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Stephen Quake will für den Facebook-Chef das Ende aller Krankheiten finden

von Anna Schughart
Mark Zuckerberg und Priscilla Chan investieren drei Milliarden Dollar in den Kampf gegen alle Krankheiten. 600 Millionen davon gehen an Biohub. Was die Organisation mit dem Geld machen will, wie ein menschlicher Zellatlas helfen könnte, Krankheiten zu besiegen und ob Wissenschaft und Silicon Valley zusammenpassen, darüber spricht WIRED mit dem Biohub Co-President Stephen Quake.

Im September kündigten Mark Zuckerberg und Priscilla Chan an, in den kommenden zehn Jahren drei Milliarden Dollar in ein ehrgeiziges Ziel zu stecken: bis 2100 wollen sie alle Krankheiten entweder heilen, verhindern oder managen können. Eines der ersten Projekte von Chan Zuckerberg Science: Die Gründung von Chan Zuckerberg Biohub. Das Hub vernetzt drei berühmte Forschungseinrichtungen miteinander: Stanford, die University of California in San Francisco und Berkeley. Sie sollen gemeinsam an neuen Technologien forschen.

Chan und Zuckerberg sind nicht die einzigen Tech-Millionäre, die ihr Geld in die Wissenschaft stecken. Das Silicon Valley wird zunehmend zum Mäzen der Wissenschaft. Im April verkündete auch Napster-Mitbegründer und Facebook-Berater Sean Parker, dass er 250 Millionen Dollar in die Krebsforschung investieren und das Parker Institute for Cancer Immunotherapy gründen werde.

Wie sinnvoll ist es aber, wenn private Organisationen eigenmächtig und ohne Kontrolle von außen in der Gesundheitssforschung arbeiten? Sollten Bill und Melinda Gates oder Zuckerberg und Chan wirklich lieber ihre eigene Initiativen gründen, anstatt an schon bestehende Organisation zu spenden?

„Ich bin sehr dankbar für die Großzügigkeit der Menschen im Valley. Sie könnten ihr Geld für sehr viel egoistischere Zwecke ausgeben“, sagt Stephen Quake. Er ist Professor in Stanford, Erfinder, Unternehmer und außerdem Co-President von Chan Zuckerberg Biohub. Im WIRED-Interview spricht er über die Macht des Gründer-Geldes in der Forschung.

WIRED: Bei Initiativen wie Ihrer können reiche Tech-Millionäre aus dem Silicon Valley bestimmen, woran geforscht wird. Sollte das nicht besser die Öffentlichkeit entscheiden?
Quake: Im Prinzip tut sie das. Mark Zuckerberg und Priscilla Chan haben sich verpflichtet, in den nächsten zehn Jahren drei Milliarden Dollar an Chan Zuckerberg Science zu zahlen. Das ist eine ganze Menge Geld. Aber allein die National Institutes of Health (NIH) werden in diesem Zeitraum mehr als das Hundertfache ausgeben. So wird der mit Abstand größte Anteil an Wissenschaftsfinanzierung durch öffentliche Mechanismen geregelt. Die Philanthropie, so machtvoll sie ist, steht da in keiner Konkurrenz.

WIRED: Wenn drei Milliarden Dollar vergleichsweise wenig sind, ist dann das Ziel, alle Krankheiten bis 2100 zu heilen, zu managen oder zu verhindern nicht ein bisschen hoch gegriffen?
Quake: Fragen Sie noch mal in zehn Jahren! In seiner Ankündigung hat Mark sehr realistisch dargelegt, dass eines der Ziele auch der Druck auf Regierungen ist, verstärkt in die Wissenschaft zu investieren. Er versteht sehr klar, dass sein Investment alleine das Problem nicht lösen wird. Aber es kann ein Ausgangspunkt sein.

WIRED: Welche Aufgabe übernimmt Biohub denn ab sofort im Kampf gegen alle Krankheiten?
Stephen Quake: Wir sollen Werkzeuge und Techniken erfinden und die wissenschaftlichen Entdeckungen machen, die der Chan Zuckerberg Initiative helfen, ihre Mission zu verwirklichen. Wir machen keine klinischen Studien und entwickeln auch keine Medikamente.

WIRED: Sondern?
Quake: Wir arbeiten mit den drei großen Forschungseinrichtungen in der Bay Area zusammen. Wir wollen diese drei Forschungseinrichtungen miteinander verbinden und von den phänomenalen Wissenschaftlern, Studenten und Mitarbeitern, die dort arbeiten, profitieren.

