Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Skills-Kolumne / Copy & Paste beim Programmieren? Ein Versteckspiel

von Kathrin Passig
Im Urlaub weiß man: Wo morgens Pooltücher liegen, braten später deutsche Touristen. Doch wie findet man Platzhalter beim Coden wieder?

Dieser Artikel erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe des WIRED Magazins im September 2015. Wenn ihr die Ersten sein wollt, die einen WIRED-Artikel lesen, bevor er online geht: Hier könnt ihr das WIRED Magazin testen.

Mit Platzhaltern ist es so eine Sache. Nicht immer erkennt man gleich, dass sie gleichsam Badehandtücher sind, die den Liegestuhl für den eigentlichen Besitzer frei halten. So wie es etwa das X in der Mathematik tut, das eben keine Zahl ist, sondern eine Variable, die erst durch eine Zahl ersetzt werden muss. Und steht in einem auszufüllenden Formularfeld im Netz „Telefonnummer“, wissen auch ungeübte Nutzer, dass an die Stelle des Wortes wahrscheinlich eine Zahl gehört, denn sonst kann einen ja niemand anrufen. 

Wenn Wörter für andere Wörter den Platz freihalten, können auch geübte WIRED-Kolumnistinnen ins Schlingern geraten.

Schwieriger aber wird es, wenn Wörter den Platz für andere Wörter freihalten. Denn nun muss man erst mal erkennen, ob das Wort nur ein Platzhalter ist oder bereits das Gemeinte. Auch geübte Internetuser tragen manchmal die Wörter „ihre-domain.de“ irgendwo ein, weil es so in der Anleitung steht, und müssen dann den Support anrufen: „Wenn ich ,ihre-domain.de‘ ­öffne, ist da gar nicht meine Website!“ Selbst seriösen Leuten wie den Autorinnen dieses Textes passiert es, dass sie als Titel für eine WIRED-Kolumne „Irgendwas mit Code“ notieren und später nicht mehr wissen, ob das bereits der Titel sein sollte oder nur eine Selbst­ermahnung, noch mal gründlich nachzudenken.

Vor ähnlichen Problemen stehen auch Programmierer gelegentlich, allerdings seltener beim Programmieren selbst als beim Lesen oder Schreiben von Codebeispielen, Anleitungen oder ­Dokumentationstexten. Auch hier gilt es zu unterscheiden zwischen Wörtern, die exakt so im Code stehen müssen – und ­solchen, bei denen man volle Freiheit hat und genauso gut „Warzenschwein“ hinschreiben könnte, ohne dass der Code beim Ausführen wilde Fehler produziert.

Aus diesem Grund haben sich Urzeit-Programmierer irgendwann mal auf Wörter geeinigt, die man verwenden kann, wenn man Platzhalter braucht. Genauer gesagt: Platzhalter für Variablennamen, die ja ihrerseits Platzhalter sind. Es handelt sich quasi um Liegestuhlhandtuchvertretungshandtücher, unter Fachleuten auch „metasyntaktische Variablen“ genannt. So schont man auf der einen Seite das eigene Gehirn, indem man es nicht mit der Suche nach möglichst eindeutigen Platzhalterbezeichnungen belästigt; und auf der anderen Seite erkennen zumindest erfahrenere Leser der Codebeispiele, welche Teile des Texts solche Platzhalter darstellen.

Besonders beliebt: ,foo‘, ,bar‘ und ,baz‘.

Besonders bekannt sind die Wörter „foo“, „bar“ und „baz“. Verfasser einer Anleitung schreiben „if foo == bar“, nicht weil sie etwas über Foo oder Bar mitzuteilen haben, sondern den Vergleichsoperator „==“ erklären wollen. Leser der Anleitung übersetzen diese Platzhalter beim Schreiben des eigenen Programms dann in Variablennamen: „if number_of_weasels == number_of_weasel_traps“. Beim Ausführen werden die Platzhalter endlich durch echten Inhalt ersetzt. Man erhält die von einem Computer einfach zu beantwortende Frage, ob 100 gleich viel ist wie 99 – und freut sich, dass ein Wiesel verschont bleibt.

Auch Nichtprogrammierer müssen ab und zu anderen Menschen signalisieren, dass der hingeschriebene Blindtext nicht der endgültig gemeinte ist und eine Werbeanzeige oder Website­ später mit echtem Inhalt gefüllt werden soll. Genau wie in der Softwareentwicklung kommt es dabei jedoch immer wieder zu Missverständnissen. Der von der Grafikerin absichtlich hingeschluderte Fülltext „dieses produkt ist voll super!“ landet dann ohne Rückfrage in Broschüren und auf der Firmenwebsite. 

Ähnlich wie bei foo und bar lässt sich das Problem auch durch Verwendung des offiziellen Blindtext-Texts „Lorem ipsum dolor sit amet“ nicht immer umgehen: Eine Suche im Netz fördert viele Websites ans Licht, deren Verantwortliche beim Anblick des Blindtexts mutmaßlich „Ist wohl Italienisch“ gedacht und ihn durchgewinkt haben. Die Fähigkeit zur unmissverständlichen Markierung von Metaebenen ist also offenbar generell in der menschlichen Kommunikation noch nicht ausgereift. Vielleicht sollte man Blindtext als Schulfach einführen.

In der letzten Ausgabe schrieben Kathrin Passig und Anne Schüssler über die Unvermeidlichkeit von Fehlern.

GQ Empfiehlt