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Beim WADA-Hack geht es nicht um Sport

von Joely Ketterer
Russische Hacker erbeuten medizinische Daten von der Anti-Doping Agentur WADA und setzen damit US-SportlerInnen unter Druck. Darunter auch Stars wie Simone Biles und Serena Williams. Doch um Sport geht es den vermeintlichen Aufklärern wohl kaum.

Mit dem digitalen Einbruch bei der Anti-Doping-Agentur WADA kommen zwei Geschichten zusammen. Beide sorgten in der jüngeren Vergangenheit schon für Schlagzeilen. Und beide belasten für sich genommen das russisch-amerikanische Verhältnis: Zum einen bricht hier mal wieder eine Hackergruppe in eine große Behörde ein und stiehlt massenhaft Daten. Zum anderen haben ebendiese Daten mit einem der heikelsten Streitthemen des Sommers zu tun: dem Doping von Olympia-Athleten und -Athletinnen.

Um die politische Tragweite des Hacks zu verstehen, hilft der Blick auf den Angreifer: Die Gruppe Fancy Bears hat sich zum Einbruch bekannt. Mit einer Spearphishing-Attacke sei sie in das WADA-System eingebrochen und habe Informationen gestohlen. Es handelt sich um Daten über die Einnahme von, nach Doping-Gesichtspunkten, eigentlich illegalen Medikamenten. US-SportlerInnen dürfen sie ausnahmsweise einnehmen, weil sie zum Beispiel an einer bestimmte Krankheit leiden. Diese Ausnahmebewilligungen seien „Lizenzen zum Dopen“, schreiben Fancy Bears auf ihrer Website. Die USA hätten gut gespielt bei den Olympischen Spielen, so die Hacker, aber eben nicht fair.

Die Athleten haben sich an die Regeln gehalten und sich eine Erlaubnis für ihre Medikamente eingeholt

Travis Tygart, Leiter der US-Antidopingbehörde

Die WADA bestätigte die Echtheit der Dokumente. Schob aber auch hastig hinterher, der Hack sei ein Versuch, das weltweite Anti-Doping System zu untergraben. Ein Racheakt, nachdem im Sommer erst mehr als 100 russische Olympia-Athleten und dann das gesamte russische Paralympics-Team von den Spielen in Rio ausgeschlossen wurde.

Auch die ersten betroffenen Athletinnen rechtfertigten sich prompt. Simone Biles twitterte: „Ich habe ADHS und nehme Medikamente dagegen, seit ich ein Kind bin.“ Die Dokumente zeigen, dass die Turnerin Ritalin einnimmt. Auch der Tennisspielerin Serena Williams werfen die Hacker die Einnahme von normalerweise verbotenen Entzündungshemmern vor. Die US-Antidopingbehörde springt ihr zur Seite: „Die Athleten haben sich an die Regeln gehalten und sich eine Erlaubnis für ihre Medikamente eingeholt“, sagte deren Leiter Travis Tygart gegenüber der BBC.

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Offensichtlich geht es bei all dem aber gar nicht wirklich um den sauberen Sport. Die geleakten Informationen verletzen vielleicht die Privatssphäre der SportlerInnen, sind aber nicht der Skandal, zu dem die Hacker sie zu machen versuchen. Doch genau diese Skandalisierung hat System – das zeigt allein schon die Geschichte der Fancy Bears.

Jener Gruppe, die massenhaft Informationen aus der Wahlkampfzentrale der US-Demokraten (DNC) veröffentlich hat und dadurch in den US-Wahlkampf eingreifen wollte. Die Gruppe auch, die unter dem Namen APT28 im vergangenen Jahr in das Netzwerk des Bundestags eingebrochen ist. Hacker, von denen Experten sagen, sie hätten enge Beziehungen zum russischen Militärgeheimdienst GRU.

Dieser Gruppe geht es nicht um sauberen Sport, und auch nicht um reine Rache, es geht um die Kontrolle der politischen Debatte

Dieser Gruppe geht es nicht um einen sauberen Sport, und auch nicht zwangsweise um eine reine Rache-Aktion, wie es die WADA darstellt. Fancy Bears geht es um die Kontrolle der politischen Debatte. Ähnlich wie der US-Wahlkampf ist auch das Thema Doping gerade so sensibel, das kleinste Zweifel ausreichen, um weltweit Misstrauen zu sähen – und das haben die Daten-Dumps zum Ziel.

Auch wenn die betroffenen SportlerInnen eigentlich keine Regeln gebrochen haben, der Verdacht ist in der Welt und die Debatte und die Berichterstattung konzentrieren sich auf sie. Datendiebstahl wird dazu genutzt, den Informationsfluss zu lenken. Es entsteht eine moderne Version der Propaganda – auf der Basis von echten Informationen, die zwar geheim, aber dennoch nicht skandalträchtig sind.

Dazu kommt eine Unsicherheit, die Fancy Bears durch die Ankündigung weiterer Daten-Dumps auch in anderen Ländern erzeugt. Jeder Sportler könnte in den Informationen auftauchen, jede Sportbehörde und jedes Team unter Druck geraten. Von russischen Sportlern würde dann bald keiner mehr sprechen.

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