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Wir haben mit dem Gründer von MLOVE über Smart Cities gesprochen

von Martin Wiens
Wer viel auf Konferenzen unterwegs ist, lernt nicht nur viele Buzzwords sondern auch, was eine gute Konferenz ausmacht. Harald Neidhardt weiß daher, was er tut. Als Co-Founder von Smaato, einer Plattform für mobile Werbung, war er jedes Jahr auf 50 bis 60 Kongressen unterwegs. Seit 2010 veranstaltet der Gründer von MLOVE seine eigenen Festivals.

Schon lange vor dem großen Mobile-Boom setzte Smaato auf mobile Werbung. Damals waren viele Leute noch skeptisch, erzählt Harald Neidhardt: „Hä, Handys? Das ist doch mein Nokia-Knochen, der acht Tage hält. Da will ich doch keine Werbung drauf haben, geschweige denn irgendwelchen Content.“, sagten sie. Auch auf den Konferenzen, die Neidhardt besuchte, gab es immer wieder Gegenwind. Das nervte ihn irgendwann. „Ich will lieber ein Wochenende mit 30 Leuten unter 30 verbringen, die sagen: ‚Wow, Handy, geil, I love this’, statt mit Experten, die sich vielleicht auf Marktzahlen berufen, aber nicht in die Zukunft schauen können.“

Aus diesem Grund gründete er im Jahr 2010 MLOVE und fing an, selbst Kongresse zu organisieren — anfangs vor allem zum Thema Mobile. Mittlerweile steht das M in „MLOVE“ aber für „Meaning“. Das gibt den Machern die Möglichkeit, neue Schwerpunkte zu setzen: In diesem Jahr geht es um das Internet der Dinge und Smart Cities.

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Dafür hat Neidhardt mit seinem Team ein kleines Container-Dorf in der Hamburger HafenCity errichtet. Auf diesem Campus laufen nicht nur bis zum September 2016 fortlaufend Ausstellungen zum Thema Smart City. Auch das ConFestival wird hier vom 24. bis zum 26. Juni 2015 stattfinden (WIRED verlost Tickets). Wir haben im Vorfeld mit Harald Neidhardt, dem Gründer und Kurator des MLOVE ConFestivals, über die Möglichkeiten und Gefahren von Smart Cities gesprochen.

WIRED: Denkt man an Smart Cities, hat man schnell Bilder aus Science-Fiction-Filmen im Kopf. Wo ist das Konzept Smart City heute schon zu sehen?
Harald Neidhardt: Ein Beispiel dafür sind Parksensoren, die gibt es bereits in Barcelona. Das Prinzip kennt man ja von Parkhäusern, wo man genau sehen kann, wie viele Parkplätze noch frei sind. Und drinnen leuchten grüne und rote Lichter, denen man hinterherfährt. Als Autofahrer weiß man direkt wohin und muss nicht siebenmal zirkeln — sondern fährt direkt zu der Etage, in der es noch freie Flächen gibt. Dieses Prinzip wird in Barcelona und demnächst auch in anderen Städten auf die normale Innenstadt ausgeweitet. Dann gibt es am Straßenrand Sensoren, die anzeigen, wo noch Parkplätze frei sind und das auf eine Tafel, aufs Smartphone oder das Navi spielen können.

Weniger Stau und ein Parkplatz ist in Deutschland für viele immer noch das Wichtigste!

Harald Neidhardt


WIRED: Es gibt auch die Möglichkeit, dass in überfüllten Städten auf die freien Parkplätze in Echtzeitauktionen geboten wird — und der Höchstbietende den Parkplatz bekommt.
Neidhardt: Das hört sich ein bisschen nach Amerika an. Was da noch zu hinzu kommt, ist die Möglichkeit, dass du als Privatmensch dein eigenes Grundstück als Parkplatz vermietest. Nach dem Prinzip: Ich bin morgens weg ab acht Uhr und bis 17 Uhr unterwegs — in der Zeit kann bei mir jemand parken. Bevor derjenige ein Ticket kriegt, kann er vor meiner Garage stehen und ich kriege meine zwei Euro. 

WIRED: Wenn in Metropolen live auf Parkplätze geboten wird und derjenige mit dem höchsten Gebot den Zuschlag kriegt, kann auch eine soziale Ausgrenzung stattfinden. Führt ihr solche Debatten auch?
Neidhardt: Ich glaube, das ist genau die Debatte, die wir führen wollen: Wo sind neue Chancen für Startups und gleichzeitig, was habe ich dann als Bürger davon? Wenn man als Bürger nur von Pilotprojekten hört und mit denen nicht so richtig etwas anfangen kann, ist man glaube ich eher skeptisch. Deshalb ist es wichtig, dass große Player den konkreten Nutzen von Smart City im Alltag sichtbar und anfassbar machen: Erstens hast du weniger Stau und zweitens findest du schneller einen Parkplatz! Das ist in Deutschland nun mal immer noch für viele das Wichtigste. 

