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Diese App soll uns alle zu Astronauten machen

von Anna Schughart
Wer Astronaut werden will, hat einen harten Weg vor sich – oder trainiert bald einfach per App. Das finnisches Unternehmen Cohu Experience will den Traum vom All für jeden greifbar machen. WIRED sprach mit dem CEO.

Kalle Vähä-Jaakkola ist gerade aus den USA zurückgekommen, wo er mit Politikern und Wissenschaftlern gesprochen hat. Jetzt sitzt der CEO von Cohu Experience in der finnischen Abendsonne, auf dem Pulli der Aufdruck „Space Nation“, und erzählt von den großen Plänen seiner Firma für 2017. Im Herbst diesen Jahres beginnt das Space Nation Astronaut Program.

Die Idee: Mit einer Game-App kann jeder die Fähigkeiten trainieren, die ein Astronaut haben muss. Der Clou: Nach einem mehrstufigen Auswahlprozess fliegt ein Gewinner tatsächlich ins All. Spätestens 2019 soll es den ersten suborbitalen Flug geben, später – so der Plan – werden die Gewinner in den Erdorbit und darüber hinaus geschickt.

Für die Vision von der Space Nation hat sich Cohu Experience Unterstützung geholt: Zum Team gehören Menschen, die am finnischen Exportschlager Angry Birds mitgearbeitet haben, für HBO tätig waren oder bei CNN. Sie sollen den Weltraum zum popkulturellen Phänomen machen. Im Februar sammelte Cohu Experience nach wenigen Minuten eine Millionen Euro durch Crowdfunding ein.

WIRED: Herr Vähä-Jaakkola, Was ist Space Nation?
Kalle Vähä-Jaakkola: Eine neue Nation, die wir erschaffen. Wir leben in einer Zeit, in der der Orbit um die Erde kommerzialisiert ist, und in der wir zurück zum Mond, zum Mars und noch weiter gehen werden. Und dieses Mal nicht, um dort Flaggen aufzustellen, sondern um zu bleiben. Das vereint die Welt. Astronauten berichten vom Overview-Effekt: Aus der Ferne sehen sie die Welt als eine Nation, ohne Grenzen. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir alles erreichen. Das ist die philosophische Grundlage auf der wir eine Space Nation aufbauen wollen.

WIRED: Und konkret heißt das für Sie: Jeder Mensch kann zum Astronauten werden?
Vähä-Jaakkola: Momentan sind die meisten Menschen noch passive Zuschauer. Du siehst, wie Elon Musk oder Jeff Bezos diese inspirierenden Dinge tun, aber du kannst nur darüber lesen, zuschauen und kommentieren. Wir wollen die Lücke zwischen dem, was passiert, und dir und mir schließen. Das heißt, konkrete Wege schaffen, damit jeder teilhaben kann. Unser erstes globales Projekt ist das Space Nation Astronaut Program, mit dem jeder Mensch auf der Welt ein Astronautentraining machen kann und dann auch die Chance hat, tatsächlich ins All zu fliegen.

Du brauchst keinen Doktor und musst kein Supermensch sein, um mitzumachen

Kalle Vähä-Jaakola

WIRED: Per App zum Astronauten also?
Vähä-Jaakkola: Mit der App kann man alle Aspekte, die für einen Astronauten wichtig sind, trainieren. Wir wählen die besten Kandidaten aus, die in ein zweiwöchiges Bootcamp dürfen. Danach haben wir zwölf Finalisten und Finalistinnen, die noch einmal zwölf Wochen Training machen. Wer am Ende gewinnt, fliegt ins Weltall.

WIRED: Die App wird im Herbst veröffentlicht, aber was man davon schon jetzt auf Ihrer Homepage sehen kann, sieht aus wie eine Mischung aus Fitness- und Quizz-App.
Vähä-Jaakkola: Es wird ganz viele verschiedene Spieldynamiken geben. Es gibt Aspekte, die ähnlich wie Pokémon Go auf Augmented Reality basieren und dann mit Fitness oder logischem Denken kombiniert werden. Die Aufgaben werden je nach den Voraussetzungen schrittweise schwieriger. Und dann gibt es Herausforderungen, bei denen man die Fähigkeiten, die man erworben hat, anwenden muss. Das alles basiert auf dem echten Astronautentraining der NASA und in Teilen auch der ESA.

WIRED: War die NASA auch in den Entwicklungsprozess eingebunden?
Vähä-Jaakkola: Ja, wir haben ein sehr diverses Team. Neben Astronautenausbildern haben unter anderem auch Gamedesigner, Lern- und Coaching-Experten sowie Story-Entwickler mitgearbeitet.

WIRED: Aber sollte, wer Astronaut werden will, nicht besser den klassischen Weg gehen?
Vähä-Jaakkola: Wenn du heute ein Astronaut sein willst, muss du entweder Amerikaner sein oder aus einem bestimmten europäischen Land kommen. Der Auswahlprozess ist extrem hart. Wir geben dagegen jedem Menschen auf der Welt die Chance: Auch wenn die Fähigkeiten und Qualifikationen die selben sind, brauchst du keinen Doktor oder musst ein Supermensch sein. Mit der App suchen wir nach Menschen von überall, die sich weiterentwickeln wollen und Motivation zeigen. Man denkt immer, dass Astronauten super fit sein müssen, aber logisch oder kreativ Probleme lösen, neue Dinge lernen und anwenden und vor allem Teamwork, das wird in Zukunft wichtiger sein.

