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„Selbstfahrende Autos brauchen keine Ethik-Software“

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Wie sollten selbstfahrende Autos in kritischen Situationen reagieren? Wer muss eher geschützt werden, die Insassen oder Passanten? Und wie gewährleistet man das? Jedenfalls nicht durch Ethik-Algorithmen, sagt Andreas Herrmann, Autor des Buches Autonomous Driving.

Die Autoindustrie ist im Umbruch. Einerseits gelten Elektromotoren als die Zukunft des Antriebs, andererseits schreitet die Digitalisierung immer weiter voran. Ein Aspekt: selbstfahrende Autos, die im besten Fall völlig autonom agieren.

Fällt der Mensch als Fahrer weg, muss er auch seine Entscheidungsgewalt abgeben. Algorithmen bestimmen dann, wie gefahren wird – und auch, was in gefährlichen Verkehrssituationen geschehen soll. Im schlimmsten Fall muss Software in Sekundenbruchteilen entscheiden, wer zu Schaden kommt: Insassen oder Passanten?

Brauchen die autonomen Autos von morgen also einen Ethik-Code? Das wird unter anderem auf der OPELxWIRED future.mobility Conference am 13. Juni in Rüsselsheim diskutiert. Einer der Speaker ist Andreas Herrmann, Direktor des Instituts für Customer Insight der Universität St. Gallen und Autor von bislang 15 Büchern. Im Herbst erscheint sein nächstes Werk mit dem Titel Autonomous Driving. WIRED sprach mit dem 52-Jährigen über eine mögliche Ethik der selbstfahrenden Autos.

WIRED: Herr Hermann, wer muss bei der Definition einer „Auto-Ethik“ mit am Tisch sitzen?
Andreas Herrmann: Es gibt eine Ethikkommission, in der sich meines Wissens vor allem Juristen und Philosophen befinden.

WIRED: Was muss diese Ethikkommission bedenken?
Herrmann: Es wird so sein, dass autonome Fahrzeuge deutlich weniger Unfälle verursachen als manuell gefahrene. Sollte es trotzdem zu einer Notsituation kommen, muss das Fahrzeug so programmiert sein, dass es eine Vollbremsung hinlegt und nach freiem Raum sucht. Beides wird besser gelingen als bei manuell gesteuerten Fahrzeugen. Reicht der Bremsweg nicht und es gibt keinen freien Raum, dann bleibt letztlich nur die Kollision mit dem Hindernis. Ich vermute, dass sich diese Variante durchsetzen wird.

Mit autonomen Fahrzeugen lässt sich das Risiko, im Straßenverkehr zu verunglücken, auch ohne einprogrammierte Werturteile deutlich reduzieren

Andreas Hermann

WIRED: Sollte sich der Algorithmus im Auto in einer brenzligen Situation für die Insassen oder für die Passanten entscheiden?
Herrmann: Da die Fahrzeuge nach den modernsten Sicherheitsstandards gebaut werden, meine ich, sollte die bereits beschriebene Logik gelten: Vollbremsung, Suche nach freiem Raum. Worst Case: Kollision.

WIRED: Kann man Autos ethische Grundsätze beibringen?
Herrmann: Grundsätzlich ist das kein Problem. Man kann ein Fahrzeug so programmieren, dass es in einer Notsituation beispielsweise den Fußgänger und nicht den Fahrradfahrer überfährt. Eine solche Programmierung steht aber im Widerspruch zu unserem Grundgesetz, das es nicht erlaubt, Menschenleben gegeneinander abzuwägen oder zu verrechnen. Ich bin davon überzeugt: Das ist auch gut so.

WIRED: Es sollte Ihrer Meinung nach also keine Ethik-Software für Autos geben?
Herrmann: Nein, weil eine solche Software erfordert, dass Menschen – zum Beispiel Programmierer – vorab eine Abwägung treffen müssen, welches Leben mehr wert ist. Ich verstehe die Notwendigkeit zur Diskussion dieser Fragen. Die Realität ist aber, dass 94 Prozent aller Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückgehen. Mit autonomen Fahrzeugen lässt sich das Risiko, im Straßenverkehr zu verunglücken, auch ohne einprogrammierte Werturteile deutlich reduzieren.

WIRED: Ein Algorithmus macht einen Fehler – wer haftet dafür?
Herrmann: Sofern es sich um einen klassischen Algorithmus zur Objekterkennung handelt, wird die Haftung beim Hersteller liegen. Moderne Machine-Learning-Algorithmen entwickeln sich jedoch selbständig weiter. In diesem Fall könnte ich mir vorstellen, dass jedes Fahrzeug quasi zu einer eigenen Rechtspersönlichkeit wird und mit einer Haftungssumme ausgestattet wird.

Andreas Herrmann spricht auf der OPELxWIRED future.mobility Conference am 13. Juni in Rüsselsheim.

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