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Diese ausschwärmenden Mikrobots sind wie kleine Konstrukteure

von Matt Simon
Inspirationen aus dem Tierreich sind in der Forschung keine Seltenheit. Auch Forscher der Robotik haben sich immer wieder Ideen aus der Natur geholt. Winzig kleine Fabriken mit Mikrorobotern, die wie Ameisen ausschwärmen, sind der nächste Schritt in der Evolution der Robotik.

Das Schöne an der Evolution ist, dass sie so unvoreingenommen ist. Was vor Milliarden von Jahren mit dem ersten Organismus begann, hat sich unheimlich stark in verschiedene Richtungen entwickelt. Mittlerweile gibt es Arten, die angepasst an ihre jeweilige Umgebung fliegen, hüpfen und laufen können. Schon Charles Darwin hat die Natur dafür bewundert, wie „aus einem so schlichten Anfang eine unendliche Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen entstand und entsteht.“

Wer einen Blick auf das brisante Gebiet der Robotik wirft, kann etwas ganz Ähnliches beobachten. Der humanoide Roboter der klassischen Science Fiction hat sich in Bots ausdifferenziert, die beispielsweise auf sechs Beinen krabbeln, auf zwei Beinen gehen (wenn auch etwas wackelig), oder sogar auf nur einem Bein hüpfen. Und es gibt sogar Mikroroboter, die von einigen der kleinsten Kreaturen der Erde inspiriert sind. Diese Mikrobots werden allerdings nicht von Gliedmaßen bewegt, sondern von Magnetfeldern angetrieben.

Forscher von SRI International im Silicon Valley haben mit ihrer MicroFactory die vielleicht eindrucksvollste Armee von Mikrobots entwickelt. Man kann es sich vorstellen wie eine robotische Ameisenkolonie, deren Arbeiter weniger als einen Millimeter groß sind und die ausschwärmen, um beeindruckende Strukturen zu errichten. Es könnte ein Blick in eine Zukunft sein, in der 3D-Drucker einem Schwarm von Robotern weichen, die gemeinsam stärkere und komplexere Strukturen aufbauen.


Der Aufbau der MicroFactory ist denkbar einfach: Die Grundlage bildet eine Leiterplatte, die ein Magnetfeld erzeugt. Die kleinen Roboter selbst sind Magnete, die von einem Softwareprogramm durch Manipulation des Feldes gesteuert werden können. Jeder Roboter ist mit einem sogenannten End-Effektor - dem Werkzeug, mit dem er seine Welt manipuliert - ausgestattet, der je nach Aufgabenstellung des Roboters variiert. 

Mal angenommen, es soll ein Gitter gebaut werden. Dafür nimmt man neben kleinen Stabdrähten mit hohem Kohlenstoffgehalt eine Gruppe Roboter, die diese Stäbe vertikal hält, und eine weitere, die sie horizontal hält. Eine dritte Gruppe würde den Klebstoff auftragen. Im Zusammenspiel könnten die Roboter eine komplizierte Struktur aufbauen, bei der die einen den Klebstoff auftragen und die anderen die Stäbe befestigen – während sie immer wieder vom Gitter zurück ins Vorratslager wandern, um Nachschub zu holen.

Natürlich könnte man auch einfach einen 3D-Drucker nehmen, um komplexe Strukturen aufzubauen, ohne dass dafür ein Magnetfeld benötigt wird. Das Schöne an der MicroFactory ist aber die Vielfalt der Materialien. Stabdraht und Klebstoff sind nur der Anfang: Die Roboter könnten auch Bauteile wie Widerstände und LEDs transportieren, um weitaus kompliziertere Projekte mit eingebauter Elektronik zu verwirklichen.

Genauso wäre es allerdings denkbar, dass eines Tages Mikroroboter und 3D-Drucker nebeneinander arbeiten. Die Bots könnten beispielsweise ein stabiles Gerüst errichten, während die 3D-Drucker die entsprechenden Teile herstellen. „Wir können sie gemeinsam mit dem 3D-Druck einsetzen - oder den 3D-Druck vollständig ersetzen, weil wir eine viel größere Auswahl an Materialien verwenden können“, sagt Annjoe Wong-Foy, leitender Ingenieur bei SRI.

SRI ist natürlich bei der Erforschung der Grenzen der Mikro-Robotik nicht alleine. Weitaus winzigere Maschinen wollen in die Medizin vordringen. Erst im vergangenen Monat haben Forscher eine Studie veröffentlicht und gezeigt, wie mit mikroskopisch kleinen Plastikwürfeln einzelne Hefezellen festgesetzt werden können. Im Wasser haben sie aus einzelnen Würfeln ganze Stränge gebildet, indem sie die Würfel Ecke-an-Ecke wie an einer Schnur aufgereiht haben. Jeweils eine Würfelseite wurde mit Kobalt beschichtet, was sie magnetisch machte.

Diese Forscher nutzten ebenfalls ein Magnetfeld, um ihre Mikrobot-Stränge zu manipulieren. „Jedes Mal, wenn wir also das Magnetfeld ein- und ausschalten, öffnet und schließt sich der Mikrobot bei Bedarf“, sagt der Biochemie-Ingenieur Orlin Velev von der North Carolina State University. „Man kann sich das wie eine mikroskopische Pinzette vorstellen, die wir mit kontrollierter Geschwindigkeit oder Kraft öffnen und schließen können.“

Es wäre noch immer eine sehr primitive mikroskopische Pinzette, soviel ist klar. Aber gerade weil die Mikroroboter dazu in der Lage sind, diese Hefezelle einfangen, lässt sich ihr Potential erahnen. Vielleicht werden Mikrobots eines Tages selbstständig bösartige Zellen im menschlichen Körper aufspüren, umhüllen und neutralisieren.

Zugegeben: Wenn man es ganz genau nimmt, dann sind magnetische Mikro-Roboter und Origami-Bots, die man per Magnetfeld beispielsweise durch den Verdauungstrakt steuern kann, per Definition keine „richtigen“ Roboter. Dafür müssten sie intelligenter sein, ihre Umgebung wahrnehmen und darauf reagieren können. Aktuell handelt es sich eher um winzige, ferngesteuerte Fahrzeuge. Man sollte ihnen aber eine gewisse Zeit geben, um zu reifen.

Die Mikroroboter werden sich weiterentwickeln, von einfachen Magneten zu wirklich komplexen Maschinen. Darwin wäre bestimmt stolz.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
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