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Selbstlenkende Autos: Fahren Toyota & Co. dem Silicon Valley davon?

von Karsten Lemm
Wenn Patente einen Hinweis darauf geben, wer künftig zu den Gewinnern zählt, dann müssen traditionelle Autobauer wie Toyota, Daimler und GM sich vor ihren Herausforderern aus dem Silicon Valley nicht zuviel Sorgen machen. Eine Studie zu Innovationen rund um autonomes Fahren zeigt, dass die etablierten Hersteller in den vergangenen Jahren im Akkord neue Technologien entwickelt haben, damit ihre Autos bald eigenständig ans Ziel finden. Neulinge wie Apple und Google sehen die Analysten nur dann als erfolgreiche Mitspieler, wenn sie sich mit Partnern aus der Autobranche verbünden.

Für ihre Studie untersuchten Experten der Unternehmensberatung Thomson Reuters mehr als 22.000 Patente — angemeldete und erteilte — zu Themen wie: selbstlenkende Autos, Fahrer-Assistenzsysteme und Telematik, also Technik, die Autos sagt, wo es langgehen soll und welche Hindernisse sich womöglich auf dem Weg auftun. Die Ergebnisse zeigen, dass die Hersteller seit 2012 Vollgas gegeben haben. Besonders interessiert zeigten sich die Entwickler am autonomen Fahren („autonomous driving“) und Fahrer-Assistenzsystemen — auf diese beiden Kategorien entfallen die meisten der untersuchten Patente zwischen 2010 und 2015.

„Patente sind wahrscheinlich der beste Weg, um zu messen, wohin die Forschungs- und Entwicklungsgelder der Unternehmen fließen“, sagt Tony Trippe, Senior Analyst bei Thomson Reuters und einer der Verfasser der Studie. Auch wenn sich aus den Zahlen nicht unbedingt ablesen lasse, wer übermorgen an der Spitze liegen wird, zeige die Auswertung, wie sehr die Auto-Industrie ihre Zukunft in der Verbindung von Chips und Chassis sehe: „Es geht nicht mehr darum, lediglich ein Transportmittel anzubieten“, erklärt Trippe. Für die Autobauer würden die Erfindungen, die so fleißig patentiert werden, immer mehr zu einem „wichtigen Unterscheidungsmerkmal“ im Wettkampf mit den Konkurrenten.

Besonders aktiv waren in den vergangenen Jahren japanische Hersteller wie Toyota, Nissan und Mitsubishi, der koreanische Hyundai-Konzern, aber auch Zulieferer wie Bosch, Continental und Denso (Japan). Deutsche Autoproduzenten wie BMW, Daimler und VW fahren im Vergleich etwas hinterher, liegen aber deutlich vor ihren amerikanischen Konkurrenten. Nur die Opel-Mutter GM zeigt sich auf allen Gebieten ähnlich innovativ wie andere Vordenker der Branche. „Die deutschen Hersteller besitzen viel Technikkompetenz und werden auch in Zukunft zu den Schlüsselfiguren gehören“, sagt Trippe.

Überraschend vielleicht, dass von den vermeintlichen Durchstartern aus dem Silicon Valley in der Patent-Hitparade wenig zu sehen ist. Apple hat — trotz aller Gerüchte um das Apple Car — nur eine einziges Patent vorzuweisen. Und so schlagzeilenträchtig Googles Flotte von selbstlenkenden Autos auch sein mag, bei verbrieften Innovationen zum autonomen Fahren liegen die Kalifornier nur auf Platz 19, noch hinter Panasonic und Fujitsu. „Ich glaube nicht, dass die Silicon-Valley-Unternehmen eigene Autos bauen wollen“, sagt Trippe. Für die Herstellung fehlten den Technikfirmen sowohl die Fabriken als auch das Know-how. „Es wird kein Apple Car ohne irgendeine Form von Zusammenarbeit geben“, erklärt der Analyst. „Auch bei Google wird es auf eine Partnerschaft hinauslaufen.“

Das muss für beide Seiten nicht das Schlechteste sein. Denn wenn Autos rollende Computer werden, die eigenständig ihr Ziel finden sollen, brauchen die Fahrzeugentwickler schlaue Technik, die sie bei der Entwicklung unterstützt — während sich für die Internetgiganten neue Anwendungsgebiete für ihre Algorithmen auftun. „Jeder hat seine Stärken“, erklärt Trippe. „Die Autohersteller denken seit vielen Jahren über Transportfragen nach, und die Silicon-Valley-Unternehmen wissen, wie man mit riesigen Datenmengen umgeht.“ Konkret könnte Google sich mit Ford zusammentun, spekulieren die Autoren der Studie, während sie Tesla als idealen Partner für Apple sehen. „Die beiden ergänzen sich“, sagt Trippe, „es gibt kaum Überschneidungen.“

Wie schnell die Erfindungen, die sich in den Patenten und Patentanmeldungen abzeichnen, in Serienmodellen auftauchen werden, ist ungewiss. Manches — wie Funktionen zum automatischen Einparken oder Spurwechseln auf der Autobahn — findet sich schon heute in Oberklasse-Fahrzeugen. Dagegen wird die Vision vom digitalen Chauffeur, der ganz allein von A nach B fährt, wohl noch Jahre auf sich warten lassen. „Der Trend ist klar“, sagt Trippe, doch in vielen Einzelheiten müsse der Fortschritt womöglich auf neue Gesetze und Regulierungen warten — beim Aufbau der Infrastruktur ebenso wie dem, was selbstfahrende Autos können und dürfen. „Am Ende wird vieles mindestens so sehr von der Regierung abhängen wie von der Technik.“ 

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