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„Fortbewegung wird nahezu kostenlos sein“

von Elisabeth Oberndorfer
In den Augen von Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky stehen Verkehrsunternehmen vor grundlegenden Umwälzungen ihrer Branche. WIRED sprach mit Jánszky über die Gründe für sinkende Kosten und die zukünftigen Player im Nahverkehr. 

WIRED: Herr Jánszky, Sie beschäftigen sich als Trendforscher und Leiter des 2b AHEAD ThinkTank unter anderem mit der Frage, wie wir uns im Jahr 2027 fortbewegen werden. Haben Sie schon eine Antwort gefunden?
Sven Gábor Jánszky: Die größte Veränderung in der Fortbewegung sehen wir in der Weiterentwicklung der Autos. Die wird aber auch Auswirkungen auf andere Bereiche wie Bahn und Flugverkehr haben. Der Hauptgrund dafür lautet, dass Autofahren um ein Vielfaches günstiger oder gar kostenlos wird. Davon sind auch andere Transportmittel betroffen, weil sie Konkurrenz bekommen. Mit weniger Autos brauchen wir auch weniger Parkflächen. In einer Stadt machen Parkplätze heute rund 30 Prozent der Fläche aus. Daraus ergibt sich die nächste Frage, wofür dieser Raum künftig eingesetzt werden kann.


WIRED: Analysten und Tech-Unternehmen gehen davon aus, dass sich der Trend weg vom Eigentum hin zum Carsharing bewegt. Stimmen Sie dieser Beobachtung zu?
Jánszky: Ja, da sind sich alle einig. Ein Auto, das einen Fahrer hat, steht zu 96 Prozent in der Garage rum. Ein autonomes Auto kann aber „arbeiten gehen“, warum sollte es einfach rumstehen. Die Kosten für Carsharing werden extrem niedrig sein und die Menschen werden dann selbst sehen, dass es keinen Sinn macht, ein eigenes Auto zu besitzen. Wir gehen aber durchaus davon aus, dass einige wenige noch ihre eigenen Autos weiterfahren. Der eigene Pkw wird wieder ein Premiumprodukt und ein Statussymbol.

WIRED: Was genau bedeutet diese Tendenz für den öffentlichen Verkehr?
Jánszky: Der Massentransport mit festgelegten Linien wird in den nächsten Jahren zum Auslaufmodell. Mit autonomen Fahrzeugen kann ich per Knopfdruck von Tür zu Tür fahren, anstatt zur Haltestelle zu laufen. Studien gehen davon aus, dass es Shuttlebusse mit zwölf Sitzen geben wird, die ähnlich wie bei Uber Pool die Passagiere zu ihren gewünschten Destinationen bringen. Der öffentliche Personentransport wird dann nicht mehr als Linienverkehr, sondern in Taxiform stattfinden.

WIRED: Sie sagen, dass die Kosten dafür sehr gering sein werden. Wie kommt es zu dieser Kostenreduktion und wer wird solche Fortbewegungsmittel anbieten?
Jánszky: Derzeit sind in der Regel Stadtwerke für den öffentlichen Nahverkehr verantwortlich und diese werden stark subventioniert, weil der Betrieb kaum kostendeckend möglich ist. Die Frage wird in Zukunft sein, ob öffentlich geförderte Betreiber noch notwendig sind, wenn privatwirtschaftliche Alternativen vorhanden sein werden. Ich nehme an, dass diese Frage jede Stadt individuell entscheiden wird. Als private Anbieter können neben Technologieunternehmen wie Google und Apple auch Großkonzerne agieren, die ihre Flotten arbeiten lassen wollen, wenn sie nicht gebraucht werden. Daraus wird ein Überangebot entstehen und wenn die Nachfrage kleiner ist als das Angebot, gehen die Preise in den Keller. Die Kosten für das Fahren von A nach B werden für Menschen gegen null gehen. Die Anbieter verdienen ihr Geld dann nach der Google-Logik: Für das Hauptprodukt zahlt der Kunde nichts, sieht dafür aber Werbung im Auto oder kann Dinge kaufen.

WIRED: Wird die Entwicklung in der Mobilität in den nächsten Jahren fließend sein oder sehen Sie einen Wendepunkt, mit dem sich der Verkehr drastisch ändern wird?
Jánszky: Es wird sowohl fließend passieren als auch einen Wendepunkt geben. Fließend ist die Planung der Technologieunternehmen und Autohersteller, die Fahrzeuge entwickeln und auf den Straßen testen. Dann dauert es einige Jahre, bis autonome Fahrzeuge auf den Straßen zugelassen werden und wieder einige Jahre, bis sie den Mainstream erreichen. Der Wendepunkt kommt aber dann, wenn ein assistierender Fahrer nicht mehr notwendig ist, sondern Autos sich vollautonom bewegen dürfen. Dann können Menschen während der Fahrt schlafen, mit ihren Kindern spielen und alles Mögliche machen.


WIRED: Wie schnell wird diese Entwicklung vorangehen?
Jánszky: Schneller als wir es heute vermuten. Die Konzerne werden Druck auf die Politik ausüben, damit die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Politik wird deshalb schnell handeln, weil die deutsche Wirtschaft und andere Länder, die eine starke Automobilbranche haben, es sich nicht leisten können, zu warten. Unsere Erwartung ist, dass es bei den Regulierungen keine Blockaden geben wird und das Thema in den nächsten Jahren eine Dynamik annimmt.


Es wird viel zu wenig darüber gesprochen, was passiert, wenn Mobilität kostenlos wird

Sven Gábor Jánszky

WIRED: Die Diskussion um selbstfahrende Autos ist zumindest in Europa auch eine ethische. Könnte das nicht die Einführung vollautonomer Fahrzeuge blockieren?
Jánszky: Diese Diskussion findet hauptsächlich in den Medien statt, in der Wirtschaft und Politik wird das ganz anders diskutiert. Das Problem ist, dass wir an technische Fragen mit einer menschlichen Sichtweise herangehen. Die Frage, wie ein autonomes Auto bei einem Unfall handelt, betrifft die Maschine und nicht den Menschen. Wenn es einen Unfall gibt, hat die Technologie versagt und nicht der Mensch. Langfristig werden wir den großen Nutzen von autonomen Fahrzeugen sehen, entsprechend wird sich auch die öffentliche Meinung drehen.

WIRED: Bei der Zukunft des Verkehrs wird in erster Linie über das automatisierte Fahren und neue Antriebsformen gesprochen. Gibt es einen Trend, den momentan alle übersehen?
Jánszky: Es wird viel zu wenig darüber gesprochen, was passiert, wenn Mobilität kostenlos wird. Was macht dann zum Beispiel die Deutsche Bahn? Der aktuelle Stand ist, dass die Unternehmen zaghaft anfangen, darüber nachzudenken. Sie haben noch kein Zukunftsbild entwickelt, wie das aussehen wird. In vielen Entscheiderköpfen herrscht noch der Gedanke, dass es vielleicht doch nicht soweit kommt.

Sven Gábor Jánszky sprach auf der OPELxWIRED future.mobility Conference am 13. Juni in Rüsselsheim.


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