Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

So ticken die Verschwörungstheorie-Fans bei Facebook und Co.

von Katharina Brunner
Fast jeder hat sie in der Timeline: Menschen, die an Chemtrails glauben oder Impfungen verteufeln. Wissenschaftler haben nun das italienische Facebook ausgewertet, um zu verstehen, wie sich Verschwörungstheorien in sozialen Medien verbreiten.

Glücklich sind die, deren Facebook-Freunde einigermaßen rationale Geschöpfe sind, deren Ausschweifungen sich im Rahmen alltäglicher Aufregungen bewegen. Schwieriger wird es, wenn der Klassenkamerad aus der Grundschule auf den neuesten Verschwörungstrend abfährt, Chemtrails zum Beispiel.

Solche Leute haben sich Forscher aus Italien nun genauer angesehen. Um herauszufinden, wie sich die falschen Informationen in sozialen Netzwerken verbreiten. Dazu haben sie das sogenannte User Engagement bei Facebook untersucht. Dieser Begriff, den zum Beispiel Marketing-Menschen gern verwenden, bezeichnet bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken, alles, was nicht bloßes Betrachten ist: Liken, Sharen, Verlinken, Kommentieren.

Vier Themen beschäftigen Verschwörungs-Fans: Umwelt, Ernährung, Gesundheit und Geopolitik.

Von 39 italienischen Facebook-Seiten, auf denen sich Verschwörungstheoretiker austauschen, haben sich die Forscher eine ganze Menge Daten besorgt: über 200.000 Posts, mehr 6,5 Millionen Likes und Inhalte, die öfter als 16 Millionen mal geteilt wurden. Vier Themenbereiche beschäftigen Anhänger von Verschwörungstheorien demnach besonders: Umwelt, Ernährung, Gesundheit und Geopolitik. Um sie zu identifizieren, benutzten die Forscher eine Kombination aus automatischer Auswertung und menschlicher Einschätzung.

Um mehr über die Nutzer herauszufinden, mussten die Wissenschaftler erst einmal definieren, wer auf Komplotte steht. Ihr Maßstab: Wer mindestens 95 Prozent seiner Likes auf Verschwörungsseiten vergeben hat und nur höchsten fünf Prozent auf Wissenschaftsseiten, qualifiziert sich für die Untersuchung. Insgesamt fallen mehr 230.000 Personen in dieses Raster. Und die meisten von ihnen stehen auf Geopolitik: 60 Prozent von ihnen befassen sich mit Theorien über Krieg, Frieden und das große Geld. Im Vergleich dazu sind ihnen die Umwelt, Gesundheit und Ernährung geradezu unwichtig.

Wer der Nahrungsindustrie misstraut, glaubt auch, dass 300 Jahre des Mittelalters frei erfunden sind.

Geopolitik-Fans stellen nicht nur die größte Fraktion der Verschwörungstheoretiker, sie sind auch am hartnäckigsten: Zwischen dem ersten und den letzten Kommentar auf einen Post können in diesem Bereich auch schon mal 800 Tage liegen. „Nutzer, die sich vor allem auf Geopolitik eingeschossen haben, sind in den Kommentaren besonders ausdauernd“, schreiben Alessandro Bressi und seine Kollegen. Relativ kurzatmig dagegen sind die Diskussionen um die Gesundheit.

Die dritte Erkenntnis: Wer der Nahrungsmittelindustrie misstraut, glaubt auch mit höherer Wahrscheinlichkeit daran, dass 300 Jahre des Mittelalters vollkommen erfunden sind. „Nutzer können von einem Thema zu einem anderen springen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, steigt damit, wie aktiv sie sind“, heißt es im Aufsatz zur Studie.

 

Je aktiver jemand ist, desto mehr hat die Person das Zeug zum Streber unter den Verschwörungstheoretikern — und bringt sich in allen vier Bereichen ein. Jeder Like zu einem Thema macht es in diesem konkreten Modell um zwölf Prozent wahrscheinlicher, auch in anderen Gebieten ein „Gefällt mir“ zu hinterlassen. Die Forscher interpretieren das so: „Sie sind vor allem von ihrer generellen Hingabe zu Verschwörungsgeschichten getrieben. Und mit steigendem Engagement neigen sie dazu, den gesamten Komplex ohne spezielles Muster zu umfassen“.

Anhänger von Verschwörungstheorien zeigen bestimmte Verhaltensmuster? Kann das wirklich sein? Das steckt doch bestimmt Facebook dahinter und manipuliert die Daten. Ganz bestimmt. 

GQ Empfiehlt