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Rufen oder lauschen? Der Streit um die Suche nach Aliens

von Anna Schughart
Sollte die Menschheit Nachrichten in den Weltraum schicken und hoffen, dass sie von intelligenten Außerirdischen empfangen werden? Oder ist es sicherer, erst mal nur ins All hineinzuhören? Die Debatte um METI oder SETI – rufen oder lauschen – ist in der Weltraumforschung neu entbrannt.

Du betrittst eine Stadt, niemand ist zu sehen. Vielleicht gibt es hier Bewohner, vielleicht auch nicht. Wie findest du es heraus? Stellst du dich auf den Marktplatz und rufst: „Hallo, ist da jemand?“ Oder bist du erst mal still und lauschst? Was, wenn du dir nicht sicher sein kannst, ob die Bewohner dir wohlgesinnt sind? „Ich erkunde einfach vorsichtig die Umgebung“, denkst du. Problem gelöst.

Für die Menschheit auf der Suche nach Außerirdischen ist das nicht wirklich eine Option. Sie wird wohl in absehbarer Zeit auf die Erde und ihre – in astronomischen Maßstäben – nähere Umgebung beschränkt sein. Wissen, ob es irgendwo in den Weiten des Alls intelligentes Leben gibt, würden viele trotzdem gern. Also bleiben nur zwei Optionen: rufen oder lauschen. Oder wie es die Wissenschaft ausdrückt: Messaging to Extraterrestrial Intelligence (METI) oder Search for Extraterrestrial Intelligence (SETI).

Bisher war vor allem SETI das Mittel der Wahl. Dahinter verbergen sich verschiedene Forschungsprojekte, die unter anderem mit Hilfe von großen Radioteleskopen elektromagnetische Frequenzen nach Hinweisen auf Aliens durchforsten. 2015 spendete der Unternehmer Juri Milner im Zuge der Breakthrough Initiatives 100 Millionen Dollar für die SETI-Forschung. Das Projekt Breakthrough: Listen soll die bisher größte Suche nach außerirdischer Intelligenz ermöglichen: Es würden viel größere Bereiche des Himmels, in viel mehr Frequenzen des Spektrums und in viel schnellerer Zeit als bei bisherigen Projekten untersucht, heißt es auf der Website.

Vielleicht wäre schon unsere Kühnheit genug, um den Außerirdischen eine Antwort zu entlocken

Douglas Vakoch, Präsident von METI International

Doch vielen Wissenschaftlern reicht die passive Suche nicht. Zu ihnen gehört Douglas Vakoch. Er ist der Präsident von METI International, einer Organisation, die vor etwas mehr als einem Jahr gegründet wurde und dafür gesorgt hat, dass METI in den vergangenen Monaten wieder heiß diskutiert wurde. „Wir konzentrieren uns in der Suche nach intelligentem Leben auf Gebiete, die von anderen Forschern, die an SETI beteiligt sind, bisher eher vernachlässigt wurden“, erklärt Vakoch gegenüber WIRED.

Dazu gehört – neben der Verwendung kleinerer Teleskope – unter anderem auch, dass man nicht nur wartet, bis man vielleicht mal ein Alien-Signal aufschnappt, sondern aktiv Nachrichten in den Weltraum sendet. „Der Hauptgrund dafür, bewusst Signale an andere Welten zu schicken, ist, dass wir sie wissen lassen wollen, dass wir bereit sind, Kontakt aufzunehmen und dass wir die Initiative ergreifen“, sagt Vakoch. „Vielleicht wäre schon unsere Kühnheit als junge Zivilisation, die bereit ist, die Hand auszustrecken, genug, um ihnen eine Antwort zu entlocken.“

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Nicht, dass man das noch nie getan hätte. Mit die bekannteste Botschaft an Außerirdische sind die Voyager Golden Records, auf denen verschiedene Bild- und Audiodateien gespeichert sind, zum Beispiel das Geräusch des Winds oder Begrüßungsbotschaften in mehr als 50 Sprachen. 1977 an Bord der Voyager I und II gestartet befinden sie sich auf ihrer Reise durchs Universum – Ziel unbekannt.

