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Boeing hilft beim Bau des Riesenteleskops

von Eric Adams
Trockene Luft und Wüstenstürme: Wenn das bislang größte optische Teleskop, das Giant Magellan Telescope, 2022 in Betrieb genommen wird, muss es extremen klimatischen Bedingungen standhalten. Der Flugzeughersteller Boeing kennt sich damit aus.

Chiles Atacama-Wüste eignet sich perfekt zur Beobachtung von Sternen. Die trockene Luft und die spärliche Besiedelung sind wichtige Aspekt bei astronomischen Beobachtungen - die Europäische Südsternwarte, das Carnegie Institution for Science und das Llano de Chajnantor Observatorium betreiben mehrere Teleskopstandorte auf den Berggipfeln der Region.

Ein Problem ist der Wüstenwind. Er stellt eine Gefahr für die massiven, aber empfindlichen Geräte dar, wenn er durch die Teleskopgehäuse strömt. Darum haben die Astronomen schwere Halterungen mit robusten Tragwerken daran befestigt, die die Teleskope bei Turbulenzen stabil halten sollen. Doch die Technik bleibt anfällig.

Die Entwickler des Giant Magellan Telescope (GMT) mussten das bei der Planung des größten optischen Teleskops der Welt berücksichtigen. Wenn es 2022 eröffnet wird, werden die sieben Spiegel einen Gesamtdurchmesser von 25 Metern haben. Die Fläche ist ausreichend, um das 10-fache des Auflösungsvermögens des Hubble-Weltraumteleskops zu bieten - und leider auch mehr als genug, um eine vorbeiziehende Brise einzufangen.

„Das Gebäude ist beispiellos groß, 22 Stockwerke vom Boden bis zur Spitze des Gebäudes“, so Patrick McCarthy, Leiter der Operation bei der Giant Magellan Telescope Organization. „Eine größere Fläche bedeutet aber auch ein größeres Volumen und damit mehr Angriffsfläche für den Wind. Bei einem großen Teleskop haben wir deutlich höhere Ansprüche an die Bildqualität. Einflüsse, die die Bildqualität beeinflussen können, werden mit zunehmender Größe der Konstruktion ebenfalls höher.“

Dazu gehören Winde ebenso, wie die thermischen Eigenschaften innerhalb der Kuppel, wie die Temperatur der Spiegel und die Wärmeabfuhr des durch Sonne erhitzten Stahls. „Um solche Faktoren bei der Entwicklung miteinbeziehen zu können, benötigt es Konstrukteure mit besonderen Kompetenzen“, sagt McCarthy.

Also meldeten sich die Astronomen bei Boeing. 2015 schloss sich die Giant Magellan Telescope Organization mit dem Flugzeughersteller zusammen, der genau die richtigen Erfahrungen und Technologien besitzt, um den Luftstrom um das unkonventionelle Gebäude zu steuern.

Technik-Cross-Over

Der Einsatz von Boeing bei solchen wissenschaftlichen Anwendungen hat für das Unternehmen einen besonderen Nutzen. Denn dadurch kann der Hersteller seine Technik auch in anderen Bereichen wie der zivilen Luftfahrt immer weiter verfeinern.

„Wenn wir unsere Technik auf unterschiedliche Weise anwenden, nutzen wir sie auch anders als sonst“, sagt Bill Norby, Senior Manager der Luftwissenschaft bei Boeing Research & Technology, die Abteilung, die den Astronomen half. „Dadurch lernen wir mehr darüber und können die Technik leistungsfähiger und vielseitiger machen.“ Laut Norby könnte künftig die analytische Arbeit beim GMT Einfluss darauf nehmen, wie Boeing Raketen auf einer Startrampe ausrichtet oder das Design der terrestrischen Optiksysteme für das Verteidigungsministerium verbessert.

