Fotos anhand ihrer Hautbemalung zu erkennen — ein Algorithmus analysiert dafür die Körperkunst.

Bisher kostet die Suche nach Körpermerkmalen in Datenbanken viel Zeit.

Wie die Zeitschrift Nature berichtet, wetteifern insgesamt sechs Forscherteams um den besten Algorithmus für eine dementsprechende Technologie. Bisher kostet die manuelle Suche nach Körpermerkmalen in speziellen Datenbanken viel Zeit. Die neue Bilderkennungssoftware soll mögliche Opfer und Verdächtige schneller identifizieren. Die Anforderungen der amerikanischen Polizei an die Wissenschaftler sind hoch. Die Behörden erwarten etwa, dass die Software dasselbe Tattoo auf verschiedenen Fotos erkennen kann. Außerdem soll das Programmm anhand eines Ausschnitts das Gesamtmotiv der Tätowierung zuordnen können.

Die vielleicht wichtigste Funktion betrifft allerdings die Bedeutung der Tattoos: Die Software soll imstande sein, ähnliche Tätowierungen bei verschiedenen Personen zu identifizieren — zum Beispiel solche, die in Gangs als Erkennungszeichen dienen. Mitglieder der Folk Nation, einer Allianz aus Straßengangs in Chicago, tätowieren sich zum Beispiel oft einen Davidstern, die Crips in Los Angeles wiederum eine nach oben gerichtete Mistgabel.

Nichts ist so genau wie ein Fingerabdruck, aber Tattoos haben doch einen investigativen Nutzen.

Stephen Fischer, Multimedia-Chef beim Informationsdienst des FBI

Gerade diese Körperbemalungen sind eine wichtige Informationsquelle für Strafverfolgungsbehörden. Im Dienst müssten Polizisten oft schnelle Urteile fällen, sagt Daniel Olson, Kryptoanalytiker beim FBI. „Sie müssen wissen, ob eine Person eine Bedrohung darstellt und zwar möglichst schnell.“ Eine Technologie, die dem Einsatzteam sofort Aufschlüsse über die Gangmitgliedschaft eines Verdächtigen liefert, sei da sehr hilfreich.

Längst sind Tattoos kein bloßes Gang- oder Knast-Phänomen mehr. In den USA soll jeder fünfte Erwachsene tätowiert sein. Auch in Deutschland ist die Körperkunst im Mainstream angekommen, Studien gehen von sechs bis zehn Millionen tätowierten Deutschen aus.

Gesichtserkennung ist für einen Algorithmus leichter, weil es dabei keinen so großen Variantenreichtum gibt wie bei Tattoos.

Sind Tätowierungen also bald die neuen Fingerabdrücke? Wohl kaum: Nichts könne die Genauigkeit von Fingerabdrücken ersetzen, findet Stephen Fischer, Multimedia-Chef beim Informationsdienst des FBI. „Aber die Tattoos können einen investigativen Nutzen haben, wenn es etwa darum geht, Listen mit Verdächtigen abzuarbeiten.“

Bei der Entwicklung der Software stehen die Computerwissenschaftler vor großen Herausforderungen. Die Gesichtserkennung etwa ist für einen Algorithmus leichter, weil es bei Gesichtern keinen so großen Variantenreichtum wie bei Tattoo-Designs gibt. Außerdem verblassen schlecht gestochene Tätowierungen oft oder verschwimmen mit der Zeit. Auch Körperbehaarung kann die Identifizierung erschweren.

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