WIRED: Und wie können mögliche Berührungsängste konkret abgebaut werden?
Neidhardt: Dafür ist eine gute Brücke zwischen Verwaltung, den großen Tech-Playern, die die Infrastruktur bauen, und den Bürgern ein großer Schritt. Und genau da liegt auch eine Chance für Startups im Bereich Smart City: Diese Lücke zu füllen, indem sie sich in den Bürger hineinversetzen — als Übersetzer und gleichzeitig Kreatoren von Services können sie den Bürgern nahelegen, wo die technische Entwicklung tolle, positive Vorteile bringen kann. 

Wir sind nicht mehr in so einer Cowboy-Mentalität, wo jeder alles einfach macht. 

Harald Neidhardt

WIRED: Smart Citys bergen aber auch die Gefahr einer fortschreitenden digitalen Überwachung des Bürgers. Wird das von den Machern thematisiert?
Neidhardt: Das wird nicht nur thematisiert, es wird sogar schon gegengesteuert. Letzte Woche hatte in Hamburg die erste Smart Road Europas Weltpremiere. An der sind Kameras installiert, die zum Beispiel den LKW-Traffic messen. Dabei werden in Echtzeit das Nummernschild und die Windschutzscheibe von dem LKW verpixelt — wie in Google Street View. Du siehst also nicht, wer im Wagen drin sitzt und auch nicht, was auf dem Nummernschild steht. Du weißt aber, ob es ein 7,5-Tonner, ein Crafter oder nur ein Käfer ist. Das ist wiederum wichtig für die Statistik: An einem Tag fahren beispielsweise 500 LKWs, 20 Crafter und 4000 Autos über die Brücke. Das ist ein Unterschied zu einem Tag wie Sonntag, wo vielleicht nur zwei LKWs gezählt werden. In dem Projekt war es wichtig, dass die Personendaten ausgeblendet werden. Es gibt da also schon Lösungen und Leute denken in ihren Projekten an den Datenschutz. Wir sind nicht mehr in so einer Cowboy-Mentalität, wo jeder alles einfach macht. 

WIRED: Du kommst aus der Mobile-Ad-Branche. Smart Cities könnten personalisierte Werbung auch auf öffentlichen Plätzen ermöglichen — jeder, der gerade an einer Werbefläche vorbeigeht, bekommt dann auf ihn zugeschnittene Werbung angezeigt. Hältst du das für realistisch?
Neidhardt: Technisch ist das sicherlich machbar. Ich glaube aber, alle sind sich darüber bewusst, dass man das nicht ungefragt machen kann. Trotzdem glaube ich, dass man da durchaus personalisierte Werbung und Content-Services kreieren kann — am besten gemeinsam mit den Usern. Wir haben diese Stadtmöbel überall und das sind Werbeflächen, die bisher eine Woche lang gleichbleiben. Das Interaktive und die Möglichkeit der Personalisierung könnten einen riesen Schub geben und diese Form der Außenwerbung auch für Werbetreibende spannender machen.

WIRED: Meinst du denn, dass die Nutzer bereit sind, ihre Daten dafür preiszugeben?
Neidhardt: Stell dir vor, du stehst an der Bushaltestelle und hast einen ganz normalen Bildschirm vor dir, der generische Werbung oder Services für alle anzeigt. Da siehst du vielleicht einen Stadtplan und wenn du raufdrückst erscheint Nivea-Werbung. Das ist für alle gleich. Wenn ich aber jetzt mit meiner Smartwatch dahingehe und dem Bildschirm die Daten von meinem Ticket gebe, dann sagt er: „Ah, du willst nach München fahren. Möchtest du einen kurzen Zweiminüter mit Nachrichten aus München sehen? Willst du das Wetter angucken? Oder willst du irgendeinen Special-Arrival-Bonus wenn du ankommst?“ 

WIRED: Und wer seine Daten nicht hergeben möchte, muss nicht?
Neidhardt: Nein. Ich kann mir gut vorstellen, dass beides geht. Wer nicht möchte, dass das Ding zu ihm spricht, bleibt eben anonym und kriegt nur das, was man jetzt auch kennt. Aber Leute, die offen dafür sind, bekommen vielleicht einen Tick bessere Services. Das ist ja ähnlich, wie wenn ich mit einer Navi-App unterwegs bin, die mir einen Unfall und eine Umgehungsmöglichkeit anzeigt. Wenn Leute die gleiche Strecke ohne Navi fahren, fahren sie halt in den Stau rein. 

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