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Wie Wissenschaftler den Code des Lebens umschreiben

von Anna Schughart
Mit Hilfe von Codon Recoding wollen Wissenschaftler das Genom von Lebewesen neu schreiben. So könnten Bakterien zum Beispiel resistent gegen Viren werden. WIRED erklärt, wie die Technologie funktioniert.

Wenn man George Church Glauben schenken darf, dann ist Codon Recoding die Technologie, die man 2018 definitiv beobachten sollte. Und es gibt gute Gründe, George Church zu glauben. Ob CRISPR, DNA-Speicher oder synthetische Biologie – Church ist immer vorne dabei, treibt neue Technologien voran. Er will den genetischen Code nicht nur entschlüsseln oder editieren, sondern um- beziehungsweise neu schreiben. So wie beim Codon Recoding.

Unsere DNA besteht aus den vier Nukleinbasen A, G, C und T (in RNA wird T durch U ersetzt). Drei Basenpaare – wie zum Beispiel AAA – bilden ein sogenanntes Codon. Wenn die Basen also die Buchstaben des Lebens sind, dann sind die Codons, die Wörter, die sie ergeben. Sie sagen zum Beispiel: Stopp, hier nicht weiterlesen. Oder: Hier bitte mit Lesen anfangen. Die meisten Codons lassen sich allerdings in eine der 20 Standardaminosäuren übersetzen. Die nacheinander folgenden Codons im genetischen Code zeigen also an, welche Aminosäuren aneinander gebaut werden sollen. So entstehen dann Proteine.

Die Genschere CRISPR/Cas9 hat ein Problem

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von Anna Schughart

Die Natur war beim Design allerdings etwas großzügig: Viele Codons codieren die gleiche Aminosäure. TTA, TTG, CTA, CTG, CTC, CTT zum Beispiel ergeben alle die Aminosäure Leucin. „Diese Redundanz nutzt man beim Codon Recoding aus“, erklärt Church gegenüber WIRED. In dem man zum Beispiel TTA und TTG in eine der vier anderen Codons, die ebenfalls Leucin codieren, umwandelt. TTA und TTG tauchen dann im Genom nicht mehr auf, nur noch CTA, CTG, CTC, und CTT.

Genau das haben Church und seine Forschungsgruppe bei E.coli-Bakterien gemacht. Die Ergebnisse wurden 2016 publiziert. Die Forscher tauschten dabei insgesamt sieben Codons aus und reduzierten so ihre Zahl von 64 auf 57. Dazu mussten sie 62.214 Basenpaare im Genom der Bakterien verändern. Den Bakterien erging es damit erstaunlich gut. Doch was nutzt der großflächige Codon-Tausch?

Er könnte die Bakterien beispielsweise sicher vor Viren machen. Denn unter anderem in Molkereien können Viren, die Bakterien infizieren, großen Schaden anrichten. Dazu muss man verstehen, wie DNA in Proteine übersetzt wird. Erst mal braucht dieser Prozess eine sogenannte mRNA, eine einsträngige Kopie eines DNA-Abschnitts. Sie enthält die Codon-Reihenfolge für das gewünschte Protein. Da die mRNA einsträngig ist, kann an ihre Codons passende sogenannte tRNA binden. Die tRNA hat dann wiederum die jeweils zum Codon passende Aminosäure im Gepäck. Einfach gesagt: Die mRNA hat den Bauplan, die tRNA bringt die jeweiligen Aminosäuren an Ort und Stelle, wo sie miteinander verbunden werden.

Für die sechs Leucin-Codons gibt es drei verschiedene tRNAs. Eine tRNA passt also auf zwei Codons. Wenn man jetzt die Zahl der Codons auf vier reduziert, hat die tRNA, die für die beiden gestrichenen Codons zuständig war, keine Aufgabe mehr. „Sie wird unnötig und kann entfernt werden“, sagt Church. Das entsprechende tRNA-Gen kann aus dem genetischen Code gestrichen werden.

Für die Bakterien ist das weniger ein Problem. Schließlich wurden die Codons ja durch ihre Synonyme ersetzt. Anders für ein Virus, das davon abhängig ist, dass die Zelle seinen genetischen Code übersetzt: „Beinahe jedes Gen in jedem Virus ist von jeder tRNA des Wirts abhängig“, sagt Church. „Wenn man ein tRNA-Gen aus dem Wirt eliminiert, wird jedes Gen in jedem Virus defekt.“

Das Besondere: So kann man einen Organismus nicht nur vor bekannten, sondern auch vor noch unbekannten Viren schützen. Und dass nicht nur bei Bakterien: Wissenschaftler könnten zum Beispiel virenresistente Schweine züchten, deren Organe man dann für Transplantationen nutzen würde, schlägt Church vor.

Oder man nutzt das Codon Recoding, um Proteine aus mehr als den 20 Standardaminosäuren herzustellen. Dazu ordnet man den redundant gewordenen Codons neue, nichtkanonische Aminosäuren zu. Die Proteine hätten dann ganz neue Eigenschaften. Sie wären zum Beispiel stabiler. Indem man das Genom von Bakterien umschreibe, könne man ihre Nützlichkeit dramatisch erweitern, sagt Church. 2018, hofft Church, wird die Recoding-Technologie wichtige Fortschritte machen – man sollte sie im Auge behalten.

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