WIRED: Und wie genau sieht diese Zusammenarbeit aus?
Quake: Biohub hat 600 Millionen Dollar bekommen, die wir in den nächsten zehn Jahren ausgeben können. Ein Drittel davon ist für die Forschung in diesen drei Einrichtungen. Wir haben einen Wettbewerb gestartet, der es den Universitätsmitarbeitern erlaubt, an ihren riskantesten und aufregendsten Ideen zu arbeiten. Außerdem ermöglichen wir ihnen Zugang zu den neusten, innovativsten Technologien. Und wir werden auch eigene wissenschaftliche Projekte im Hub haben. Sie beschäftigen sich mit zwei Themen: dem Human Cell Atlas und der Infectious Disease Initiative.

WIRED: Die Idee eines Human Cell Atlas, in dem alle Zellarten und ihre Aufgaben verzeichnet sind, gibt es ja schon länger. Warum beteiligt sich Biohub jetzt an dem Projekt?
Quake: Ich würde sagen, seit etwa einem Jahrzehnt arbeiten eine Vielzahl von Forschungsgruppen an Werkzeugen, mit denen man das Genom und das Transkriptom einzelner Zellen analysieren kann. Meine Gruppe ist auf dem Gebiet auch führend. Mittlerweile sind diese Werkzeuge bereit, unsere Biologie zu revolutionieren. Die Zeit ist jetzt reif, um etwas Großes zu tun.

WIRED: Sind die menschlichen Zellen nicht bereits gut erforscht?
Quake: Es gibt viel, das wir noch nicht über Zellen wissen. Sie sind die grundlegenden Einheiten des Lebens. Viele Krankheiten entstehen dadurch, dass etwas in der Zelle falsch reguliert wird oder auf Zellebene außer Kontrolle gerät.

WIRED: Wie hilft da ein Zellatlas weiter?
Quake: Je besser wir die Zellen verstehen, desto besser können wir sie so manipulieren. So können wir ihnen helfen, auf der Spur zu bleiben. Aus einer grundlegenden wissenschaftlichen Perspektive gesehen, wird ein Zellatlas unglaublich viel Aufschluss darüber geben, wie Gewebe und der Körper funktionieren.

WIRED: Gibt es auch praktische Anwendungen?
Quake: Ein Human Cell Atlas wird uns viel über menschliche Krankheiten verraten: Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit – die Liste lässt sich fortsetzen. Er wird uns helfen, zu verstehen, wie diese Krankheiten funktionieren und – indem wir neue therapeutische Ziele finden – wie wir sie behandeln können.

WIRED: Sie erwartet viel Arbeit. Wann wird der Zellatlas fertig sein?
Quake: Hoffentlich haben wir in fünf Jahren einen groben Entwurf. Wir sind noch immer in der Planungsphase. Ich denke, dass das Projekt aber exzellenten Gebrauch von den Biohub-Ressourcen macht, und dass unsere Anstrengungen zu einer globalen Zusammenarbeit führen werden.

WIRED: Warum haben Sie sich entschieden, bei Biohub einzusteigen?
Quake: Für mich ist das die Möglichkeit, etwas zurückzugeben. Zum Beispiel an der Universität dafür zu sorgen, dass einige der aufregendsten und innovativsten Forschungsprojekte finanziert werden. Es ist sehr schwer, staatliche Unterstützung zu bekommen, wenn die eigene Arbeit noch nicht bewiesen ist. Philanthropen neigen dazu, etwas risikotoleranter zu sein als Regierungen. Es ist also eine sehr natürliche Partnerschaft.

WIRED: Kann man denn mit der gleichen Silicon-Valley-Startup-Mentalität an die Forschung gehen, mit denen Mark Zuckerberg und andere ihre Unternehmen aufgebaut haben?
Quake: Die beiden Bereiche sind schon unterschiedlich, aber sie haben auch Gemeinsamkeiten. Biohub befindet sich gerade im Startup-Modus. Wir stellen Leute ein und versuchen, das Ganze zu einer produktiven Organisation zu entwickeln. Das ist ja genau das, was Startups machen.

WIRED: Werden die Ergebnisse, die Biohub erzielt, denn für alle frei zugänglich sein oder wird Biohub sie patentieren und kommerzialisieren?
Quake: Beides. Das ist ja nicht unvereinbar. Alle Ergebnisse, die wir erzielen, werden wir in Open-Access-Journals veröffentlichen und alle Daten, die wir generieren, öffentlich zur Verfügung stellen. Aber wir werden es unseren Forschern ermöglichen, ihre Erfindungen zu patentieren, sodass sie vermarktet werden können.

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