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Warum zwei Forscher Bienen winzige Rucksäcke aufsetzen wollen

von Karsten Lemm
Um besser zu verstehen, warum so viele Bienen auf rätselhafte Weise verschwinden, wollen zwei Wissenschaftler aus Wales die Tiere mit winzigen Rucksäcken ausstatten. Mikrochips, Mobilfunk und innovatives Power-Management sollen helfen, den Insekten auf ihren Flügen genauer und weiter zu folgen, als es bisher möglich war.

Forscher, die den Ursachen des Bienensterbens nachgehen, kämpfen unter anderem damit, dass die Insekten kilometerweit fliegen und unvorhersehbar herumschwirren. Einzelne Tiere im Auge zu behalten ist bisher nahezu unmöglich. Das wollen Paul Cross und Cristiano Palego, zwei Wissenschaftler von der Bangor University in Wales, mit Hilfe von High-Tech ändern: Sie arbeiten an einem Mini-Funksystem, das Bienen umgeschnallt werden soll wie ein Rucksack.

Ähnliche Versuche gab es zwar schon früher, doch halfen die Systeme nur begrenzt — entweder litten die Tiere unter zu schweren Antennen, die sie beim Fliegen behinderten, oder die Reichweite der Funksignale war sehr gering. Bei einem Projekt der australischen Wissenschaftsbehörde CSIRO etwa müssen die datensammelnden RFID-Chips aus maximal 30 Zentimetern Entfernung ausgelesen werden.

Beide Probleme wollen die britischen Forscher nun lösen. Ihr Bienen-Backpack soll nicht größer sein als ein Streichholzkopf und weniger als 50 Milligramm wiegen, etwa so viel wie zwei Reiskörner. Um das Gewicht so niedrig zu halten, verzichten die Entwickler auf eine Batterie für den Sender. Stattdessen setzen sie darauf, die Bewegungsenergie, die beim Flug der Biene entsteht, für die Übertragung der Funksignale nutzen zu können. Zusätzlich wollen sie mobile Empfänger einsetzen, um den Tieren auf ihren Ausflügen weiter zu folgen, als es bisher möglich war.

Die Herausforderung: Wie schnallt man Tausenden von Bienen Rucksäcke um?

Zu Details hält Palego sich mit Blick auf Patent-Anmeldungen noch bedeckt, doch im Frühjahr „sollten wesentliche Komponenten bereit sein“, um in der nächsten Bienensaison getestet zu werden, sagt der Spezialist für Smart-Sensor-Technologie. Wie es am besten gelingen könnte, den herumsummenden Bienen Rucksäcke umzuschnallen, gehöre aber noch zu den offenen Fragen. „Das ist definitiv eine Herausforderung“, sagt Palego. Für bisherige Versuche, die Tiere mit Tracking-Technologien auszustatten, mussten die Bienen mit Betäubungsmitteln ruhiggestellt und einzeln verkabelt werden. So viel Aufwand wollen die Wissenschaftler aus Wales vermeiden. „Wir arbeiten einem alternativen Ansatz“, erklärt Palego.

Es geht nicht nur um Honigproduktion. Das Problem ist weit größer.

Cristiano Palego

Das Bienensterben gibt Biologen weiterhin Rätsel auf. Allein in den USA hat ist die Zahl der Honigbienenvölker seit 1950 um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Studien lassen vermuten, dass als Ursache viele Faktoren zusammenkommen, darunter Milbenbefall, Pestizide, Viren und Umweltverschmutzung. Weil Bienen für die Bestäubung fast aller wichtigen Getreide- und Gemüsearten gebraucht werden, leidet auch die Wirtschaft unter dem unerklärten Massensterben der Insekten. Mandelbaum-Farmer in Kalifornien etwa zahlen heute drei bis vier Mal so viel für die Bestäubung ihrer Bäume wie vor zehn Jahren.

„Es geht nicht nur um Honigproduktion“, sagt Palego. „Das Problem ist weit größer.“ Paul Cross und er denken bereits darüber nach, ihre Tracker-Rucksäcke auch für andere Aufgaben zu nutzen — etwa, um durch Crowdsourcing von Insekten-Daten besser abschätzen zu können, wie schnell tropische Urwälder tatsächlich verschwinden.

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