Konkurrenzunternehmen von Boeing, die Technik für militärische Zwecke herstellen, machen dasselbe in anderen wissenschaftlichen Bereichen. Die Entwickler von Lockheed Martin zum Beispiel verwenden einen thermisch resistenten Kunststoff, den sie in ihrem Kampfjet F-35 einbauen, auch für einen Kommunikationssatelliten. Außerdem entwickeln sie eine Unterwasserturbine zur Stromerzeugung basierend auf Propellern des militärischen Frachtflugzeugs C-130J. Lockheed Martin arbeitet auch mit dem Raketen- und Satellitenunternehmen SpaceDev zusammen, um mehr seiner Kampfjet-Technik in das neue Raumflugzeug Dream Chaser zu integrieren. Dieses wurde entwickelt, um Astronauten und Fracht in den erdnahen Orbit oder zur Internationalen Raumstation zu transportieren. „Letztendlich wollen wir unsere Erfahrungen nutzen, um Ideen produktübergreifend zu transferieren und etwas Neues zu erschaffen“, so Keoki Jackson, Chef der Technologieabteilung von Lockheed. „Schauen wir und GPS an - das war ursprünglich ein Militärprogramm und führt jetzt täglich Milliarden Menschen an ihr Ziel.“

Manchmal ist es auch andersrum. Da werden zivile Anwendungen für militärische verwendet. Kürzlich hatte Lockheed Algorithmen, die handgeschriebene Texte für den US Portal Post Service einliest, für Hubschrauber eingesetzt, um U-Boot-Periskope im Wasser erkennen zu können.

Der US-Konzern Raytheons entwickelt Computersysteme, die Kampfnetzwerke miteinander verbinden. Erst kürzlich hat das Unternehmen damit begonnen, seine Cyber-Sicherheitskompetenzen auf den privaten Sektor zu übertragen. „Die Tatsache, dass wir für die Sicherheit von Militärsystemen verantwortlich sind, hilft uns jetzt, Car-to-Car-Kommunikation für autonome Autos sicher zu machen“, sagt CEO Tom Kennedy. „Wie schützt man zum Beispiel ein solches Netzwerk? Wir passen die KI an, um das Netzwerk zu analysieren und Fehler zu entdecken. Unsere Forschungen werden der Automobilindustrie helfen.“

Wind auf Bergen

Boeing half beim den Entwickler am GMT zuerst mit Basiswissen. „Das erste, was Boeing zu uns sagte, war: ‚Sind sie sicher, dass sie das Teleskop auch an der richtigen Stelle platzieren?‘, erzählt McCarthy. Angesichts der Tatsache, dass das Teleskop auf einem Berggipfel stehen soll, würde man nicht vermuten, dass der genaue Standort so wichtig wäre. Es stellte sich aber heraus, dass die Entwickler nicht alle Aspekte der Aerodynamik berücksichtigt hatten. „Aus aerodynamischer Perspektive hatte ein anderer Standort bessere Eigenschaften bezüglich des Luftstroms, weshalb letztlich eine Änderung des Platzes vorgenommen wurde“, sagt Bill Norby von Boeing.

Der Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Anwendung der numerischen Strömungstechnik, um optimale thermische, sowie schwingungstechnische Einflüsse auf das Gehäuse des Teleskops sicherzustellen, die durch die zirkulierende warme oder kalte Luft erzeugt werden können. Testversuche nahm das Team in Wassertunneln vor, indem sie Farbstoffe in den Wasserstrom kippten, um eine 3-D-Kopie des Gehäuses herzustellen. Anschließend wurden die Modelle so optimiert, bis die Entwickler mit den Ergebnissen zufrieden waren.

„Boeing hat uns die Daten geliefert, um uns dabei zu helfen, thermische und schwingungstechnische Probleme zu erkennen“, sagt McCarthy. „Die Daten verraten uns, wie wir das Teleskopgehäuse genauer abstimmen können und zeigen, wie wir die Entlüftung während des Betriebs steuern können, sollten sich die Windbedingungen bei der Beobachtung ändern.“

Dieser Artikel erschien in voller Länger auf WIRED.com

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