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Warum Wissenschaftler die Sonnenfinsternis mit Flugzeugen verfolgen

von Anna Schughart
Am Montag verdunkelt sich in Teilen der USA die Sonne komplett. Eine besonders gute Gelegenheit für Schaulustige und Wissenschaftler, denn selten ist dieses Ereignis so gut über Land zu beobachten. Die NASA allerdings setzt Flugzeuge an, um besonders lange etwas von der Eklipse zu haben. Im Blick ihrer Teleskope: die mehrere Millionen Grad heiße Korona.

Kurz vor der Sonnenfinsternis am Montag ist Amir Caspi mit Vorbereitungen beschäftigt. Denn obwohl eine totale Eklipse an sich relativ gesehen nichts Besonderes ist – diese ist es irgendwie schon. Wenn sich der Mond so vor die Sonne schiebt, dass er das Sonnenlicht verdeckt, ist meistens kaum jemand da, um das zu sehen. Doch am Montag wandert der Mondschatten nicht über einen Ozean oder einen dünn besiedelten Landstrich, sondern quer durch den Himmel über den USA. Für Wissenschaftler ist das ideal: „Es ist einfacher und billiger, wissenschaftliches Equipment zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen“, sagt Caspi, Astronom am Southwest Research Center.

Zahlreiche Forscher sind entschlossen, diese Gelegenheit gut zu nutzen. Sie werden unter anderem versuchen, eine Temperaturkarte der Sonnenkorona zu erstellen. Und sie werden mit Satelliten Aufnahmen aus dem All machen. Universitäten, Schüler und andere „Citizen Scientists“ wollen mit Teleskopen tausende Bilder von der verdunkelten Sonne aufnehmen. Ein anderes Projekt ruft Sonnenfinsternis-Beobachter dazu auf, Radiowellen zu messen. Und Caspi? Der setzt zwei Flugzeuge auf die Sonnenfinsternis an.

Im Zentrum der meisten Experimente steht dabei die Sonnenkorona. Sie ist der äußere Teil der Sonnenatmosphäre und „verhält sich auf eine Weise, die wir noch nicht ganz verstehen“, sagt Caspi im Gespräch mit WIRED. Die Sonnenkorona hat nur eine geringe Dichte, aber sie ist extrem heiß. Während an der Oberfläche der Sonne Temperaturen von etwa 6000 Grad herrschen, kann die Korona mehrere Millionen Grad heiß werden, erklärt Caspi. Warum? Dafür gibt es viele Theorien, aber noch keine endgültige Erklärung.

An einem normalen Tag ist die Korona nicht sichtbar. Das Licht der Sonne überstrahlt sie einfach. Wissenschaftler nutzen deshalb zu ihrer Erforschung sogenannte Koronografen, Teleskope, die das Sonnenlicht mithilfe einer Scheibe ausblenden. Doch wirklich ideal sind diese Apparaturen nicht. „Sie schaffen keine klaren, sauberen Schatten“, sagt Caspi. Der Mond macht da einen deutlich besseren Job. Deshalb ist eine Sonnenfinsternis eine so gute Gelegenheit, um Daten zu sammeln und Theorien zu testen.

Wenn wir das Weltraumwetter verstehen wollen, müssen wir bei der Korona anfangen

Amir Caspi

Denn zu wissen, wie die Korona funktioniert, ist nicht ganz unwichtig. „Sie ist die Quelle von Sonneneruptionen“, sagt Caspi. Wenn die Sonne dabei Unmengen an Partikeln ausstößt, die in Richtung Erde strömen, kann das gefährlich für Satelliten oder Astronauten werden. Die Solarstürme können dabei unter anderem GPS-Störungen verursachen, Auswirkungen auf die Energieversorgung haben oder Rund- und Mobilfunk stören. Wenn wir das Weltraumwetter verstehen und vielleicht auch besser prognostizieren wollen, müssen wir deshalb bei der Korona anfangen, sagt Caspi.

„Wir wissen, dass die Korona sich erhitzt, weil sie die Energie nicht schnell genug los wird“, sagt Caspi. Aber woher kommt die Energie überhaupt? Normale Energieübertragung wie Strahlung, Leitung oder Konvektion funktioniert dort nicht sehr gut, weil die Korona so dünn ist, erklärt Caspi. Die beiden Flugzeuge, die er in Kooperation mit der NASA zur Sonnenfinsternis schickt, sollen helfen, das Rätsel zu lösen. Dazu haben sie jeweils zwei Teleskope an Bord. Eines nimmt ein „High Definition, High Speed“-Video von der Sonnenfinsternis auf. „Dann analysieren wir jeden einzelne Frame“, erklärt Caspi.

Er ist dabei auf der Suche nach Wellen. Durch das magnetische Feld der Korona können sich Wellen ziehen, die Energie transportieren. „Sie müssen sich das wie bei einer Mikrowelle vorstellen“, sagt Caspi. Die Mikrowelle erhitzt Lebensmittel mit Hilfe von Wellen, die die Wassermoleküle im Essen zum Schwingen bringen. Bei der Korona steckt im Prinzip die gleiche Idee dahinter: Die Wellen im Magnetfeld können Energie transportieren, die sich als Hitze zerstreuen kann.

In den Aufnahmen der High-Speed-Kameras hält Caspi deshalb Ausschau nach diesen Wellen oder Kräuselungen, misst ihre Richtung, ihre Größe und Geschwindigkeit. So will er herausfinden, wie sie entstehen und wie viel Energie sie tatsächlich mit sich tragen. Ist es genug, um die Korona so stark zu erhitzen?

Die zweite Kamera an Bord macht Infrarotaufnahmen. Bisher ist nämlich unklar, wie viel Infrarotstrahlung die Korona aussendet. Mit dem Infrarotteleskop beobachten die Wissenschaftler außerdem den Merkur. Der Planet ist nie weit von der Sonne entfernt – und deshalb normalerweise schwer zu beobachten. Die Sonnenfinsternis macht das leichter. Caspi interessiert sich dabei vor allem für die Temperaturen auf dem Planeten. Beziehungsweise, wie lange der Übergang von der extremen Tageshitze zur extremen Nachthitze dort dauert. Aus diesen Informationen lässt sich ableiten, aus welchem Material die Oberfläche des Merkurs ist. (So wie nach einem heißen Tag am Strand der Sand schneller abkühlt als die Steine.)

Weil die Flugzeuge langsamer als der Mondschatten sind, fliegen sie in einem Abstand von etwa hundert Kilometern hintereinander. Während für Zuschauer, die sich auf der Erde ihre speziellen Sonnenbrillen aufsetzen, die Sonnenfinsternis nach etwa zwei Minuten und 40 Sekunden vorbei ist, zeichnen die Flugzeuge so rund sieben Minuten und 30 Sekunden Filmmaterial auf.

In Deutschland wird die totale Sonnenfinsternis nicht zu sehen sein. Doch das Eclipse Ballooning Project organisiert einen ganz besonderen Livestream: Mehrere dutzende Ballons werden die Sonnenfinsternis aus großer Höhe – sozusagen vom Rande des Weltalls – streamen.

Caspi wird seine erste totale Sonnenfinsternis nur auf dem Bildschirm verfolgen. Er ist in Houston, wo die Flugzeuge landen und starten. Ein bisschen traurig sei das schon, gibt er zu, aber im Austausch für spannende Wissenschaft fair.

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