Unsere Finalisten werden nicht nur die Aussicht genießen, sondern richtige Crewmitglieder sein

Kalle Vähä-Jaakkola

WIRED: Sind die Gewinner am Ende nicht eher Weltraumtouristen als Astronauten?
Vähä-Jaakkola: Nicht wirklich. Tourismus bedeutet ja eher Freizeit, Müßiggang. Unsere Finalisten werden richtige Arbeit verrichten, etwa Forschung oder Wartung. Sie werden nicht nur die Aussicht genießen, sondern im Endeffekt richtige Crewmitglieder sein.

WIRED: Sie planen, das Training der zwölf Finalistinnen und Finalisten zu filmen. Wie wird das aussehen?
Vähä-Jaakkola: Es ist ein Selektionsprozess, an dessen Ende der beste Kandidat steht. Wir filmen den Prozess und verbreiten ihn über unsere App, soziale Medien und ausgewählte Partner. Damit reagieren wir darauf, wie Menschen heutzutage Medien nutzen. Jeder kann teilhaben wie er will. Man kann passiv längere Episoden anschauen oder extrem aktiv partizipieren, in dem man selbst mitmacht oder einen anderen Kandidaten unterstützt.

WIRED: Klingt nach Realtity-Show.
Vähä-Jaakkola: Ich denke, der größte Unterschied ist das Thema. Es geht um positive Ermutigung und Teamarbeit. Die Spannung kommt daher, dass sich die Teilnehmer selbst überwinden müssen. Reality-Shows sind künstlich, unproduktiv und darauf ausgelegt, dass sich die Teilnehmer gegenseitig in den Rücken fallen. Wir produzieren eine Dokumentation, die dem Zuschauern auch etwas über die Prozesse beibringt.

WIRED: Wie wird denn der Gewinner ermittelt?
Vähä-Jaakkola: Es gibt ein paar Abstimmungen und bis zum Schluss haben zum Beispiel Mobile-Challenger noch die Möglichkeit, Teil des Wettbewerbs zu werden. Der beste Kandidat wird allerdings von einer Jury aus Experten ausgewählt. Nicht so wie bei American Idol oder The Voice.

Was der Weltraumindustrie fehlt, ist der Konsument

Kalle Vähä-Jaakola

WIRED: Nachdem das All schon von vielen neuen kommerziellen Akteuren entdeckt wird, überwindet Space Nation jetzt auch die Grenze zur Unterhaltung?
Vähä-Jaakkola: Ja. Wir reden viel über die Triple-E-Strategy: Educational, Entrepreneurial, Entertainment. Alles, was man macht, braucht eine Bildungskomponente (Anm. d. Redaktion: educational) und einen unternehmerischen Aspekt (Anm. d. Redaktion: entrepreneurial), der sich mit dem Pioniergeist verbindet. Aber um das zu erreichen, braucht es die Unterhaltung (Anm. d. Redaktion: entertainment). Deshalb musste es ein Spiel sein, das Spaß macht, ohne dass man an Selbstoptimierung und Weltall denkt.

WIRED: Was ist die Rolle von Space Nation gegenüber Weltraumagenturen und Unternehmen?
Vähä-Jaakkola: Was der Weltraumindustrie fehlt, ist der Konsument. Es gibt einen Mangel an Designern, die über User Experience nachdenken. Aber das ist nötig, damit wir diese inspirierende Zukunft mit allen teilen können.

WIRED: Und damit sich mit dem Weltall tatsächlich Geld verdienen lässt.
Vähä-Jaakkola: Genau. Wenn wir aus dem All ein Phänomen in der Größe von Angry Birds machen und viele Menschen involviert sind, ist das eine treibende Kraft für die ganze Weltraumindustrie. Das gilt für die Weltraumagenturen genauso wie für die Unternehmen. Die Nachfrage, ob es sich jetzt um Weltraumtourismus oder andere Unternehmen handelt, wird davon profitieren.

WIRED: Sind Weltall-Medienunternehmen also ein wachsender Sektor?
Vähä-Jaakkola: Ganz bestimmt und es wird Dinge geben, die wir jetzt noch gar nicht voraussagen können. Ein ganzer Haufen von Space-Startups wird sich nur auf Konsumenten konzentrieren, statt Raketen oder andere Technologien herzustellen. Auch bei uns geht es ja nicht nur um das Astronautenprogramm, sondern wir wollen eine Space Nation schaffen.

WIRED: Wie stellen Sie sich das vor?
Vähä-Jaakkola: Wenn wir eine Nation sind, die ins All aufbricht, müssen wir über Werte oder Ideen dieser Nation sprechen. Aus diesem Grund schaffen wir ein National Space Science und Government Board, mit Topwissenschaftlern und früheren Regierungsmitgliedern. Wir sehen uns nicht als Konkurrenten zu SpaceX, Blue Origin oder den Weltraumagenturen. Wir denken, dass wir eher als vereinende Kraft wirken. Damit das funktioniert, müssen wir ein inspirierendes Phänomen schaffen, an dem hunderte Millionen Menschen teilhaben.

WIRED: Sie klingen ziemlich überzeugt, Millionen von Menschen erreichen zu können.
Vähä-Jaakkola: Diese Überzeugung kommt daher, dass das Weltall einfach in uns eingebaut ist. Man vergisst das, wenn man erwachsen wird und denkt, dass das All kalt und weit weg ist. Wir glauben, dass wir diese Inspiration, die wir als Kinder hatten, wieder entzünden können und wollen das All de-mystifizieren. Außerdem haben wir Daten, Marktforschung und andere langweilige Sachen auf die wir uns stützen können.

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