Doch das Beispiel der Voyager Golden Records zeigt auch, wie schwierig es ist, Nachrichten an Lebewesen zu versenden, über die man rein gar nichts sicher weiß – nicht mal, ob sie überhaupt sehen können. „Obwohl es richtig ist, dass sich die Sehkraft auf der Erde als sehr anpassungsfähig erwiesen hat, könnte sie auf einem Exoplaneten mit einer trüben Atmosphäre nicht sehr hilfreich sein“, sagt Vakoch. „Wir müssen uns also immer bewusst sein, dass ein Außerirdischer seine Welt radikal anders als wir Menschen wahrnehmen könnte.“

Wie also kommuniziert man dann am Besten mit intelligenten Lebewesen in fernen Galaxien? „Wir haben bereits die Technologie, um Nachrichten zu übermitteln“, sagt Vakoch. Das Arecibo-Observatorium in Puerto Rico sei etwa ausgestattet, die Asteroiden beobachte, die der Erde nahe kommen. Diese Technik könne aber auch dazu verwendet werden, Botschaften an nahe Sterne zu senden. „Die herausfordernde Frage lautet: Was sollten wir sagen, und wie können wir es auf eine Art sagen, die für eine unabhängig entwickelte Intelligenz Sinn ergibt?“, so Vakoch.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Außerirdische Deutsch, Arabisch oder irgendeine andere menschliche Sprache verstehen, ist gering. Aber wenn eine extraterrestrische Zivilisation Radiosignale senden und empfangen könne, müsse sie die Sprache der Mathematik und Wissenschaft beherrschen, sagt Vakoch. „Wenn du nicht weißt, dass eins und eins zwei ergibt, dann wirst du kein besonders guter Ingenieur – weder auf der Erde noch auf irgendeinem anderen Planeten.“

Die hoch-mathematische Musik von Bach wäre vielleicht der verständlichste Teil der Nachricht

Douglas Vakoch, Präsident von METI International

Mit der Hilfe von Mathematik lässt sich überraschend viel ausdrücken, neben unserem Verständnis vom Universum zum Beispiel auch Dinge wie Musik: „Vielleicht wäre die hoch-mathematische Musik von Bach für Aliens der verständlichste Teil einer irdischen Nachricht“. Vorausgesetzt, das menschliche Verständnis von Mathematik entspricht dem Mathematikverständnis, das andere intelligente Lebewesen haben. Ganz sicher könne man sich auch da nicht sein, erklärt Vakoch: So könnten Aliens zwar eine Mathematik entwickelt haben, die innerlich konsistent in der mathematischen Beschreibung des Universums sei, aber entscheidende Unterschiede zur irdischen Mathematik aufweise.

Trotzdem: Mathe ist wahrscheinlich der beste Startpunkt für eine Nachricht an außerirdische, intelligente Lebensformen. Dass METI international und andere Organisationen sich nun wieder verstärkt damit beschäftigen, wie so eine Nachricht aussehen könnte und wie man am Besten mit Aliens in Kontakt treten kann, wird allerdings nicht nur mit Begeisterung aufgenommen.

In einer entsprechenden Petition, die verschiedene Wissenschaftler unterzeichnet haben, heißt es: „METI-Programme bergen unbekannte und möglicherweise enorme Implikationen und Konsequenzen. Wir glauben, dass die Entscheidung, ob wir senden sollten oder nicht, auf einem weltweiten Konsens und nicht auf den Wünschen einiger Individuen, die Zugang zu starken Kommunikationsmitteln haben, beruhen sollte.“

Als eine neu entstehende technologische Spezies ist es vernünftig, zu hören, bevor wir schreien

Petition von Wissenschaftlern, die sich gegen METI-Programme aussprechen

Die Gründe dafür brachte Stephen Hawking 2010 auf den Punkt: „Wenn uns Aliens besuchen würden, wäre es wie als Kolumbus in Amerika landete – was nicht sehr gut für die amerikanischen Ureinwohner ausgegangen ist.“. In der Petition heißt es zudem: „Als eine neu entstehende technologische Spezies ist es vernünftig, zu hören, bevor wir schreien.“

Douglas Vakoch hält dagegen: „Jede Zivilisation, die von Stern zu Stern reisen könnte, um uns auszulöschen, könnte bereits durch unsere kommerziellen Radio- und Fernsehsignale, die endlos in den Weltraum reisen, von unserer Existenz wissen“, sagt er. „Nur eine Zivilisation auf unserem Entwicklungsniveau könnte durch eine direkte Übertragung zum ersten Mal von uns erfahren. Sie hätte dann aber nicht die Fähigkeit, um zur Erde zu kommen und uns zu schädigen.“

Für Vakoch ist der Versuch der Kontaktaufnahme ein Teil davon, was es bedeutet, Mensch zu sein. „Die Menschheit wurde immer durch ihre Bereitschaft definiert, mutig zu erforschen. Wenn wir uns jetzt stattdessen dazu entschließen, uns vor dem Universum zu ducken und uns auf unserem eigenen Planeten zu verstecken, dann würde sich unsere eigene Vorstellung davon, was es bedeutet, menschlich zu sein, fundamental verändern“, sagt der Forscher. „Meiner Meinung nach wäre das eine Veränderung zum Schlechten hin.“

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