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Der Bundestag weitet den Einsatz von Staatstrojanern aus

von WIRED Staff
Kurz vor der Sommerpause hat der Bundestag am Donnerstagabend ein neues Gesetz verabschiedet, das den vermehrten Einsatz von Staatstrojanern möglich macht. Neben der Überwachung von verschlüsselter Kommunikation, wie etwa Whatsapp, sollen jetzt auch Online-Durchsuchungen möglich sein, wenn der Verdacht auf bestimmte Straftaten vorliegt. Kritiker sprechen vom größten Eingriff in die Privatsphäre seit Jahren.

In dem Gesetzesentwurf hat die Große Koalition einerseits die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und andererseits die heimliche Online-Durchsuchung für Ermittler freigegeben. Kritiker monieren die Vorgehensweise der großen Koalition beim Einbringen des Gesetzentwurfes. Dieser sei, so erklärte etwa der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, ohne ordentliche Diskussion in den Ausschüssen durchgeschlichen worden. Grüne, Anwaltsverbände und Datenschützer kritisieren darüber hinaus, dass der Bundestrojaner nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Das hatte 2008 entschieden, dass eine „Online-Durchsuchung“ nur in besonderen Ausnahmefällen wie etwa einem drohenden Terror-Anschlag zulässig ist. 

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Der neue Gesetzesentwurf war erst Mitte Mai in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Strafrechts eingebracht worden.  Strafverfolger dürfen künftig in einer Vielzahl von strafrechtlich relevanten Fällen auf verschlüsselte Kommunikation über Internet-Telefonate oder Messenger wie WhatsApp oder Threema zugreifen. Dazu dürfen Ermittler mit Hilfe von Software (Staatstrojanern) in die Geräte ihrer Ziele einbrechen. Politiker von CDU/CSU und SPD rechtfertigen den Einsatz mit den größer werdenden Schwierigkeiten von Ermittlern. Diese müssten wieder die Möglichkeite haben, etwa Verbrecherbanden zu überwachen, die heutzutage nur noch über verschlüsselte Kanäle diskutierten.

Die Bandbreite der jetzt genehmigten Gründe für Einbrüche in Endgeräte reicht von schweren Straftaten wie Mord bis hin zu Vergehen wie etwa einen Flüchtling zu einer missbräuchlichen Asylantragsstellung zu verleiten. In diesen Fällen dürfen Ermittler nun Sicherheitslücken in Computersystemen nutzen, um ihre Überwachungssoftware einzuschleusen. Das wiederum stellt in den Augen von Kritikern allerdings ein enormes Sicherheitsrisiko dar: Der Erpressungstrojaner WannaCry etwa nutzte Werkzeuge, die ursprünglich von US-Geheimdiensten stammten.

Beim Verdacht auf besonders schwere Straftaten ist ab jetzt außerdem die Durchsuchung ganzer IT-Systeme legal. Hierbei wäre sogar eine akustische Wohnraumüberwachung möglich. Trotz zahlreicher Stimmen, die vor der Abstimmung gegen die Art und Weise der Einbringung des Gesetzentwurfes, die Bandbreite und mangelnde Kontrolle möglicher Einsatzzwecke der Überwachung sowie des Arbeitsmittels eines Trojaners protestierten, wurde der Entwurf vom Bundestag bestätigt. Aus der Fraktion der SPD gab es nur zwei Gegenstimmen.

Eine letzte Hoffnung gibt es für Gegner wie Bundestagsmitglied Jörn Wunderlich (Die Linke) noch mit dem Bundesverfassungsgericht: Laut seiner Ansicht ist der Gesetzesentwurf mit einem „unzulässigen Hauruckverfahren“ durchgepeitscht worden. Mehrere Organisationen prüfen bereits den Gang nach Karlsruhe.

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