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Willkommen im Zeitalter der Antibiotikaresistenzen!

von Liat Clark
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt: Die lange vorhergesagte Ära der antibiotikaresistenten Keime hat begonnen. Diese Entwicklung „findet genau jetzt in allen Regionen der Welt statt und kann potentiell jeden betreffen“, schreibt die WHO in einem Bericht und spricht von einer „großen Gefahr für die öffentliche Gesundheit“.

Beweise für diese sehr reale und allgegenwärtige Bedrohung finden sich überall. Im Januar erschien in der Zeitschrift Nature Genetics eine Studie über einen russischen Tuberkulosestamm, der durch Mutationen sowohl behandlungsresistent als auch einfacher übertragbar geworden sei. Im vergangenen Jahr warnten australische Wissenschaftler, dass die Resistenzen mittlerweile ein gefährliches Ausmaß erreichen würden und die oberste Gesundheitsberaterin Großbritanniens, Sally Davies, berichtete der Weltgesundheitsversammlung: Es sei unbedingt erforderlich, die Bemühungen auf internationaler Ebene zu koordinieren, wie es auch die WHO fordert. Ansonsten könnten die Sterblichkeitsraten selbst bei Routine-Operationen enorm steigen, denn auch einfache Infektionen mit resistenten Keimen wären nicht mehr behandelbar.

Wir müssen die gängige Praxis bei der Produktion, Verschreibung und Verwendung von Antibiotika ändern.

Keiji Fukuda, WHO

Der WHO-Bericht, „Antimicrobial Resistance: Global Report on Surveillance“ trägt Daten aus 114 Ländern über die sieben häufigsten Bakterienarten zusammen, die für schwere Erkrankungen verantwortlich sind. Er beleuchtet außerdem die regionalen Resistenzniveaus. Dabei wurde festgestellt, dass Resistenzen gegen das Antibiotikum Carbapenem weit verbreitet sind, das zur Behandlung von Darmbakterien verwendet wird. Das ist deshalb schwerwiegend, weil dieses Bakterium für viele der Infektionen mit sogenannten Krankenhauskeimen verantwortlich ist, etwa für Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen. Das gleiche gilt für das Antibiotikum Fluorchinolon, mit dem Harnwegsinfektionen behandelt werden. In vielen Ländern schlägt das Mittel bei über der Hälfte der Patienten nicht mehr an. Außerdem fand die WHO Resistenzen gegen die zur Behandlung von Gonorrhoe eingesetzten Cephalosporine in Europa, Asien, Australien, Afrika und Nordamerika.

 „Ohne ein sofortiges, koordiniertes Vorgehen steuert die Welt auf eine Post-Antibiotika-Ära zu, in der gewöhnliche Infektionen und kleine Verletzungen, die seit Jahrzehnten behandelbar sind, plötzlich ein tödliches Ende nehmen können“, warnt Keiji Fukuda, Assistant Director-General for Health Security bei der WHO. „Wirksame Antibiotika sind ein wichtiges Fundament der modernen Medizin, die uns ein längeres und gesünderes Leben ermöglicht. Wir müssen erhebliche Anstrengungen unternehmen, um Infektionen zu vermeiden und die gängige Praxis bei der Produktion, Verschreibung und Verwendung von Antibiotika ändern. Andernfalls wird dies verheerende Folgen für die öffentliche Gesundheit auf der ganzen Welt haben.“

Der Bericht führt auch seltenere, aber nicht weniger besorgniserregende Resistenzen auf. Beispielsweise werden 3,6 Prozent der neuen Tuberkuloseinfektionen durch multiresistente Keime verursacht. Und in Kambodscha, Myanmar, Thailand und Vietnam wurden Artemisinin-resistente Malariaerreger gefunden.

Dabei wäre es recht einfach gewesen, die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen einzudämmen. Die WHO empfiehlt zum Beispiel, Patienten sollten Antibiotika nur in der vom Arzt verschriebenen Weise einnehmen und sie nicht weitergeben. Außerdem ist allgemein bekannt, dass durch das vorzeitige Absetzen von Antibiotika Bakterien im Körper zurückbleiben können, die möglicherweise Resistenzen ausbilden. Ein weiteres Problem ist der übermäßige präventive Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Die WHO drängt in allen Bereichen auf einheitliche globale Standards.

Außerdem empfiehlt die Organisation, geeignete Methoden zu entwickeln, um das Ausmaß des Problems im medizinischen Bereich und bei der Lebensmittelproduktion und Tierhaltung zu erfassen. Mit diesen Daten könne man wiederum medizinische und ökonomische Vorhersagen treffen. Das bedeute allerdings nicht, dass die schnelle Ausbreitung resistenter Bakterien aufgehalten werden könne. Mit der eher pessimistischen Tonlage ihre Berichts scheint die WHO die Öffentlichkeit in erster Linie auf das Schlimmste vorbereiten zu wollen.

„Antibiotikaresistenzen sind eine weltweite Bedrohung für die öffentliche Gesundheit, sie machen ein gemeinsames Handeln von Regierungen und der gesamten Gesellschaft erforderlich“, heißt es in dem Papier abschließend. „Ein Kontrollsystem, das zuverlässige Daten liefert, ist die wesentliche Grundlage für globale Strategien und Maßnahmen, um die Resistenzen einzudämmen. Das ist dringend erforderlich.“ 

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